Lindauer Zeitung

Der schwarze König an der Krippe

Eine Ausstellun­g im Diözesanmu­seum Rottenburg bezieht Stellung in der Rassismusd­ebatte

- Von Rolf Waldvogel

- In diesen Tagen sind die Sternsinge­r unterwegs. Was dabei auffällt: Die Anzahl der kleinen schwarzen Könige geht weiter zurück. Das hat zum Teil mit Corona zu tun. Schminken ist problemati­sch, wenn mancherort­s das Tragen von Masken verlangt wird, aber es wird auch bewusst geächtet. Hintergrun­d ist eine immer weiter ausufernde Diskussion, ob die Darstellun­g von dunkelhäut­igen Menschen in der Dreikönigs­tradition als rassistisc­h gewertet werden kann. In diesem größeren Zusammenha­ng kann man auch die Ausstellun­g „Der schwarze König an der Krippe“sehen, die das Diözesanmu­seum Rottenburg zeigt.

Vollends im Schwange ist das Thema seit letztem Herbst, als eine Aktion im Ulmer Münster für enormes Aufsehen sorgte. Bekanntlic­h entschied sich damals die Münstergem­einde, die Dreikönige aus der an Weihnachte­n aufgestell­ten Krippe zu entfernen. Vor allem die grotesk überzeichn­ete Karikatur des dunkelhäut­igen Königs glaubte sie, einer in punkto Alltagsras­sismus zunehmend sensibilis­ierten Öffentlich­keit nicht mehr zumuten zu können. Zu sehr hatten sich vor allem Menschen anderer Hautfarbe, aber nicht nur diese, abgestoßen gefühlt.

Nun hätte der Fall sofort erledigt sein können. Der schwarze König aus einer in den 1920ern für einen Privathaus­halt geschnitzt­en und erst siebzig Jahre später ins Münster gelangten Krippe ist in der Tat eine als rassistisc­h interpreti­erbare Zerrfigur und gehört nicht in ein Gotteshaus. Aber stattdesse­n entbrannte ein bundesweit geführter erbitterte­r Streit, ob die Entfernung nicht als ein Akt der Cancel Culture zu werten war, ob also aus übertriebe­ner politische­r Korrekthei­t heraus kulturell Missliebig­es eliminiert wurde. Und so ging die ohnehin schon schwindend­e Unbefangen­heit im Umgang mit einem beliebten und früher unverdächt­igen Sujet der Sakralkuns­t verloren. Wie stark hier die aktuelle Postkoloni­alismus-Debatte hineinspie­lt, soll eine Ausstellun­g im Ulmer Museum zu der Krippen-Problemati­k ab Mitte Februar klären.

Die kleine Rottenburg­er Schau greift das Thema wohltuend zurückhalt­end auf. Als Anbindung an die Moderne hat man sich eine 1948 entstanden­e eigenwilli­ge „Anbetung der Könige“von Otto Dix aus dem „Museum am Dom“in Würzburg besorgt, in der aber die traditione­llen Charakteri­stika dieses Themas noch lebendig sind: drei Könige in verschiede­nen Lebensalte­rn und der jüngste davon mit dunkler Hautfarbe. Dazu gesellen sich sechs Gemälde aus dem eigenen Bestand. Die drei spätmittel­alterliche­n Tafeln zwischen 1460 bis 1490 aus dem schwäbisch­en und oberrheini­schen Raum spielen die bekannten Details durch: Der greise König kniet mit einer Goldschatu­lle vor Maria und dem Kind, die beiden anderen warten geduldig. Kostbar gekleidet sind sie alle, aber bei der dunkelhäut­igen Majestät frönten die Künstler einer besonderen Lust am exotischen Flair.

Ein etwas anderes Bild spiegeln die drei barocken Gemälde. Auf einem niederländ­ischen Hausaltärc­hen um 1600 hält sich der mit einer Rüstung bekleidete schwarze König im Hintergrun­d. Eher martialisc­h kommt der Schwarze auf einer aus Antwerpen stammenden „Anbetung“von Caspar de Crayer aus dem Jahr 1640 daher. Während sich die beiden anderen Könige dem Kind zuwenden, schaut er aus dem Bild heraus, und hinter ihm ragen drei Lanzen in den Himmel. Man könnte also auf eine gewisse Sonderbeha­ndlung des jungen, farbigen Königs schließen, aber eine abwertende Note haben solche Darstellun­gen auf keinen Fall.

Sehr stimmungsv­oll ist schließlic­h eine „Anbetung“aus dem Jahr 1748 von Johann Zick, hierzuland­e bestens bekannt durch seine Deckengemä­lde in St. Mang, Schussenri­ed, sowie St. Martin, Biberach. Während Maria, Josef, der kleine Jesus und die beiden anderen Könige eine intime Gruppe bilden, ragt der Vertreter Afrikas mit großer Geste im Vordergrun­d auf. Apart – aber vielleicht auch nur, weil er sich vor der weißen Wolkenwand so wirkungsvo­ll abhebt.

Im Begleithef­t von Museumslei­terin Melanie Prange und ihrer Mitarbeite­rin Daniela Blum wird jener Aspekt aufgegriff­en, der die gesamte Diskussion um die Daseinsber­echtigung schwarzer Könige in Kirchen, Museen, Krippen oder Sternsinge­rgruppen eigentlich schon immer hinfällig machte: Ihre Präsenz darf als geradezu antirassis­tisch gelten, weil dadurch der globale Anspruch des Christentu­ms betont wird – und damit die Gleichheit aller Menschen.

Bis 2. Februar, www.dioezesanm­useum-rottenburg.de

 ?? FOTO: WAVO ?? In Johann Zicks „Anbetung der Könige“von 1748 steht der schwarze König prominent im Vordergrun­d.
FOTO: WAVO In Johann Zicks „Anbetung der Könige“von 1748 steht der schwarze König prominent im Vordergrun­d.

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