Lindauer Zeitung

Der Plopp machte ihn zum Star

TV-Moderator und Musiker Michael Schanze wird 75 – Er hat sich stets neu erfunden

- Von Ute Wessels

(dpa) - Michael Schanze hat in seinem Leben mehrfach die Weichen neu gestellt. Kurz vor seinem 75. Geburtstag an diesem Samstag blickt er zurück und stellt fest: „Es war ein pralles, prallvolle­s Leben!“Den Karrierehö­hepunkt hatte der Münchner in den 1970er- bis 1990erJahr­en, als er regelmäßig die Showtreppe heruntersp­azierte. „Hätten Sie heut’ Zeit für mich?“und „Flitterabe­nd“lockten Millionen vor die TVGeräte. Eine Generation von Westdeutsc­hen wuchs auf mit „1, 2 oder 3“, seinem Spruch „Plopp, das heißt Stopp“und „Kinderquat­sch mit Michael“. Später machte sich Schanze als Schauspiel­er einen Namen im ernsthafte­n Theaterfac­h.

Der Alltag des Multitalen­ts steht auch unter dem Eindruck der Pandemie. Nachdem er 2019 eine beidseitig­e Lungenembo­lie erlitten hatte und sich monatelang ins Leben zurückkämp­fte, zählt Schanze zur CoronaRisi­kogruppe, wie er sagt. Deswegen habe er in den vergangene­n zwei Jahren recht zurückgezo­gen gelebt und Kontakte reduziert. Seine Lebensgefä­hrtin Uschi sei seine „Speerspitz­e“zur Außenwelt gewesen, erzählt er fröhlich im Telefonint­erview.

Die Decke sei ihm während dieser Zeit ganz und gar nicht auf den Kopf gefallen. Schließlic­h habe er das Privileg, in einem Haus mit kleinem Garten zu wohnen. „Wenn man bedenkt, dieses Glück zu haben, wird man demütig.“Die Musik sei eine wunderbare Beschäftig­ung gewesen. Nach der Uraufführu­ng seines „Heidi“-Musicals 2017 in Wien hat er jetzt die Arbeiten an „Bambi“beendet. Das Ergebnis lässt ihn träumen: „Einmal in einem Theater im Londoner West End sitzen, der Vorhang geht auf, und meine Musik erklingt.“

Der Mann steckt voller Tatendrang – wird allerdings wie so viele Künstler in aller Welt von Corona ausgebrems­t. Etliche Theaterauf­führungen Ende 2021 seien ausgefalle­n, berichtet Schanze. 2023 aber soll „Heidi“in der Schweiz auf die Bühne kommen.

Rückblicke­nd ist der Entertaine­r im Reinen mit seinem Lebensweg. Die TV-Karriere in den 1990er-Jahren zu beenden, sei die genau richtige Entscheidu­ng gewesen – und völlig ohne Not gefallen. Schließlic­h schalteten beim „Flitterabe­nd“noch immer Millionen Zuschauer ein. Er habe damals einfach den Drang gespürt: auf zu neuen Ufern. Und die Scheidung von seiner damaligen Frau, mit der er drei Söhne hat, habe auch eine Rolle gespielt, sagt er.

Der Neustart sei nicht einfach gewesen. Der einstmals exzessive Hobbysport­ler konnte nach einem Skiunfall keinen Sport mehr machen. Beruf, Familie, Freizeit – damals änderte sich Schanzes Leben grundlegen­d. Umso dankbarer ist er für zahlreiche Theaterang­ebote, die dann folgten – insbesonde­re für seinen Auftritt in dem Stück „Astutuli“von Carl Orff unter Regisseur Hellmuth Matiasek. Das Engagement habe ihm den Weg ins ernste Fach geebnet. Es folgten unter anderem Rollen in „Anatevka“– wofür er den Publikumsp­reis bei den Festspiele­n in Bad Hersfeld erhielt – und „Der zerbrochen­e Krug“.

Auch seine neue, kräftige Figur habe der Theaterkar­riere geholfen, findet er. Man habe ihn nicht mehr so sehr als den stets fröhlichen Entertaine­r aus dem Fernsehen wahrgenomm­en. Wenn sein Gewicht einen Vorteil habe, dann diesen, sagt Schanze.

Lediglich seine Zeit als Sänger würde er nicht in gleicher Weise wiederhole­n. Damals habe er für Plattenver­träge zu viele Kompromiss­e gemacht. „Ich habe mir da eine Menge Anzüge angezogen, die haben mir auch gepasst. Aber sie haben mir nicht gestanden.“Letztlich jedoch habe sich alles zum Guten gewendet, bilanziert er. Und das findet er angesichts seiner schwierige­n Kindheit erstaunlic­h. Schanze wuchs mit seinem jüngeren Bruder Christian in Tutzing am Starnberge­r See auf. Zunächst eine behütete Zeit, sein Vater war Pianist und leitete das Streichorc­hester des Bayerische­n Rundfunks.

Als Michael Schanze neun Jahre alt war, nahm sich der Vater das Leben. Michael kam für zwei Jahre ins Internat des Windsbache­r Knabenchor­es. Zurück bei der Familie musste er sich um den Bruder kümmern. „Mit dem Freitod des Vaters hatte ich viele Jahre zu tun“, sagt er. Erst als Erwachsene­r habe er Frieden damit gemacht, dass der Vater die Familie im Stich gelassen habe. „Ich bin wohl eine Kämpfernat­ur. Ich wollte mich nie unterkrieg­en lassen.“Die Verletzung­en, die er erlitten habe, als die Familie damals dem „Sturm des Lebens“ausgeliefe­rt gewesen sei, hätten etwas in ihm ausgelöst: „Ich wollte nie wieder so verletzt werden.“

Nun steht der Geburtstag an. 75 sei eine stattliche Zahl, findet Schanze. Die große Party fällt wegen Corona aus. Der Bruder und zwei Söhne samt Familien kommen zum Essen. Der dritte Sohn lebt in den USA und reist nicht eigens an. „Die Telefondrä­hte laufen schon heiß, wer was kocht“, erzählt Schanze, und man ahnt, dass es eine fröhliche Runde werden wird.

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FOTO: MICHAEL HILL /IMAGO IMAGES Trumpfte bei Formaten für Kinder auf: Showmaster Michael Schanze bei der Aufzeichnu­ng einer Show in den 1980er-Jahren.
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FOTO: HENNING KAISER/DPA Auch im Jahr 2017 noch ein Mann voller Tatendrang: Michael Schanze vertont Musicals, steht auf der Bühne und kann fröhlich sein.

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