Traumatisierte Kinder, erschütterte Beamte
Ermittler im Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach identifizieren 439 Beschuldigte
(dpa) - Die Kölner Ermittler im Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach haben in den vergangenen Jahren insgesamt 65 Kinder aus der Gewalt von Tätern befreit. Das geht aus einer Bilanz der Polizei-Ermittlungsgruppe „Berg“hervor, die am Mittwoch veröffentlicht wurde. Das jüngste Kind, das aus einer Missbrauchssituation befreit wurde, sei nur drei Monate alt gewesen. Seine Mitarbeiter hätten „enormes Leid“gesehen, gehört und dokumentiert, sagte Ermittlungsgruppenleiter Michael Esser.
Die „Besondere Aufbauorganisation Berg“(BAO Berg) der Kölner Polizei war im Herbst 2019 eingerichtet worden. Im Haus eines Familienvaters in Bergisch Gladbach hatten Ermittler damals riesige Mengen kinderpornografischer Daten gefunden. In der Folge stießen sie auf ein weit verzweigtes Geflecht von Verdächtigen, die sich im Netz über Kindesmissbrauch austauschten. Nach vielen Durchsuchungen, Festnahmen und Verurteilungen wird die Ermittlungsgruppe nun aufgelöst.
Das Fazit: 439 Tatverdächtige konnten identifiziert werden. Bundesweit gab es 27 Festnahmen, davon 13 in Nordrhein-Westfalen. Was Verurteilungen
angeht, fehlen zwar deutschlandweite Zahlen, aber die Daten aus NRW deuten an, um welche Schwere der Taten es ging: In mehreren Verfahren, die die sogenannte Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime NRW führte, wurden zusammengerechnet mehr als 80 Jahre Freiheitsstrafe verhängt. Auch der Mann aus Bergisch Gladbach, der seine eigene Tochter missbraucht hatte, wurde 2020 zu einer zwölfjährigen Freiheitsstrafe und Unterbringung in Sicherungsverwahrung verurteilt.
Was die Zahlen zugleich kaum illustrieren können: Die Abgründe, die hinter jedem einzelnen Fall stecken. Er habe in seiner Karriere schon viel Leid gesehen, sagte Kölns Polizeipräsident Uwe Jacob. „Aber das, was wir hier aufgedeckt haben, das sprengt alle Maßstäbe.“Die beachtliche Bilanz der Ermittlungen sei kein Grund zum Feiern. „Dafür ist das Leid, das wir hier aufgedeckt haben, viel zu groß.“
Man könne nicht davon reden, dass Kindesmissbrauch ein Verbrechen vom Rand der Gesellschaft sei, sagte Esser. „Wir haben Tatverdächtige aus allen Gesellschaftsschichten“, sagte er. In den meisten Fällen hätten die Ehefrauen keine Vorahnung gehabt, was mit ihren Kindern passiere.