Es geht auch ohne die Familie Strauss
Südwestdeutsche Philharmonie mit außergewöhnlichem Programm beim Neujahrskonzert in Friedrichshafen
- Mit Musik aus der goldenen Ära der 20er-Jahre des letzten Jahrhunderts ist der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz ein überraschender Coup beim Neujahrskonzert 2022 im Graf-ZeppelinHaus gelungen. Für die erfrischende Darbietung der Lebensfreude versprühenden „Ohrwürmer“aus Operette, Musical, Jazz und Schlager bedankte sich das Publikum nach drei Zugaben mit stehend gespendetem Applaus.
Dirigent Yorgos Ziavras führte mit „Willkommen, Bienvenue, Welcome“in die verruchte Welt des KitKat-Clubs in Berlin Anfang der 30erJahre aus dem Musical „Cabaret“. Stilsicher im Ragtime und frühem Jazz bei den weiteren Titeln des Medleys ein treffender Einstieg in das „Leuchten der Nacht“. Wobei Ziavras, den ganzen Abend mit vollem körperlichen Einsatz dirigierend, aus dem Vollen schöpfen konnte. Die Konstanzer waren nämlich in erweiterter Besetzung angereist: Große Streichergruppe, alle Holzbläser, gesamtes Blech mit vier Hörnern und Tuba, Schlagwerk mit Stabspielen und Drumset dazu noch Klavier und Harfe. So wurde die Suite für Sinfonieorchester aus der 1928 entstandenen „Dreigroschenoper“von Kurt Weill zum besonderen Hörerlebnis. Kraftvolle Tuttistellen in der Ouvertüre, gefühlvolle Solostellen durch alle Register in „Pollys Lied“oder akzentuierte Marschrhythmen im „Kanonensong“forderte der in Athen geborene Dirigent auch mit „ausdrucksstarker“, wechselnder Mimik vom Orchester ein.
Zum Leuchten brachten die hoch motivierten Konstanzer Philharmoniker das „Symphonic nocturne“über „Lady in the Dark“. Aus dem ebenfalls von Kurt Weill nach seiner Emigration nach Amerika 1941 für den Broadway komponierten Musical arrangierte R. R. Bennett die Hauptsongs für großes Sinfonieorchester.
Ein zauberhaftes Intro, satte Streicherkantilenen, Tanzmusik pur, Bolero-Rhythmik
TRAUERANZEIGEN
und ein vorwärtstreibendes Schlagwerk begeisterten das Publikum. Im letzten Blues mit Walking Bass, synkopierter Melodie im ruhigen, einfühlsamen Fluss schwelgte Ziavras in weit ausladenden Gesten.
Hocherfreut, dass das Neujahrskonzert überhaupt stattfinden konnte, zeigte sich Intendantin Insa Pijanka in ihrer Begrüßung. Im langen Goldlamé-Kleid führte sie mit kleinen Anekdoten, kurzen Infos zu Werk und Komponist sehr humorvoll durchs Programm.
Hansung Yoo, kurzfristig für den positiv auf das Coronavirus getesteten Georgios Iatrou eingesprungen, gab mit Überzeugung den schmissigen Operetten-Bariton. Mit großem Volumen setzte er sich gegenüber dem Orchester in den Hits von Emmerich Kálmán durch. Bewundernswert sein feines Gespür, sein warmer, auch im Piano gestalteter Ton und weites Legato im Tanzlied des „Pierrot“aus der „Toten Stadt“von Erich Wolfgang Korngold. Getragen von einem hochsensibel reagierenden Orchester mit einem traumhaften Schluss. „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“oder „Ich bin die fesche Lola“, alles Hits der „Femme Fatale“Marlene Dietrich, wieder in einem super Arrangement für Sinfonieorchester einschließlich Improvisation auf der Trompete, setzten einen glänzenden Schlussakkord.