Bund will weniger Werbung für Süßigkeiten
Verbraucherschützern geht das nicht weit genug – Union kritisiert Pläne Özdemirs
(dpa) - Die Verbraucherzentralen dringen auf verbindliche Vorgaben für eine gesündere Ernährung besonders bei Kindern. Der Chef des Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, sagte der Deutschen PresseAgentur: „Es darf nicht zu Täuschungen kommen, dass Produkte, die an Kinder gerichtet sind, Zucker-, Salzund Fett-Bomben sind. Darauf müssen sich Eltern verlassen können.“Pläne der neuen Bundesregierung, Lebensmittelwerbung für Kinder zu beschränken, seien dafür ein erster Schritt. Der zweite Schritt müsse sein, Ziele für weniger Zucker, Fett und Salz in Rezepturen von Fertigprodukten verbindlich festzulegen.
„Oft sieht man im Regal Produkte, die sich explizit an Kinder richten – mit Comicfiguren und anderen Dingen, die man in Heften oder im Fernsehen gesehen hat. Und der Griff danach liegt so nah“, sagte Müller. Leider sei die Erfahrung, dass viele solcher Produkte extrem viel Zucker, Fett oder Salz beinhalteten. Krankenkassen und Ärzte berichteten von dramatischer Fehlernährung und ernährungsbedingten Krankheiten auch mit Kosten für das Gesundheitssystem. „Ein Hebel, an dem man ansetzen muss, ist tatsächlich die Frage der Werbung.“
SPD, FDP und Grüne haben im Koalitionsvertrag vereinbart: „An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fettund Salzgehalt darf es in Zukunft bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige nicht mehr geben.“Müller verwies auf entsprechende Nährwertkriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO). „Die werden von der Lebensmittelwirtschaft aber nicht eingehalten.“Freiwilligkeit hätte hier nicht geholfen.
Ernährungsminister Cem Özdemir hat generell verbindliche Reduktionsziele für Fertigprodukte angekündigt. Es sei zu lange versucht worden, die Industrie mit freiwilligen Selbstverpflichtungen dazu zu bewegen, hatte der Grünen-Politiker argumentiert. Derweil muss sich Özdemir auch mit Kritik an seinen Aussagen zu Preisen für Fleischwaren und Tierwohl auseinandersetzen.
In einem Schreiben an die Unions-Abgeordneten erklären Fraktionsvize Steffen Bilger und Agrarexperte Albert Stegemann (beide CDU), „vor allem werden wir genau beobachten, ob das Geld, das Verbraucher an der Ladenkasse für mehr Tierwohl bezahlen sollen, am Ende auch tatsächlich auf den Höfen ankommt.“Hierzu fänden sich im Koalitionsvertrag keine tauglichen Instrumente. Die CDU-Agrarpolitiker attackierten auch Positionierungen Özdemirs, der verbindlich festschreiben wolle, „wie viel Zucker im Müsli, Salz im Brot oder Fett in der Wurst enthalten sein dürfen“. Die Union vertraue auf die Entscheidungsfähigkeit mündiger Bürger. „Wir wollen den Menschen nicht in den Kühlschrank hineinregieren, sondern wir setzen auf Ernährungsbildung von früher Kindheit an.“
Die SPD-Agrarpolitikerin Susanne Mittag sagte dem „Tagesspiegel“: „Verbraucher sind bereit, einen kleinen Aufschlag zu zahlen, um damit höhere Anstrengungen der Landwirte für mehr Tierwohl zu finanzieren.“Bessere Haltungsbedingungen sollten Kunden anhand des verbindlichen Tierwohllabels erkennen. Das vierstufige Siegel solle für Schwein, Geflügel und Rind gelten, und nicht nur Fleisch und Milch, sondern auch verarbeitete Ware wie Wurst und Käse umfassen.