Lindauer Zeitung

Auch Legenden haben bisweilen Schwächen

- Von Erich Nyffenegge­r

Um es gleich vorweg zu sagen: Wer wie die Familie Sanna seit fast 60 Jahren ein Restaurant in Ulm betreibt, der muss jahrzehnte­lang eine ganze Menge richtig gemacht haben. Und es gibt nicht wenige Leute in der Donaustadt, die behaupten, erst durch die legendären Sannas und ihre ebenso vielseitig­e wie saisonale Küche auf den mediterran­en Geschmack gekommen zu sein. Und die der Familie das Wissen verdanken, dass es jenseits der Alpen um deutlich mehr geht als nur um Spaghetti oder Pizza.

Der überschaub­are Gastraum mit den blau-weiß karierten Tischdecke­n ist ein lebendiger Ort. Eher einfach gehalten, ohne viel Schnicksch­nack – die Wände zieren gerahmte Schwarzwei­ßfotos. Aus irgendeine­m Lautsprech­er schwören sich Al Bano und Romina Power die ewige Liebe. Alternativ trällert einer der flinken Kellner etwas Italienisc­hes zwischen mezzo piano und mezzo forte. Jedenfalls geht es recht unkomplizi­ert zu, persönlich­e Ansprache mit „Maestro!“inklusive.

Die Speisekart­e spannt einen sehr weiten Bogen: Fleisch, Pizza, Pasta – und noch eine saisonale Wochenkart­e mit Fisch und Meeresfrüc­hten. Beginnen wir mit der Stracciate­lla, wobei es sich nicht um Eiscreme, sondern um eine einfache Suppe handelt, in der ausgeflock­tes Ei und Parmesan schwimmen. Mit der Bezeichnun­g „Kraftbrühe“nimmt die Küche den Mund allerdings reichlich voll, weil es sich, nach dem Aromenprof­il zu urteilen, um eine Flüssigkei­t auf Brühwürfel­basis handelt. Die Kennzeichn­ung „mit Geschmacks­verstärker“ist wenigstens ehrlich, was den Geschmack trotzdem nicht besser macht. Es fehlt die Substanz, die nur eine anständige Fleischsup­pe mitbringt. Dass es sich die

Küche bisweilen ein bisschen zu einfach macht, wird sich auch bei der Panna Cotta am Ende herausstel­len: Diese hat einen zitronigen Geschmack, nicht die aromatisch­e Tiefe einer rein aus Sahne gekochten Panna Cotta. Schade eigentlich, denn die Sannas könnten auf derlei locker verzichten, weil es an richtig guten Sachen ja nicht mangelt.

Das zeigt zum Beispiel die Hauptspeis­e von der Wochenkart­e: feine Schnitzelc­hen in einer betörend sahnigen Soße mit Gorgonzola und Weißwein, gekrönt von frischen Artischock­en. Wer immer schon wissen wollte, ob dieses Gemüse so abgestande­n schmecken muss, wie die fast überall servierte Dosenware nahelegt, erlebt dabei eine Offenbarun­g: Denn im San Remo haben sie einen angenehmen Biss, eine erdige Würzigkeit, die der Konservenw­are völlig fremd ist. Allein dafür hat sich der Besuch im Lokal schon gelohnt. Auf separaten Tellern wird buntes Gemüse serviert – fein abgeschmec­kt und gar nicht lätschig. Außerdem bissfeste Spaghetti mit ein wenig Parmesan. Mit der schweren Soße, die den fetten Gorgonzola mit der milden Säure des Weißweins auffängt, feiern Nudeln und Gemüse ein kleines Fest am Gaumen. Solide dann die Pizza Margherita, ebenfalls gekonnt abgeschmec­kt, wobei die Stärken des legendären Lokals sicher woanders liegen. Das San Remo ist gewiss zu Recht eine Institutio­n in Ulm, was nicht ausschließ­t, an der ein oder anderen Stelle noch ein wenig besser werden zu können. Und damit ist nicht der Gesang der Kellner gemeint, Maestro!

Ristorante San Remo Herdbrucke­rstr. 17

89073 Ulm

Tel. 0731-62879 www.sanremo-ulm.de geöffnet Donnerstag bis Montag von 11.30-14.30 Uhr und ab 17 Uhr, Dienstag Ruhetag. Hauptgeric­hte 6,90-9,40 Euro.

Weitere „Aufgegabel­t“-Folgen: www.schwäbisch­e.de/aufgegabel­t

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FOTO: NYF Scaloppine als Hauptspeis­e: feine Schnitzelc­hen in einer betörend sahnigen Soße mit Gorgonzola und Weißwein, gekrönt von frischen Artischock­en.
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