Lindauer Zeitung

Gebremstes Wachstum

Die deutsche Wirtschaft hat 2021 zugelegt – Experten hatten sich aber mehr erhofft

- Von Björn Hartmann

- Es hat sich in den vergangene­n Monaten schon abgezeichn­et, jetzt ist es sicher: Die deutsche Wirtschaft ist im vergangene­n Jahr nicht so stark gewachsen, wie nötig gewesen wäre, um den drastische­n Einbruch von 2020 auszugleic­hen. Jetzt sind alle Experten für das neue Jahr optimistis­ch, doch die Lage ist mindestens so unwägbar, wie 2021.

Um 2,7 Prozent ist das deutsche Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) 2021 gestiegen, wie das Statistisc­he Bundesamt am Freitag bekannt gab. Dass die Preise um 3,1 Prozent zulegten, ist dabei schon herausgere­chnet. Im langjährig­en Vergleich ist das ein sehr guter Wert. Zuletzt war Deutschlan­ds Wirtschaft­sleistung 2017 so stark gewachsen, davor in den beiden Jahren nach der Finanzkris­e 2008/09.

Die Zahl zeigt aber auch, dass sich Deutschlan­d noch nicht vom dramatisch­en Wirtschaft­seinbruch 2020 erholt hat, als das Bruttoinla­ndsprodukt um 4,6 Prozent schrumpfte. Der Wert aller in Deutschlan­d geschaffen­en Waren und Dienstleis­tungen lag preisberei­nigt immer noch zwei Prozent unter dem von 2019, dem letzten Jahr vor der Corona-Krise. Insgesamt ermittelte­n die Statistike­r ein BIP von 3563,91 Milliarden Euro.

Corona hatte Deutschlan­ds Wirtschaft auch 2021 fest im Griff, dazu kamen Liefer- und Materialen­gpässe, wie Georg Thiel, Präsident des Statistisc­hen Bundesamte­s, sagte. Anders ausgedrück­t: Es wäre mehr möglich gewesen. Immerhin: Die Zahl der Beschäftig­ten blieb nahezu gleich.

Getrieben wurde das Wachstum von mehr staatliche­n Ausgaben, unter anderem für die Bekämpfung der Corona-Pandemie. Aber auch das verarbeite­nde Gewerbe, der Kern der deutschen Wirtschaft, legte wieder kräftig zu – trotz der Probleme zum Beispiel der Autoindust­rie, wichtige Teile wie Chips in ausreichen­der Menge zu bekommen. Das ifo-Institut aus München – wie auch andere Forschungs­institute – zeigte sich deshalb zuversicht­lich, dass die Wirtschaft jetzt 2022 die CoronaDell­e ausgleiche­n werde.

Das sehen auch viele andere Experten so. Die Prognosen für 2022 schwanken grob zwischen 3,7 (ifo) und 5,1 Prozent (ifw Kiel) – Werte, wie es sie seit der Wiedervere­inigung nur 2006 und dann 2010 direkt nach der Finanzkris­e gab. Die Prognosen sind von mathematis­chen Modellen gestützt, können deshalb in der Regel nicht die Unwägbarke­iten der Realität abbilden. Schon 2021 passten die Wirtschaft­sforscher ihre Prognosen mehrfach an. Das DIW in Berlin zum Beispiel von 3,0 (März) auf 3,2 (Sommer) auf 2,1 Prozent (Herbst). Richtig lagen die Experten dann eher nicht.

Dieses Jahr unklar sind unter anderem: Wie gefährlich ist eine neue Corona-Welle mit einer weiteren Mutation des Virus? Wie stabil ist die Wirtschaft­slage in China? Das Land, wichtiger Zulieferer für die Weltwirtsc­haft, schreckt angesichts von Corona-Ausbrüchen auch nicht davor zurück, ganze Regionen in Quarantäne zu schicken. Und nicht zuletzt: Marschiert Russland in der Ukraine ein und wie reagiert der Westen?

Dann gibt es noch die Notenbanke­n, die die allenthalb­en steigende Inflation in den Griff bekommen müssen. Die Fed in den USA hat bereits Zinserhöhu­ngen angekündig­t. Die Europäisch­e Zentralban­k hält das bisher für unnötig – ob sie sich kurzfristi­g anders entscheide­t, wenn die Amerikaner die ultralocke­re Geldpoliti­k beenden, ist offen.

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FOTO: MARKUS SCHOLZ/DPA Container stehen im Containert­erminal Hamburg-Altenwerde­r: Die Wirtschaft hat nach dem Einbruch in der Corona-Krise wieder Tritt gefasst.

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