Russland und Nato bleiben auf Konfrontationskurs
Außenminister Lawrow setzt westlichem Bündnis Ultimatum – Hackerangriff auf ukrainische Behörden
- Russlands Geduld sei am Ende, erklärte Außenminister Sergei Lawrow am Freitag auf die Frage, warum Moskau erst jetzt so heftig auf die Nato-Osterweiterung reagiere. „Wir sind sehr geduldig.“Sprachkundige Journalisten würden das Sprichwort kennen, dass die Russen ihren Schlitten lange anspannen. „Wir haben sehr lange angespannt, es ist endlich Zeit loszufahren.“
Am Freitag veranstalte Moskaus Chefdiplomat seine Jahrespressekonferenz. Angesichts der wachsenden militärischen Spannungen mit dem Westen vielleicht die brisanteste in seiner knapp 18-jährigen Amtszeit. Und Lawrow bemühte sich keineswegs, Spannung herauszunehmen. Er forderte von seinen westlichen Kollegen, eine konkrete schriftliche Antwort auf die russischen Vorschläge, binnen einer Woche. „Russland wird nicht endlos warten.“Lawrows Hauptbotschaft: Russland lasse es sich nicht länger gefallen, dass die Nato seine roten Linien missachte. Diese häufe an der russischen Grenze Kriegsgerät an, die Amerikaner transportierten Zehntausende Soldaten und Tausende von Waffensystemen Richtung Polen und Baltikum.
In der Ukraine bedrohe das von Nato-Ländern mit Hunderten Ausbildern unterstützte Regime von Präsident Wolodymyr Selenskij die russischsprachige Bevölkerung, konzentriere an der Front im Donbass seine kampfkräftigsten Bataillone. Lawrow selbst vermied es gestern, die möglichen russischen Reaktionen
zu konkretisieren. Falls der Westen Moskaus Vorschläge ablehne, werde man eine Entscheidung fällen, die alle Faktoren zur Gewährleistung der eigenen Sicherheit berücksichtigen.
Diese Woche verhandelten Lawrows Diplomaten zunächst mit den USA, dann der Nato und der OSZE über die Sicherheitsforderungen, die Moskau im Dezember veröffentlicht hatte. Die westlichen Politiker lehnten dabei die russischen „Verhandlungsimperative“geschlossen ab: schriftliche Garantien der USA und der Nato, ihre Truppen und Infrastruktur aus den osteuropäischen Mitgliedsstaaten abzuziehen, und weder die Ukraine noch andere postsowjetische Länder neu aufzunehmen.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg machte am Freitag einmal mehr klar, dass die Russen vergeblich auf einen schriftlichen Sinneswandel der Nato warten. „Wir machen keinerlei Kompromisse, wenn es ums Prinzip geht.“Jedes Land habe das Recht, selbst zu entscheiden, ob es einem Militärbündnis wie der Nato angehören wolle.
Damit bewegen sich Nato und Russland verbal weiter auf Konfrontationskurs. Und auch faktisch geht dieser weiter: Das russische Verteidigungsministerium startete am Freitag unangekündigt eine Einsatzbereitschaftsüberprüfung der Streitkräfte
in seinem östlichen Militärkreis. Die Einheiten sollen „Märsche auf unbekannte Truppenübungsplätze durchführen, die sich in beträchtlicher Entfernung von ihren Garnisonen befinden“. Russland demonstriert damit militärische Langstreckenmobilität.
Schon am Mittwoch veröffentlichte die Recherchegruppe Conflict Intelligence Team Dutzende Videos von Panzern und Geschützen auf ostsibirischen und fernöstlichen Eisenbahnstrecken und vermutete, sie rollten Richtung Ukraine.
In der Ukraine selbst legten Attacken unbekannter Hacker gestern das staatliche Serviceportal Dija sowie die Webseiten mehrerer Ministerien lahm. Dabei hinterließen sie auf Ukrainisch, Polnisch und Russisch eine Drohung an die Ukrainer: „Alle Information über euch sind jetzt publik geworden, fürchtet euch und erwartet das Schlimmste.“Offenbar wollte man den Eindruck erwecken, dass die Hacker aus Polen kommen. Aber nach Angaben der polnischen Zeitung „Wprost“und des ukrainischen Portals „Ewropejskaja Prawda“war der polnische Text voller stilistischer Fehler. Die Journalisten in Kiew und Warschau vermuten, dass die Autoren ganz anderer Nationalität sind.
Noch ist der russische Schlitten nicht abgefahren. Am Dienstag empfängt Lawrow seine deutsche Kollegin Annalena Baerbock. Die GrünenMinisterin wird aus Kiew zu ihrem Antrittsbesuch kommen und will mit Lawrow über eine Wiederbelebung der Donbass-Friedensverhandlungen im Normandie-Format sprechen.