Der schwarze König an der Krippe
Eine Ausstellung im Diözesanmuseum Rottenburg bezieht Stellung in der Rassismusdebatte
- In diesen Tagen sind die Sternsinger unterwegs. Was dabei auffällt: Die Anzahl der kleinen schwarzen Könige geht weiter zurück. Das hat zum Teil mit Corona zu tun. Schminken ist problematisch, wenn mancherorts das Tragen von Masken verlangt wird, aber es wird auch bewusst geächtet. Hintergrund ist eine immer weiter ausufernde Diskussion, ob die Darstellung von dunkelhäutigen Menschen in der Dreikönigstradition als rassistisch gewertet werden kann. In diesem größeren Zusammenhang kann man auch die Ausstellung „Der schwarze König an der Krippe“sehen, die das Diözesanmuseum Rottenburg zeigt.
Vollends im Schwange ist das Thema seit letztem Herbst, als eine Aktion im Ulmer Münster für enormes Aufsehen sorgte. Bekanntlich entschied sich damals die Münstergemeinde, die Dreikönige aus der an Weihnachten aufgestellten Krippe zu entfernen. Vor allem die grotesk überzeichnete Karikatur des dunkelhäutigen Königs glaubte sie, einer in punkto Alltagsrassismus zunehmend sensibilisierten Öffentlichkeit nicht mehr zumuten zu können. Zu sehr hatten sich vor allem Menschen anderer Hautfarbe, aber nicht nur diese, abgestoßen gefühlt.
Nun hätte der Fall sofort erledigt sein können. Der schwarze König aus einer in den 1920ern für einen Privathaushalt geschnitzten und erst siebzig Jahre später ins Münster gelangten Krippe ist in der Tat eine als rassistisch interpretierbare Zerrfigur und gehört nicht in ein Gotteshaus. Aber stattdessen entbrannte ein bundesweit geführter erbitterter Streit, ob die Entfernung nicht als ein Akt der Cancel Culture zu werten war, ob also aus übertriebener politischer Korrektheit heraus kulturell Missliebiges eliminiert wurde. Und so ging die ohnehin schon schwindende Unbefangenheit im Umgang mit einem beliebten und früher unverdächtigen Sujet der Sakralkunst verloren. Wie stark hier die aktuelle Postkolonialismus-Debatte hineinspielt, soll eine Ausstellung im Ulmer Museum zu der Krippen-Problematik ab Mitte Februar klären.
Die kleine Rottenburger Schau greift das Thema wohltuend zurückhaltend auf. Als Anbindung an die Moderne hat man sich eine 1948 entstandene eigenwillige „Anbetung der Könige“von Otto Dix aus dem „Museum am Dom“in Würzburg besorgt, in der aber die traditionellen Charakteristika dieses Themas noch lebendig sind: drei Könige in verschiedenen Lebensaltern und der jüngste davon mit dunkler Hautfarbe. Dazu gesellen sich sechs Gemälde aus dem eigenen Bestand. Die drei spätmittelalterlichen Tafeln zwischen 1460 bis 1490 aus dem schwäbischen und oberrheinischen Raum spielen die bekannten Details durch: Der greise König kniet mit einer Goldschatulle vor Maria und dem Kind, die beiden anderen warten geduldig. Kostbar gekleidet sind sie alle, aber bei der dunkelhäutigen Majestät frönten die Künstler einer besonderen Lust am exotischen Flair.
Ein etwas anderes Bild spiegeln die drei barocken Gemälde. Auf einem niederländischen Hausaltärchen um 1600 hält sich der mit einer Rüstung bekleidete schwarze König im Hintergrund. Eher martialisch kommt der Schwarze auf einer aus Antwerpen stammenden „Anbetung“von Caspar de Crayer aus dem Jahr 1640 daher. Während sich die beiden anderen Könige dem Kind zuwenden, schaut er aus dem Bild heraus, und hinter ihm ragen drei Lanzen in den Himmel. Man könnte also auf eine gewisse Sonderbehandlung des jungen, farbigen Königs schließen, aber eine abwertende Note haben solche Darstellungen auf keinen Fall.
Sehr stimmungsvoll ist schließlich eine „Anbetung“aus dem Jahr 1748 von Johann Zick, hierzulande bestens bekannt durch seine Deckengemälde in St. Mang, Schussenried, sowie St. Martin, Biberach. Während Maria, Josef, der kleine Jesus und die beiden anderen Könige eine intime Gruppe bilden, ragt der Vertreter Afrikas mit großer Geste im Vordergrund auf. Apart – aber vielleicht auch nur, weil er sich vor der weißen Wolkenwand so wirkungsvoll abhebt.
Im Begleitheft von Museumsleiterin Melanie Prange und ihrer Mitarbeiterin Daniela Blum wird jener Aspekt aufgegriffen, der die gesamte Diskussion um die Daseinsberechtigung schwarzer Könige in Kirchen, Museen, Krippen oder Sternsingergruppen eigentlich schon immer hinfällig machte: Ihre Präsenz darf als geradezu antirassistisch gelten, weil dadurch der globale Anspruch des Christentums betont wird – und damit die Gleichheit aller Menschen.
Bis 2. Februar, www.dioezesanmuseum-rottenburg.de