Systemrelevant, aber abgeschoben
Wie sich Altenpfleger Hussein Abdi Noor aus Altusried gegen eine Abschiebung wehrt
- „Er hat mich um 5 Uhr verzweifelt angerufen, dass er schon im Auto sitzt“, sagt Rechtsanwalt Ulrich Schwab aus Altusried. Er vertritt Hussein Abdi Noor im Asylverfahren. Der 23-Jährige, der aus Somalia stammt, wurde nach Frankreich abgeschoben. Schwab und Theresia Dauner, Pflegedienstleiterin des Krankenpflegevereins Altusried, können das nicht nachvollziehen. Denn Abdi Noor absolviert eine Ausbildung zum Altenpflegehelfer, möchte Pflegefachkraft werden. Der Anwalt ist entrüstet: „Leute, die wir dringend brauchen, abzuschieben, das ist Wahnsinn.“
Abdi Noor kam im Sommer als Praktikant zum ambulanten Pflegedienst des Krankenpflegevereins. „Er hat sich so geschickt angestellt, war empathisch und hilfsbereit“, sagt Dauner. „Die Patienten haben ihn in kürzester Zeit angenommen.“Also bot der Pflegedienst dem jungen Mann einen Ausbildungsplatz an – entsprechende Verträge, auch mit der zuständigen GeschwisterScholl-Schule in Leutkirch – wurden geschlossen. „Wir waren froh, einen Schüler bekommen zu haben“, sagt die Pflegedienstleiterin. Jung und männlich – dass sich solche Bewerber finden, sei die Ausnahme. 50 Personen arbeiten beim Krankenpflegeverein, alle Frauen.
Abdi Noor habe seine Ausbildung zum Altenpflegehelfer in einer speziellen zweijährigen Klasse für geflüchtete Schüler begonnen. „Nach zwei bis drei Wochen hat die Schule gesagt, er packt locker den normalen Ausbildungsgang“, sagt Dauner. Denn er spreche sehr gut Deutsch, Französisch dagegen nicht. „Wir können es uns nicht erlauben, auch nur eine Pflegekraft abzugeben“, betont Dauner mit Blick auf den Fachkräftemangel. „Wir arbeiten am Limit.“Erst kürzlich hätten in Altusried und in Legau ambulante Pflegedienste wegen Personalmangels schließen müssen. Im Dezember hätten sie deshalb viele Hilferufe von Patienten erreicht, die nun übernommen werden wollen.
Noch am Tag der Abschiebung schrieb Schwab einen offenen Brief an den Regierungspräsidenten von Schwaben, Erwin Lohner. Darin schilderte er die Situation von Abdi
Noor sowie die seiner Auffassung nach rechtswidrige Abschiebung und bat um eine Rückführung.
Die Regierung von Schwaben teilt auf Nachfrage mit, dass das Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen und Abdi Noor seit 2019 ausreisepflichtig sei. Nach einer Aus- und unerlaubten Wiedereinreise habe der 23-Jährige gegenüber deutschen Behörden erklärt, in Frankreich einen Asylantrag gestellt zu haben. Abdi Noor und sein Anwalt bestreiten das.
Die französischen Behörden hätten erklärt, für das Asylverfahren zuständig zu sein, schreibt die Regierung weiter. Deshalb habe das Bundesamt für Migration im Mai die Überstellung angeordnet. Für die Ausbildung des jungen Mannes sei keine Erlaubnis erteilt worden. Die Pflegedienstleiterin betont, dass sie die Unterlagen eingereicht habe. Doch wenn sie bei der Regierung in Augsburg nachgefragte, hieß es, der Fall sei in Bearbeitung.
Unterdessen fuhren Polizisten den 23-Jährigen an die französische Grenze nach Saarbrücken. Abdi Noor erzählt, die Beamten hätten ihn an ihre französischen Kollegen übergeben. „Sie haben gesagt, ich soll einen Zug nach Paris nehmen, Frankreich ist groß, oder nach Deutschland, das ist ihnen egal.“Wegen der Kälte habe er nichts anderes machen können, als zurück nach Altusried zu fahren. „Ich sterbe, wenn ich auf der Straße schlafe.“
Die Regierung von Schwaben teilt mit, dass Rücküberstellungen grundsätzlich dem von Abdi Noor beschriebenen Ablauf folgen. Von den französischen Behörden habe der 23Jährige eine „Sauf-Conduit“, ähnlich der deutschen „Anlaufbescheinigung“, ausgehändigt bekommen. „Mit dieser wurde er aufgefordert, sich zu der darin angegebenen Präfektur, vorliegend Paris, zu begeben.“Dieser Aufforderung sei er nicht nachgekommen. Rechtsanwalt Schwab hat nun einen erneuten Asylantrag gestellt.