Harte Nüsse knacken
Der grüne Landwirtschaftsminister Cem Özdemir ist mit großen Worten in sein Amt gestartet. Die Deutschen sollen sich gesünder ernähren. Generell sollen Lebensmittel nicht mehr zu Ramschpreisen in den Einkaufskörben der Bürgerinnen und Bürger landen. Nebenbei soll die Landwirtschaft an sich ökologischer werden und für mehr Tierwohl sorgen. Nun muss der Mann aus Bad Urach beweisen, dass diese ehrgeizigen Ziele nicht nur Worthülsen bleiben. Unwillkürlich erinnert man sich an die erste grüne Agrarministerin Renate Künast. Mit Getöse zog sie nach Lebensmittelskandalen ins Amt ein. Vor mehr als 20 Jahren versprach sie ein Ende der Agrarfabriken und zehn Prozent Biolandwirtschaft. Beides blieb Geschwätz.
Özdemir hat es heutzutage etwas leichter. Die Akzeptanz in der Bevölkerung für eine Agrarwende ist gewachsen. Die Grenzen der konventionellen auf Masse getrimmten Produktion sind offensichtlich geworden. Und doch sind die zu knackenden Nüsse nicht minder hart. Der Minister kann schnell zeigen, wie ernst es ihm ist. Nicht umsonst drängen Verbraucherschützer auf rasche Vorgaben an die Hersteller von Fertiggerichten zum Gehalt von Dickmachern oder Salz.
Ein entsprechendes Gesetz könnte tatsächlich schnell verabschiedet werden. Die wissenschaftliche Expertise dazu liegt schon lange vor. Die Selbstverpflichtung der Industrie hat sich in den vergangenen Jahren als unzureichend erwiesen. Ebenso einfach sollte ein Verbot von Marketing für ungesunde Lebensmittel für Kinder fallen. Das fordern die deutschen Kinderärzte schon lange.
Obwohl diese beiden Aufgaben einfach erscheinen, werden sie doch zu einem Test, wie angriffslustig und durchsetzungsfähig der Grüne im Amt tatsächlich ist. Denn die Ernährungsindustrie verfügt über eine hartnäckige Lobby, die bisher alle allzu strengen Regeln verhindern konnte. Behauptet sich Cem Özdemir hier nicht, wird er es in dem viel komplexeren Feld der Agrarpolitik auch kaum schaffen.