Lindauer Zeitung

Die Tür ist offen

Amtzeller Paul Wanner ist neuer Rekordspie­ler des FC Bayern – Lob von Trainer Nagelsmann

- Von Martin Deck

Selbst in den Stunden, bevor er am Donnerstag­morgen in der kleinen spanischen Stadt San Pedro del Pinatar aufwachte, hat Paul Wanner vermutlich noch nicht einmal davon geträumt, so schnell ein Teil der Profis des FC Bayern zu sein. Nur 40 Stunden später ist der Amtzeller der jüngste Spieler, der jemals für den deutschen Rekordmeis­ter in der Bundesliga aufgelaufe­n ist. Durch seine Einwechslu­ng in der 75. Minute beim Rückrunden­auftakt gegen Borussia Mönchengla­dbach am Freitagabe­nd hat Wanner im Alter von 16 Jahren und 15 Tagen Jamal Musiala überholt. Der Nationalsp­ieler war bei seinem Debüt im Juni 2020 bereits 17 Jahren, drei Monaten und 25 Tage alt. Jünger als Wanner war beim Debüt in Deutschlan­ds höchster Spielklass­e nur Borussia Dortmunds Supertalen­t Youssoufa Moukoko, der mit 16 Jahren und einem Tag im November 2020 sein erstes Spiel für die Westfalen bestritt.

Möglich wurde der Rekord des jungen Amtzellers durch die prekäre Corona-Lage beim FC Bayern. Durch den Ausfall zahlreiche­r Leistungst­räger rückte Paul Wanner, der einen Tag vor Heiligaben­d 16 Jahre alt und damit überhaupt erst für die Bundesliga spielberec­htigt wurde, in den Profikader auf. Der Anruf des Clubs erreichte den Mittelfeld­spieler am Donnerstag­morgen im Trainingsl­ager der U17Nationa­lmannschaf­t in Spanien. Per Flieger ging es zurück nach München und direkt weiter zum Training an der Säbener Straße. Nur einen Tag später dann das Debüt in der Bundesliga. Die Freude darüber konnte ihm auch die bittere 1:2-Niederlage gegen Gladbach nicht nehmen. „Leider nicht gewonnen, aber ich bin unglaublic­h stolz und glücklich über mein Profidebüt beim FC Bayern“, schrieb Wanner noch am Abend auf Instagram. „Ich möchte mich bei allen bedanken, die mich auf meinem Weg bisher begleitet haben.“

Doch wer ist das Talent, das nun ganz Fußball-Deutschlan­d kennt? Paul Wanner wuchs in Amtzell auf und wurde in der Jugend des Oberligist­en FV Ravensburg ausgebilde­t. Dort fiel der Allgäuer dem Jugendleit­er

schon früh auf. „Man hat schon in der E-Jugend gesehen, dass er enorm viel Talent hat“, erzählt Wolfgang Grünhagel im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Er bringt alles mit, was man braucht.“In der Fördergrup­pe des Vereins wurde gezielt an Wanners Entwicklun­g gearbeitet – mit Erfolg. Schnell wurden die großen Clubs auf ihn aufmerksam. „Der SC Freiburg wollte ihn unbedingt und auch RB Leipzig hatte Interesse“, berichtet Grünhagel. „Aber wenn der FC Bayern anklopft, ist die Entscheidu­ng schnell gefallen – vor allem, weil Paul schon immer Bayern-Fan war.“

Im Sommer 2018 folgte der Wechsel ins Nachwuchsl­eistungsze­ntrum des Rekordmeis­ters. Die Mutter begleitete den damals Zwölfjähri­gen mit nach München, mittlerwei­le lebt Wanner im Jugendinte­rnat des Vereins. Am FC Bayern Campus entwickelt­e er sich prächtig. Der Allgäuer, der neben der deutschen auch die österreich­ische Staatsbürg­erschaft besitzt, übersprang in jedem Jahr einen

Jahrgang und kam in dieser Saison hauptsächl­ich in der U19 zum Einsatz. Auch bei den Profis durfte er schon mehrfach im Training reinschnup­pern – und weckte dabei das Interesse von Bayern-Trainer Julian Nagelsmann. „Paul Wanner ist ein herausrage­ndes Talent mit sehr vielen Fähigkeite­n. Er ist ein sehr schneller Spieler mit einer unglaublic­h guten Technik, ein Linksfuß mit guten Ideen“, sagte der Coach bereits vor der Partie. „Er ist auf jeden Fall ein Spieler, den ich im Auge habe und den wir in Zukunft weiter fördern müssen.“

Beim 15-minütigen Bundesliga­debüt ließ der dribbelsta­rke Mittelfeld­spieler, der sowohl im Zentrum als auch auf den Außenbahne­n eingesetzt werden kann, zumindest kurzzeitig seine Klasse aufblitzen. Seine Bilanz: Eine gefährlich­e Flanke in den Strafraum der Fohlen, acht Ballaktion­en, eine Passquote von 60 Prozent und zwei gewonnene Zweikämpfe.

U16-Bundestrai­ner Marc-Patrick Meister verglich Wanner einst mit dem jungen Aleksandr Hleb, der Anfang

der 2000er die Herzen der VfBStuttga­rt-Fans eroberte und später für den FC Barcelona und den FC Arsenal zauberte. Nagelsmann traut seinem Nachwuchss­pieler eine ähnlich große Karriere zu: „Paul muss klar bleiben im Kopf, dann stehen ihm Tür und Tor offen. Er ist ein unfassbare­s Talent, sehr schnell, sehr ballsicher, mutig. Er ist ein herausrage­nder Spieler“, sagte Nagelsmann nach dem Spiel und tippte mit dem Zeigefinge­r an seine Stirn: „Aber hier oben wird entschiede­n, wo es hingeht.“

Dass die Familie die zahlreiche­n Presseanfr­agen erst einmal abblockte, spricht dafür, dass beim neuen Rekordspie­ler kaum Gefahr zum Abheben besteht. „Paul ist ein sehr bodenständ­iger Junge und hat ein sehr gutes Elternhaus“, sagt auch FV-Jugendleit­er Grünhagel. „Von daher traue ich ihm extrem viel zu.“Gut möglich also, dass der Kurzeinsat­z gegen Gladbach nicht Wanners letzter Auftritt im Trikot des FC Bayern bleibt – selbst wenn schon bald die etablierte­n Leistungst­räger zurückkehr­en.

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA Plötzlich gemeinsam mit Superstars wie Thomas Müller auf dem Platz: Paul Wanner (Mitte).

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