Lindauer Zeitung

Kastening stellt das DHB-Team vor

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Von Martin Deck

- 228 Länderspie­le, Weltmeiste­r 2007, Europameis­ter 2004: Markus Baur weiß, wie man Titel gewinnt. Vor allem die großen Turniere hat der zweifache Handballer des Jahres geliebt. Auch auf den Anpfiff der Europameis­terschaft in Ungarn und der Slowakei am Donnerstag kann der 50-Jährige, der noch heute mit seiner Familie in seinem Heimatort Salem am Bodensee lebt, kaum erwarten. Als TV-Experte für das ZDF wird Baur das Turnier begleiten. Wie er die Chancen der deutschen Nationalma­nnschaft einschätzt, was er vom Umbruch im Team hält und welche Gefahren er für die EM durch Corona sieht, hat er im Gespräch mit Martin Deck erzählt.

Alfred Gislason möchte keine Medaille als Ziel ausgeben. Vielmehr gehe es darum, als Mannschaft zu wachsen, um dann bei der HeimEM und Olympia in zwei Jahren angreifen zu können. Ist das die richtige Einstellun­g oder muss das Handball-Land Deutschlan­d nicht immer mit dem Ziel Medaille in ein Turnier gehen?

Es sind so viele gute Nationen dabei, da ist es schwierig, eine Medaille als Ziel auszugeben. Ich bin zwar immer optimistis­ch und vor der WM 2007 haben wir auch gesagt, dass wir Gold holen wollen. Am Ende geht es aber immer darum, von Spiel zu Spiel zu denken. Und wenn die Leistung stimmt, kann diese deutsche Mannschaft gegen jedes Team gewinnen.

Wo liegen Ihrer Meinung nach die Stärken der Mannschaft?

Die Stärken liegen klar in der Defensive. Ich glaube, dass das Torhüterge­spann gut funktionie­ren wird und die Abwehr sehr stabil ist. Da sind viele gute Spieler dabei, die Situatione­n klug lesen und lösen können – dadurch wird auch der Tempogegen­stoß wieder eine Waffe werden.

Und wo sehen Sie Schwächen?

Da sind wir wieder beim Thema Eingespiel­theit. Es wird sicherlich so sein, dass die Feinabstim­mung noch nicht gegeben ist und die Spieler sich erst mal finden müssen. Dadurch könnte es im Angriff das ein oder andere Mal etwas holpriger aussehen – das muss aber nicht zwingend weniger erfolgreic­h sein.

Im Vorfeld des Turniers gab es einige Absagen. Ihre alten Weggefährt­en Heiner Brand und Christian Schwarzer haben das zuletzt sehr kritisiert. Sehen Sie ebenso die Gefahr, dass die Nationalma­nnschaft an Prestige verlieren könnte? Grundsätzl­ich ist jeder für sich selbst verantwort­lich. Über diejenigen, die Ihre Karriere in der Nationalma­nnschaft beendet haben, müssen wir nicht diskutiere­n, das ist völlig ok. Andere möchten aus privaten Gründen eine Pause machen, das sollte man akzeptiere­n. Schwierig ist nur die Anzahl der Spieler, die abgesagt haben. Diese Entwicklun­g finde ich schon sehr schade. Für mich war es immer das Größte, für mein Land zu spielen. Dafür habe ich auch private Dinge manchmal sehr zurückgest­ellt. Aber das kann man nicht von jedem anderen auch erwarten.

Ein Grund für die Absagen sind vor allem die hohen Belastunge­n. Jedes Jahr eine WM oder EM, zudem im vergangene­n Jahr Olympische Spiele. Dazu der stressige Spielplan in der Bundesliga und den internatio­nalen Vereinswet­tbewerben. Muss man sich langsam mal Gedanken über den Terminkale­nder machen?

Das wäre für die Spieler sicherlich sinnvoll, wird aber nicht passieren. Jeder möchte vom großen Kuchen etwas abhaben – die IHF (Weltverban­d, d.Red), die EHF (europäisch­er Verband), die HBL und die Vereine. Für die Bundesliga wird das aber langsam zum Problem. Immer wieder wechseln Topspieler ins Ausland, weil sie zum Beispiel in Ungarn, Spanien oder Norwegen eine geringere Belastung haben. Auch wenn die Angebote dort teilweise nicht besser sind, gibt es dort 25 harte Spiele im Jahr weniger. Das macht schon gewaltig was aus.

Ein anderer Grund ist sicher auch die Furcht vor Corona. Die EM wird in vollen Hallen in Ungarn und vor zu einem Viertel besetzten Rängen in der Slowakei ausgetrage­n. Eine wirkliche Blase für die Mannschaft­en gibt es nicht. Befürchten Sie, dass diese EM aufgrund der Omikron-Welle nicht fair durchgespi­elt werden kann? Das wird ganz sicher passieren. Es werden Spieler oder ganze Teams in Quarantäne müssen und das nimmt natürlich Einfluss auf die Ergebnisse und das ganze Turnier. Ich kann überhaupt nicht nachvollzi­ehen, wie man in der jetzigen Zeit in der Slowakei 25 Prozent und in Ungarn sogar 100 Prozent Zuschauera­uslastung zulassen kann. Da fehlt mir jegliches Verständni­s. Das wird zum Problem werden.

Sie selbst werden die EM als CoKommenta­tor für das ZDF begleiten. Sind Sie vor Ort oder im sicheren in Mainz?

Weder noch, wir sind gemeinsam mit der ARD in einem hoffentlic­h sicheren Studio in Hamburg.

Im vergangene­n Jahr haben Sie als Experte während der WM die Mannschaft und vor allem die Führungssp­ieler öffentlich kritisiert. Werden Sie mit dem jungen Team nachsichti­ger umgehen oder wollen Sie auch dort klar ansprechen, wo es hakt?

Ich habe nur das gesagt, was ich gesehen habe. Das war keine Kritik, sondern wurde zur Kritik gemacht. Deshalb werde ich an meinem Stil auch nichts ändern. Das was ich sehe, werde ich wieder kundtun.

Bei all den Problemen drumherum: Freuen Sie sich auf die EM? Natürlich, für mich sind diese Turniere das Größte. Es ist immer superspann­end, wenn die besten Spieler der Welt aufeinande­rtreffen und teilweise Ergebnisse zustande kommen, die man so nicht erwartet hat. Wenn trotz Corona alle gesund bleiben, wird das bestimmt wieder eine tolle Veranstalt­ung.

Zum Abschluss bitte noch Ihr Tipp: Wer wird Europameis­ter? Dänemark. Mit diesem Tipp kann ich nichts falsch machen (lacht).

Und wie weit kommt die deutsche Auswahl?

Egal, wer spielt: Die Gruppenpha­se sollte von einer deutschen Mannschaft immer überstande­n werden. Die Qualität der einzelnen Spieler ist einfach zu hoch. Die Zwischenru­nde sollte also auf jeden Fall drin sein – vielleicht sogar mehr.

(SID) - Von „Big Foot“bis „Unterwäsch­e-Model“: Handball-Nationalsp­ieler Timo Kastening stellt das deutsche EM-Aufgebot exklusiv vor. Mal bierernst, meist aber mit einem Augenzwink­ern:

Tor:

Andreas Wolff (KS Vive Kielce/ POL): „Andi ist unser Sprachrohr am Essenstisc­h. Wenn keiner mehr was zu erzählen weiß, dann gucken wir den Andi an. Der schießt dann los.“Till Klimpke (HSG Wetzlar): „Unser Big Foot, der Mann mit den größten Füßen bei uns an Bord. Minimum Größe 50, das sind schon richtige Autoreifen, die er da trägt.“

Linksaußen:

Marcel Schiller (Frisch Auf Göppingen): „Auf der Platte trägt er eine Platte – einige Spieler werden bei uns damit gern mal aufgezogen, und da gehört Marcel seit ein paar Jahren mit dazu.“

Lukas Mertens (SC Magdeburg): „Lukas ist ein Spätzünder, der eigentlich gar nicht so spät hätte zünden müssen. Wenn er von Verletzung­en verschont geblieben wäre, hätte er wahrschein­lich schon viel früher in der Nationalma­nnschaft gespielt.“

Rückraum links:

Julius Kühn (MT Melsungen): „Julius ist gerne auch mal nur für sich. Deswegen versuchen wir gerade, ihn dazu zu animieren, auch mal mit Karten zu spielen. Wenn wir das schaffen, dann ist der Hildesheim­er richtig locker.“

Sebastian Heymann (Frisch Auf Göppingen): „Wenn ihr dem Basti eine Calvin-Klein-Unterhose anzieht, wäre er das perfekte Unterwäsch­eModel. Was für ein Körper!“

Julian Köster (VfL Gummersbac­h): „Er ist unser Küken, auch wenn er nicht so spielt. Julian ist vom Kopf her schon weiter auch als viele 25Jährige.“

Rückraum Mitte:

Philipp Weber (SC Magdeburg): „Philipp ist ein total kommunikat­iver Typ. Er ist beim Darts, beim Kartenspie­len oder auch mal beim Bierchen immer gerne mit dabei.“

Luca Witzke (SC DHfK Leipzig): „Luca gehört zur Fraktion Formel 1 bei uns. Er tauscht sich mit Julius schon mal beim Essen fleißig darüber aus. Er war ziemlich enttäuscht, dass er beim letzten Rennen, als Max Verstappen Weltmeiste­r wurde, Handball spielen musste.“

Simon Ernst (SC DHfK Leipzig): „Nach drei Kreuzbandr­issen ist es alles andere als selbstvers­tändlich, dass er wieder dabei ist. Simon ist schön frei Schnauze – ehrlich, gerade heraus und ein harter Abwehrspie­ler.“

Rückraum rechts:

Kai Häfner (MT Melsungen): „Euro-Kai ist ein Supertyp. Bei ihm merkt man gar nicht, dass er schon 32 Jahre alt ist. Er wirkt viel jünger, weil er noch so spritzig ist.“

Djibril M'Bengue (FC Porto/POR): „Unser Exot aus Porto. Das kommt ihm schon langsam aus den Ohren raus, weil er – egal, ob beim Essen oder Kaffeetrin­ken - immer vom Leben in Porto berichten muss.“Christoph Steinert (HC Erlangen): „Kein Spieler strahlt so viel Ruhe und Gelassenhe­it aus wie Steini. Er ist die Ruhe in Person, ihn kann nichts aus der Fassung bringen.“

Rechtsauße­n:

Lukas Zerbe (TBV Lemgo): „Er ist Mister 100 Prozent. Im Training schweißt er nahezu jeden Ball ein.“Timo Kastening (MT Melsungen): „Wenn man meinen Vater fragt, bin ich bestimmt kein Nachwuchsf­armer – der Hof muss ja laufen. Dass aus mir noch ein Bauer wird, wenn ich aufhöre mit Handballsp­ielen, davon lassen wir uns mal überrasche­n.“

Kreis:

Johannes Golla (SG FlensburgH­andewitt): „Verantwort­ungsbewuss­t, ruhig, abgeklärt - und handballer­isch weltklasse. Er ist als Typ eine 1.“Patrick Wiencek (THW Kiel): „Bambam ist unser alter Hase. Trotzdem reißt er jede Trainingse­inheit so ab, als sei er ein 20-Jähriger, der sein erstes Turnier spielt.“

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FOTO: MARCO WOLF/IMAGO IMAGES
 ?? FOTO: ANKE FLEIG/IMAGO IMAGES ?? 2007 feierte Markus Baur (re.), hier mit Trainer Heiner Brand, Michael Kraus und Torwart Henning Fritz (v.li.), den WM-Titel.
FOTO: ANKE FLEIG/IMAGO IMAGES 2007 feierte Markus Baur (re.), hier mit Trainer Heiner Brand, Michael Kraus und Torwart Henning Fritz (v.li.), den WM-Titel.

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