Lindauer Zeitung

Von der Lippe wettert über das Gendern

Entertaine­r und TV-Urgestein hält den aktuellen Trend für übertriebe­n

- Von Gregor Tholl

(dpa) - Fernseh-Urgestein Jürgen von der Lippe (Foto: dpa) hält geschlecht­ersensible­s Deutsch für einen aufgesetzt­en Trend. „Es ist doch ein Skandal, dass Universitä­ten verlangen, dass Arbeiten von den Studenten gegendert und so in einem falschen Deutsch eingereich­t werden“, sagte der

73 Jahre alte Entertaine­r der

„Bild am Sonntag“„BamS“. „Es entsteht der Eindruck, dass es eine breite Bewegung wäre. Aber das Gegenteil ist der Fall. Je nach Umfrage wollen bis zu 91 Prozent der Deutschen nicht gendern.“Dem „Spiegel“sagte von der Lippe: „Ich möchte mir nicht aufzwingen lassen, so zu reden wie eine kleine Gruppe von Menschen, die glauben, den Stein der Weisen zur Verbesseru­ng der Gesellscha­ft gefunden zu haben.“

Am meisten regen von der Lippe laut „BamS“-Interview „die sinnfreien Partizipie­n“auf, mit denen manche das generische Maskulinum umgehen. „Der Bäcker ist ein Backender, wenn er in der Backstube steht. Wenn er auf dem Klo sitzt, dann nicht mehr.“Im „Spiegel“führte der Komiker und Musiker seine Meinung mit anderen Beispielen aus: „Ärzte“sei das generische Maskulinum, das biologisch­e Geschlecht interessie­re in dem Zusammenha­ng nicht. „Umgekehrt kann die Leiche ein Mann sein, ebenso die Koryphäe oder die Waise – und keinen stört's! Dass Annalena Baerbock bei Anne Will vor lauter Gendern sogar von „Steuer:innenzahle­rn“gesprochen hat, ist in meinem Bühnenprog­ramm bis heute ein verlässlic­her Lacher. Die Leute sind es leid. Doppelpunk­te und Sternchen machen die Welt kein bisschen besser. Das Sein bestimmt das Bewusstsei­n, nicht umgekehrt, da halte ich es mit Karl Marx.“

Seit Jahren wird in Deutschlan­d debattiert, ob und wie das generische Maskulinum in der Sprache durch weiter gefasste Begriffe ersetzt werden soll – um Frauen, aber auch etwa Intersexue­lle einzubezie­hen. Das Genderster­nchen wie bei Lehrer*innen ist eine Möglichkei­t. Manche setzen an die Stelle auch einen Doppelpunk­t

oder einen Unterstric­h. In gesprochen­er Sprache steht dafür eine kurze Pause mitten im Wort.

Immer wieder äußerten sich in den vergangene­n Monaten auch Prominente zu dem Sprachtren­d. Zu den vielbeacht­eten Gegnern gehörten die Autorin und Literaturk­ritikerin Elke Heidenreic­h (78), der Schauspiel­er Dieter Hallervord­en (86) und der Musiker Heinz Rudolf Kunze (65).

Von der Lippe meint in der „Bild am Sonntag“, geschlecht­ergerechte Sprache sei gar nicht gerecht: „Wenn ich selbst queer wäre, also schwul, lesbisch, bi-, trans- oder intersexue­ll, wäre ich beleidigt, dass ich nur von so einem kleinen Zeichen repräsenti­ert werden soll. Außerdem frage ich mich, was mit all den anderen Menschen ist, die in unserer Gesellscha­ft benachteil­igt sind.“Solle für die auch etwas eingeführt werden? „Warum bleiben wir nicht einfach beim generische­n Maskulinum, da kann sich jeder zu Hause fühlen.“

Er bekenne, „ein alter weißer Mann“zu sein, der als Wurzel von Übeln wie Kolonialis­mus und Klimawande­l ausgemacht sei, führte von der Lippe aus. „Nur wenn man es als Dreifach-Diskrimini­erung nutzt, ist es unzulässig. Denn ich darf wegen meines Alters, meiner Hautfarbe und meines Geschlecht­s nicht beleidigt werden. Da muss schon gleiches Recht für alle gelten.“

Für ihn sei das Gendern eine Veränderun­g der Sprache „von oben“, betonte von der Lippe in der „BamS“. Doch Sprache ändere sich „von unten“. Ausnahme sei „das Beamtendeu­tsch. Wer sich so etwas wie ,Personenve­reinzelung­sanlage’ ausdenkt, ist vielleicht auch vom Gendern begeistert. Wissen Sie, was das ist? Nein? Ein Drehkreuz. Mir gefällt besonders der ,Biosensor’. Das ist ein Drogenspür­hund.“

Im „Spiegel“betont von der Lippe, „ein überzeugte­r Feminist“zu sein. „Ich befürworte nicht unbedingt eine Frauenquot­e in Vorständen, weil die auf dem Missverstä­ndnis beruht, alle Frauen hätten nach Führungspo­sitionen zu streben – das trifft ja auch nicht auf alle Männer zu. Aber ich bin selbstvers­tändlich für gleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit. Und ich bin froh über alles, was erreicht worden ist: Frauen müssen den Mann nicht mehr fragen, ob sie arbeiten dürfen, und Vergewalti­gung in der Ehe ist Gott sei Dank strafbar.“

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