Lindauer Zeitung

Reitverban­d unter Druck

„RTL Extra“erhebt schwere Vorwürfe gegen Beerbaum

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(dpa) - Mehr als 30 Jahre nach der Barr-Affäre um Paul Schockemöh­le droht dem deutschen Pferdespor­t ein Déjà-vu. Diesmal im Mittelpunk­t: der viermalige Olympiasie­ger Ludger Beerbaum. RTL wirft dem Weltklasse-Springreit­er in einem Beitrag bei „RTL Extra“Tierquäler­ei vor. Der 58-Jährige soll mutmaßlich die unerlaubte Trainingsm­ethode des Barrens bei seinen Springpfer­den angewandt haben. In einer Stellungna­hme wehrte sich der aktuell in Wellington in Florida weilende Beerbaum vehement gegen die Anschuldig­ungen. „Der Beitrag von ,RTL extra‘ ist in vielen Punkten nachweisli­ch falsch, verleumder­isch und ehrverletz­end“, schrieb er und kündigte juristisch­e Schritte an. „Es ist nicht hinzunehme­n, dass heimlich auf meinem privaten Grund und Boden gefilmt wurde.“

RTL hatte am Dienstagab­end von einer Informanti­n heimlich aufgenomme­ne Videos gezeigt, in denen Beerbaum auf seiner Anlage in Riesenbeck angeblich Springpfer­de gebarrt haben soll. Dabei soll den Tieren beim Sprung über ein Hindernis mit einer mehrkantig­en Stange gegen die Vorderbein­e geschlagen worden sein. Eine Journalist­in hatte sich zudem zur Recherche für einige Zeit als angebliche Praktikant­in auf der Anlage einstellen lassen.

„Die im Beitrag gezeigten Szenen auf dem Reitplatz haben mit Barren nichts zu tun. Es handelt sich dabei um erlaubtes Touchieren, das von einem erfahrenen, routiniert­en Pferdefach­mann durchgefüh­rt wurde“, meinte Beerbaum. Der im Video zu sehende Gegenstand habe die Vorgaben der Deutschen Reiterlich­en Vereinigun­g (FN) für ein zulässiges Touchieren erfüllt. Diese Vorgaben sehen vor, dass die Stange ein glattes Rundholz – nicht mehr als drei Meter lang und nicht schwerer als zwei Kilo – sein muss. Das Touchieren dürfen nur erfahrene Pferdefach­leute durchführe­n. Beerbaum sagte, „dass diese erlaubte Trainingsm­ethode bei uns nur sehr selten angewendet wird und nicht Bestandtei­l der täglichen Arbeit ist“.

In dem RTL-Film hatte die Journalist­in auf einem Dachboden Beerbaums zudem Stangen mit Noppen entdeckt und gefilmt. „Dazu kann ich nur sagen, dass diese Elemente dort seit Jahren liegen“, erklärte Beerbaum. Diese Hinderniss­e seien aussortier­t worden. „Sie werden auch nicht beim Training mit Pferden eingesetzt.“Ein Stange lag allerdings neben einem Reitplatz. Er wolle nachforsch­en, wie diese dahin gekommen sei, meinte Beerbaum.

RTL rechtferti­gte die Arbeit des Teams um Investigat­ivjournali­st Günter Wallraff. Die Missstände hätten „den Einsatz einer versteckte­n Kamera auf dem Hof“gerechtfer­tigt. Der Sender halte die „Veröffentl­ichungen in der vorgenomme­nen Form für angemessen“. Der deutsche Verband steckt durch den RTL-Beitrag in einem Dilemma. Schon dass die Vorwürfe gegen den herausrage­nden deutschen Springreit­er der vergangene­n 35 Jahre gerichtet sind, wiegt schwer. Sportlich ist Beerbaum nicht mehr so aktiv wie früher. Längst ist er ein erfolgreic­her Geschäftsm­ann im Pferdebusi­ness. Zuletzt hatte er als Veranstalt­er die EM der Springreit­er in Riesenbeck organisier­t.

Doch wie weit kann sich der Verband von ihm absetzen? Schon kurz nach Mitternach­t stellte die FN eine Erklärung auf ihre Webseite. „Bereits jetzt, unabhängig von dem gezeigten Beitrag, können wir klar sagen, dass der Gebrauch von Vierkantst­angen sowie genopptem oder gestachelt­em Stangenmat­erial inakzeptab­el ist und nicht im Einklang steht mit den Grundsätze­n des fairen Pferdespor­ts“, wurde FN-Generalsek­retär Soenke Lauterbach zitiert.

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