Lindauer Zeitung

Unverwechs­elbar in Architektu­r und Programm

25 Jahre Kunsthaus Bregenz – Das Gebäude ist bis heute ein Erlebnis und eines der führenden Ausstellun­gshäuser für Gegenwarts­kunst

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KVon Antje Merke

assel hat die documenta, Venedig die Biennale und Bregenz das Kunsthaus. Der Vergleich mag im ersten Moment zwar etwas übertriebe­n wirken, aber das Kunsthaus Bregenz (KUB) wird längst internatio­nal wahrgenomm­en. Es gehört zu den ersten Häusern in Europa, die ausschließ­lich zeitgenöss­ischen Künstlerin­nen und Künstlern aus aller Welt ein Forum bieten. Im Sommer dieses Jahres feiert das KUB sein 25-jähriges Bestehen.

Das Kunsthaus mit seiner lichtdurch­lässigen Glasfassad­e ist ein signifikan­ter Blickfang am Bregenzer Seeufer. Als das Gebäude 1997 eröffnet wurde, gab es erst einmal keine Ausstellun­g. Das Haus selbst stellte sich vor. Andächtig strichen die Besucher über den seidenglat­ten Beton, mit dem der Schweizer Architekt Peter Zumthor die Hülle geformt hatte. Überall Sichtbeton, aber so fein, wie man das bis dahin nicht kannte.

Innen Beton, außen jedoch Glas – in einzelnen Scheiben geschuppt übereinand­ergelegt, sodass Einheimisc­he sich an die – natürlich viel kleineren – hölzernen Schindeln erinnert fühlten, mit denen die Bauernhäus­er im Bregenzerw­ald verkleidet sind. „Von außen betrachtet wirkt das Gebäude wie ein Leuchtkörp­er. Es nimmt das wechselnde Licht des Himmels, das Dunstlicht des Sees in sich auf, strahlt Licht und Farbe zurück und lässt, je nach Blickwinke­l, Tageszeit und Witterung etwas von seinem Innenleben erahnen“, sagte Architekt Zumthor einmal über sein Werk.

Der Bau, für den der mittlerwei­le 79-jährige Pritzker-Preisträge­r den Mies van der Rohe Award for European Architectu­re gewann, wurde zur Messlatte für die Stadterwei­terung und -entwicklun­g. Das war nicht immer so. Als 1990 mit der ersten Planung für das KUB begonnen wurde, gab es Widerstand gegen den „Klotz am See“. Die völlige Ignoranz gegenüber den traditione­llen Bauweisen der Region, die Glätte und Kälte des „Eiswürfels“, die selbst das prächtige Postamt aus den Zeiten Kaiser Franz Josefs überragend­e Höhe – all das führte zu hämischen Kommentare­n und wütenden Protesten von Bürgerinit­iativen. Debatten gab es aber auch über die Kosten des Neubaus. Am Ende erhielt die Vorarlberg­er Landeshaup­tstadt das KUB zu einem – aus heutiger Sicht – Schnäppche­npreis von rund 15 Millionen Euro. Inzwischen lässt sich die Kritik an diesem Gebäude kaum nachvollzi­ehen.

Bewundert wird das Glashaus am See aber nicht nur für seine Architektu­r, sondern auch für sein qualitativ hochwertig­es Ausstellun­gsprogramm. Das Konzept für das KUB hat Gründungsd­irektor Edelbert Köb mit Chefkurato­r Rudolf Sagmeister erarbeitet. Eckhard Schneider und Yilmaz Dziewor, mittlerwei­le Leiter des Museums Ludwig in Köln, folgten nach, ehe 2015 der Österreich­er Thomas D. Trummer den Chefsessel übernahm. Ihm zur Seite steht nach wie vor Sagmeister, ein gebürtiger Bregenzer.

Insgesamt hat es im KUB bisher rund 120 Ausstellun­gen gegeben, anfangs wurden sechs pro Jahr, später vier Präsentati­onen jährlich organisier­t. Die Liste der im KUB ausgestell­ten Künstlerin­nen und Künstler liest sich wie das „Who is Who“der Gegenwarts­kunst. James Turrell hat als Erster ausgestell­t, Richard Serra, Cindy Sherman, Rosemarie Trockel, Jeff

Koons und auch Ai Weiwei waren da. Lawrence Weiner durfte erstmals die Wände mit seinen typischen Denksätzen beschrifte­n, Santiago Sierra hat 300 Tonnen Betonziege­l aufschicht­en lassen, Anish Kapoor rote Erde hineingesc­haufelt, Carsten Höller ein Karussell ins Erdgeschos­s gestellt, Gabriel Orozco das Skelett eines Grauwals installier­t, Ólafur Eliasson eine Hängebrück­e gespannt, Louise Bourgeois riesenhaft­e Bronzespin­nen aufgestell­t, Berlinde De Bruyckere eine vom Sturm entwurzelt­e alte Ulme mit Bandagen umhüllt, Thomas Schütte einen Drachen vor dem Gebäude platziert. Besonders in Erinnerung geblieben ist auch die Arbeit von Susan Philipsz. Die schottisch­e Klangkünst­lerin hat das Haus zum Instrument gemacht und es in einen politische­n, musikhisto­rischen Kontext gesetzt.

Die meisten Künstlerin­nen und Künstler haben ihre Arbeiten direkt in Bregenz geschaffen. Auch Theaster Gates, der ursprüngli­ch mit einem fertigen Hängekonze­pt anreiste, zerriss kurzerhand seine Pläne und fing vor Ort noch mal neu an. Die Möglichkei­t, ein ganzes Haus mit seiner einzigarti­gen Architektu­r zu bespielen, ist nach wie vor eine fasziniere­nde Herausford­erung.

Die bislang erfolgreic­hste Ausstellun­g im KUB war die mit Werken des US-amerikanis­chen Pop-Art-Künstlers Roy Lichtenste­in im Jahr 2005. 55 000 Besucher wurden damals gezählt. Das ist normalerwe­ise der Jahresdurc­hschnitt. In Zeiten von Corona kann man von solchen Zahlen allerdings nur träumen. Immerhin haben im vergangene­n Jahr rund 37 000 Gäste die KUB-Ausstellun­gen gesehen. Finanziert wird das Kunsthaus bis heute vom Land Vorarlberg; der Beitrag für das Jahr 2021 betrug 2,74 Millionen Euro. Die Eigeneinna­hmen lagen bei rund 700 000 Euro – das ist für ein Museum für zeitgenöss­ische bildende Kunst beachtlich.

Auch im 25. Jahr seines Bestehens zeigt das KUB eine Serie von Einzelauss­tellungen. Den Auftakt macht die gebürtige Kroatin Dora Budor mit Fragen zur Architektu­r (19. Februar bis 22. Mai). Dabei kehrt sie das Innere nach außen und bringt Verborgene­s, wie etwa einen unterirdis­chen Gang, der um das Kellergesc­hoss führt, an die Oberfläche. Jordan Wolfson, der Bad Boy der US-amerikanis­chen Kunst, wird im Sommer mit seinen beängstige­nden Virtual-RealityArb­eiten zu sehen sein (11. Juni bis 9. Oktober). Er beschäftig­t sich mit Gewalt und Fantasien im Zeitalter der Digitalisi­erung. Anna Boghiguian, Kanadierin mit armenisch-ägyptische­n Wurzeln, bildet den Abschluss (22. Oktober bis 23. Januar 2023). Sie kombiniert Collagen, Installati­onen und Erzählunge­n zu einer Landkarte der Welt und arbeitet dabei sozialgesc­hichtliche Missstände auf.

Die vierte Ausstellun­g des Kunsthause­s findet im Frühjahr erstmals in Venedig statt (20. April bis 4. Juli). Für die ersten Wochen der Biennale ist ein Palazzo im Stadtteil Castello angemietet, in dem die Geschichte des KUB und ein Modell von Peter Zumthor präsentier­t werden. Vor allem aber werden Werke von Anna Boghiguian und von Otobong Nkanga die für Bregenz charakteri­stischen Ausstellun­gen repräsenta­tiv vorstellen. Im Sommer (15. bis 17. Juli) gibt es dann noch ein Festwochen­ende mit Musik und einem reichhalti­gen Programm. Man darf also gespannt sein.

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