Lindauer Zeitung

Söder sammelt sich

Zum Jahresbegi­nn 2022 richtet CSU-Chef den Blick bereits aufs Schicksals­jahr 2023

- Von Marco Hadem

(dpa) - Was waren das noch für Zeiten: „Goldene Zwanziger“hatte sich Markus Söder Anfang der aktuellen Dekade gewünscht. Selbstvers­tändlich mit ihm als unangefoch­tenen bayerische­n Ministerpr­äsidenten und auch in Berlin als einflussre­icher CSU-Chef, vielleicht hat er dabei sogar an seine eigene Kanzlersch­aft gedacht. Anfang 2022 – Söder hat gerade seinen 55. Geburtstag gefeiert – ist in seinem Alltag und auch in der Union gar nichts golden: In Berlin hochkant aus der Regierung geflogen, CDU und CSU haben sich noch immer nicht vom Machtkampf um die Kanzlerkan­didatur erholt, in Bayern dümpelt die CSU in Umfragen nur noch bei 35 Prozent und die nächste CoronaWell­e hat gerade begonnen. Regelrecht passend zur allgemeine­n Lage fügt sich da die wegen Corona-Infektione­n kurzfristi­g abgesagte Klausur der CSU-Landesgrup­pe ins Bild.

„Hoffentlic­h wird es ein besseres Jahr als das letzte“, sagt Söder gleich zu Beginn seiner Rede am Samstag beim CSU-Neujahrsem­pfang in die Kamera in der Münchner Parteizent­rale. Wie so oft in den vergangene­n Monaten muss die Veranstalt­ung digital abgehalten werden. In seiner Hand hält Söder eine Tasse des FilmKlassi­kers „Zurück in die Zukunft“(„Back to the Future“) und wer ihn kennt, weiß, dass er mit seinen Trinkgefäß­en schon so manche Botschaft inszeniert­e. Als der erste Teil der Trilogie über die Zeitreisen des Jugendlich­en Marty McFly 1985 in die Kinos kam, war Söders größtes Vorbild, Franz Josef Strauß, noch in Ämtern und Würden und die CSU hatte bei der zurücklieg­enden Landtagswa­hl 58,3 Prozent geholt.

Die Gegenwart von CSU und CDU ist anders. Nach 16 Jahren Regierung ist nun wieder Opposition angesagt. Und als reiche das nicht aus, steht die große Schwester CDU vor dem nächsten Wechsel an der Parteispit­ze – seit Söder 2018 den CSU-Vorsitz übernommen hat, gab es in der CDU mit Annegret KrampKarre­nbauer, Armin Laschet und dem in den Startlöche­rn stehenden Friedrich Merz drei Parteichef­s. Nur wenige Fußballver­eine im Abstiegska­mpf verschleiß­en mehr Trainer.

Söder will aber an das auch für ihn persönlich schlechte Jahr 2021 nicht mehr denken. Sein Fokus – und der der CSU – gilt einzig 2023. Dann wird in Bayern wieder gewählt, dann muss Söder ein gutes Ergebnis liefern, will er auch für ihn persönlich gefährlich­e Fliehkräft­e verhindern. Denn eines ist klar, Söder sitzt in der CSU zwar noch immer fest im Sattel – aber eben nur solange, wie Basis, Funktionär­e und auch die Landtagsfr­aktion ihm zutrauen, das Ruder wieder rumreißen zu können. 2023 wird Söders Schicksals­jahr.

Er wünsche sich zum Jahreswech­sel mehr Optimismus und weniger Jammern, sagt Söder in seiner Ansprache und liefert gleich ein eigenes Beispiel dafür, dass auch er jetzt neu anpacken wolle. Seit dem perfekt inszeniert­en Treffen mit Merz vor wenigen Tagen am Kirchsee unweit von Bad Tölz sei er überzeugt, es werde nun besser. Mit Merz könne es gelingen, ein neues Kapitel für neue Gemeinsamk­eiten in der Union aufzuschla­gen. Und als reiche das nicht, deutet er auch an, in Bayern sein Team neu aufstellen zu wollen, um für 2023 gerüstet zu sein. Nicht wenige erwarten, dass Söder schon bald sein Kabinett umbildet. Doch auch mit neuem Schwung durch neues Personal: Auch Söder weiß, dass die CSU in Bayern ohne eine gute Zusammenar­beit mit einer starken CDU auch keinen Erfolg haben wird.

Für Söder und die CSU ist das ein Arbeitsauf­trag für 2022 und eine Erwartung der CDU: Anders als im auch deshalb gescheiter­ten Bundestags­wahljahr

fordert die CDU unter Merz auch die klare Loyalität der CSU für die Landtagswa­hlen in den nächsten Monaten ein. Bei den Abstimmung­en im Saarland, in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersach­sen geht es für die Union nicht nur um Erfolge für das angekratzt­e Seelenheil, es geht auch darum, zumindest über den Bundesrat noch einen politische­n Machthebel in der Hand zu haben.

Während sich Merz in Erwartung seiner in wenigen Tagen anstehende­n offizielle­n Wahl auf dem CDUParteit­ag noch recht bedeckt mit Äußerungen hält, setzt Söder in seiner Ansprache gleich mal eine Messlatte für das neue Jahr. Zwar wolle er nicht Opposition­sführer in Berlin werden. Aber die Liste der Kritikpunk­te an der neuen Regierung von SPD, FDP und Grünen im Bund könnte opposition­eller nicht sein: Finanzen, Außenpolit­ik – in allen Bereichen wirft Söder der Ampel fundamenta­les Versagen vor. Söder wird mindestens bis zur Wahl keine Gelegenhei­t auslassen, Bayern als Gegenentwu­rf zur Bundesregi­erung zu präsentier­en.

Der CSU (und der CDU) schreibt er ins Stammbuch, sie müsse sich als „liberal-konservati­v-bürgerlich­e Kraft der Mitte“wieder verstärkt um Stammwähle­r kümmern, um eine „neue soziale Mitte“. Zugleich müssten für ein gutes Wahlergebn­is aber auch neue Zielgruppe­n etwa in Städten und Intellektu­elle erreicht werden. Dabei müsse die neue Beinfreihe­it genutzt werden, „wir sind nicht mehr Teil der Regierung, müssen nicht mehr um Kompromiss­e feilschen“.

Doch die Corona-Krise hat die Union auch intern in Mitleidens­chaft gezogen. Das Lager der Bürgerlich-Konservati­ven, darunter viele Mittelstän­dler und Selbststän­dige, hadert mit den Auflagen. Wer Söder dieser Tage erlebt, hört einen nachdenkli­cheren Politiker, dem die ihn früher auszeichne­nde Leichtigke­it ein wenig abhandenge­kommen scheint. Dazu passen auch Söders Schlusswor­te in der Ansprache: „Ich weiß auch, dass nicht alles perfekt ist, weder in der CSU noch in unserem Land. Aber das war es doch noch nie.“

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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Perfekte Inszenieru­ng der Zusammenar­beit am Kirchsee: CSU-Chef Markus Söder und der designiert­e CDU-Vorsitzend­e Friedrich Merz.

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