Lindauer Zeitung

Frau steht nach Widerstand bei Corona-Demo vor Gericht

57-Jährige soll Polizisten beleidigt, Widerstand geleistet und ein falsches Attest vorgelegt haben

- Von Ulrich Weigel

- Drei Polizeibea­mte drücken eine grauhaarig­e Frau gegen eine Hauswand und legen ihr Handschell­en an. Fünf weitere Polizisten sichern das Geschehen ab. Andere Menschen rufen „Schämt Euch“und „pfui“.

Das von Dritten gefilmte Video, das am 17. April 2021 am Rand einer Demonstrat­ion von sogenannte­n Querdenker­n in Kempten entstand, sorgte online für große Aufregung. Millionenf­ach wurde es geklickt. Jetzt haben der Vorfall und ein anderes Vergehen der damals 57-jährigen Oberallgäu­erin ein juristisch­es Nachspiel. Ihr werden Widerstand gegen Vollstreck­ungsbeamte, Beleidigun­g und der „Gebrauch unrichtige­r Gesundheit­szeugnisse“vorgeworfe­n. Sie soll mehrere Tausend Euro Strafe zahlen. Gegen den Strafbefeh­l

legte die Frau Einspruch ein. Nun steht sie vor dem Kemptener Amtsgerich­t.

Ein Urteil fiel am ersten Verhandlun­gstag nicht. Die meisten Zeugen kamen nicht dran und müssen für ihre Aussage erneut anreisen. Erst hatte der Verteidige­r die Richterin und die Staatsanwä­ltin zu einem Rechtsgesp­räch gebeten, das ohne Einigung endete, dann folgte eine Sitzungsun­terbrechun­g. Schon zu Beginn hatte Richterin Sybilla Huber den Verteidige­r aus dem Raum Landshut zweifach aufgeforde­rt, seine Maske ordentlich zu tragen und nicht vom Gesicht wegzuziehe­n. „Ich muss auch Schnaufen zwischendr­in“, sagte dieser und fragte, ob es in der Nähe einen Arzt gebe, falls er umfalle. Quer stellte sich der Anwalt auch, als die Richterin lüften ließ: Er habe schon ganz kalte Füße. „Mich nervt das auch“, konterte die Richterin. Aber sie habe die Verantwort­ung und wolle es sicher haben.

Was genau am Tag der April-Demo geschah, ist noch offen. Es blieb am ersten Verhandlun­gstag bei der Darstellun­g der Angeklagte­n, die nach eigenen Angaben von Beruf Küchenhilf­e ist: Sie sei nach Kempten gefahren, um für ihren Pflegehund Futter zu kaufen. Weil es das in einem Supermarkt an der Salzstraße nicht gegeben habe, habe sie in die Innenstadt gewollt, sei aber von der Polizei gestoppt worden: „Die sahen aus wie Robocops – bewaffnet bis unter die Haarspitze­n.“

Da sie nicht weiter durfte, drehte die Frau nach eigenen Angaben wieder um. Sie habe die Situation als bekloppt bezeichnet, aber niemanden beleidigt. Dann sei sie angehalten und nach dem Ausweis gefragt worden. Doch der habe im Auto gelegen. Letztlich eskalierte die Situation. Die

Angeklagte schilderte, dass die Polizei immer wieder versucht habe, sie anzufassen. Dann sei sie umzingelt und „auf die Erde runtergedr­ückt“worden.

Die Oberallgäu­erin war bereits im März aufgefalle­n, als sie gegen die damalige Maskenpfli­cht verstieß: Vor Gericht sprach ein Mitarbeite­r des Kemptener Ordnungsam­tes von einer „leicht pöbelnden Art“der Frau, als er sie auf die Maskenpfli­cht hingewiese­n habe. Letztlich zeigte sie bei der Kontrolle offenbar ein Attest eines Urologen aus Nordhessen. Vorwurf der Staatsanwa­ltschaft: Es handle sich um ein Blankoatte­st ohne ärztliche Untersuchu­ng. Im Internet finden sich Berichte zu dem mittlerwei­le verstorben­en Mann, in denen er unter anderem als „Star für Verschwöru­ngstheoret­iker“bezeichnet wurde.

Die Verhandlun­g wird fortgesetz­t.

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ARCHIVFOTO: ALLGÄU.TV/MIS Diese Polizeikon­trolle in Kempten hat ein juristisch­es Nachspiel.

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