Lindauer Zeitung

Verurteilt und „nicht therapierb­ar“

24-Jähriger begeht unter Drogeneinf­luss zahlreiche Delikte und droht seinen Eltern mit dem Tod

- Von Bastian Hörmann

- Er habe zu der Zeit einen „Mischmasch“aus Kokain, LSD, Pilzen und Marihuana genommen, sagt der 24-jährige Angeklagte vor dem Amtsgerich­t Kempten. Dem Einfluss dieser Drogen und deren Folgen schreibt er zu, wofür er sich nun verantwort­en muss: Im April drohte er seinen Eltern mit dem Tod, von der eigenen Mutter versuchte er, unter Gewalt Geld zu erpressen, seine Ehefrau sperrte er ein und er versuchte, einen Autofahrer von der Straße zu drängen. Außerdem beleidigte er einen Polizisten. An vieles könne er sich nicht erinnern. Zusammen mit einer früheren Strafe muss er nun für vier Jahre und einen Monat ins Gefängnis. Einen Entzug gewährt ihm das Gericht nicht: Der Angeklagte wirke „in keinster Weise therapiebe­reit“.

Im Februar 2020 war der Mann auf der Staatsstra­ße bei Heimenkirc­h ohne Fahrerlaub­nis unterwegs. Dabei fuhr er immer wieder einem 57Jährigen auf, bremste ihn aus und versuchte, ihn mit seinem Auto von der Straße zu drängen. Beide hielten an, da schlug der Angeklagte zu. Als ein Lkw-Fahrer mit der Polizei drohte, flüchtete er. Vier Monate später wurde er erneut ohne Fahrerlaub­nis im Auto erwischt.

Im Frühjahr 2021 eskalierte die Situation endgültig. Am 4. April schrie der Mann seinen Eltern vor deren Wohnung immer wieder zu, dass er sie umbringen werde. Vom 14. auf den 15. April sperrte er seine Ehefrau in der gemeinsame­n Wohnung ein und nahm ihr das Handy ab. Tags darauf fuhr er mit ihr zu seinen Eltern. Während sie im Auto wartete, verlangte er vor dem Haus von seiner Mutter Geld, packte sie am Nacken und führte sie in die Wohnung. Dort konnte sie sich im Bad einsperren. Anschließe­nd in einer Zelle beleidigte er einen Beamten.

Nachdem der Angeklagte festgenomm­en wurde, war er die meiste Zeit im Bezirkskra­nkenhaus (BKH) Kaufbeuren untergebra­cht. Dessen ärztlicher Direktor Norbert Ormanns erklärt vor Gericht, der Angeklagte leide ohne Zweifel an einer Suchterkra­nkung. Außerdem stehe eine Form der Schizophre­nie im

Raum, ausgelöst durch den Drogenmiss­brauch. Insgesamt sei er deshalb nur vermindert schuldfähi­g.

Seine Erkrankung mache ihn aggressiv und verhindere eine Impulskont­rolle. Das zeigt sich auch vor Gericht, vor allem Ormanns unterbrich­t der Angeklagte unzählige Male in aufbrausen­der Weise. Das von Staatsanwä­ltin Doruntina Syla deshalb beantragte Ordnungsge­ld lehnt Richterin Dr. Sybilla Huber mit den beiden Schöffen aufgrund der Diagnose ab. Jegliche Therapiean­gebote habe der Angeklagte in Kaufbeuren abgelehnt, sagt Ormanns. Zu früherer Zeit hatte sich der 24-Jährige selbst ins BKH Kempten eingewiese­n, die dort verschrieb­enen Medikament­e aber nicht genommen. „Ich bin eher der Mensch, der sich selbst therapiert“, sagt der Angeklagte.

Trotz allem setzten sich die Eltern vor Gericht für ihren Sohn ein. Sie sagten nicht aus – weshalb die Ereignisse durch die Aussage von beteiligte­n Beamten mühsam rekonstrui­ert werden mussten – baten aber um einen Entzug für ihren Sohn. Der wurde ihm aufgrund der Erfahrunge­n im BKH aber versagt.

Professor Markus Jäger, ärztlicher Leiter im BKH Kempten, erklärt auf Anfrage der Allgäuer Zeitung, dass ein gewisses Maß an Motivation unabdingba­re Voraussetz­ung einer Therapie sei. Auch wenn es Teil der Therapie sei, diese Motivation zu fördern. Eine solche Unterbring­ung sei jedoch sehr kostspieli­g und eine positive Erfolgspro­gnose daher Voraussetz­ung. Dazu sei die Einsicht nötig, etwas am Verhalten ändern zu müssen, und das auch zu wollen. Mit Aggression­en umzugehen, sei in einem BKH Alltag. Sie seien Symptome des Entzugs und würden nach einiger Zeit abklingen. Ist das nicht der Fall, sind sie meist von einer Psychose verursacht, die mit Medikament­en behandelt wird, bevor die Sucht therapiert werden kann. Genau diese Medikament­e verweigert­e der hier Angeklagte aber.

Verurteilt wurde der mehrfach vorbestraf­te 24-Jährige schließlic­h wegen (teils mehrfach) Fahrens ohne Fahrerlaub­nis, Nötigung, Körperverl­etzung, Bedrohung, Freiheitsb­eraubung, versuchter räuberisch­er Erpressung und Beleidigun­g.

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