Auch Legenden haben bisweilen Schwächen
Um es gleich vorweg zu sagen: Wer wie die Familie Sanna seit fast 60 Jahren ein Restaurant in Ulm betreibt, der muss jahrzehntelang eine ganze Menge richtig gemacht haben. Und es gibt nicht wenige Leute in der Donaustadt, die behaupten, erst durch die legendären Sannas und ihre ebenso vielseitige wie saisonale Küche auf den mediterranen Geschmack gekommen zu sein. Und die der Familie das Wissen verdanken, dass es jenseits der Alpen um deutlich mehr geht als nur um Spaghetti oder Pizza.
Der überschaubare Gastraum mit den blau-weiß karierten Tischdecken ist ein lebendiger Ort. Eher einfach gehalten, ohne viel Schnickschnack – die Wände zieren gerahmte Schwarzweißfotos. Aus irgendeinem Lautsprecher schwören sich Al Bano und Romina Power die ewige Liebe. Alternativ trällert einer der flinken Kellner etwas Italienisches zwischen mezzo piano und mezzo forte. Jedenfalls geht es recht unkompliziert zu, persönliche Ansprache mit „Maestro!“inklusive.
Die Speisekarte spannt einen sehr weiten Bogen: Fleisch, Pizza, Pasta – und noch eine saisonale Wochenkarte mit Fisch und Meeresfrüchten. Beginnen wir mit der Stracciatella, wobei es sich nicht um Eiscreme, sondern um eine einfache Suppe handelt, in der ausgeflocktes Ei und Parmesan schwimmen. Mit der Bezeichnung „Kraftbrühe“nimmt die Küche den Mund allerdings reichlich voll, weil es sich, nach dem Aromenprofil zu urteilen, um eine Flüssigkeit auf Brühwürfelbasis handelt. Die Kennzeichnung „mit Geschmacksverstärker“ist wenigstens ehrlich, was den Geschmack trotzdem nicht besser macht. Es fehlt die Substanz, die nur eine anständige Fleischsuppe mitbringt. Dass es sich die
Küche bisweilen ein bisschen zu einfach macht, wird sich auch bei der Panna Cotta am Ende herausstellen: Diese hat einen zitronigen Geschmack, nicht die aromatische Tiefe einer rein aus Sahne gekochten Panna Cotta. Schade eigentlich, denn die Sannas könnten auf derlei locker verzichten, weil es an richtig guten Sachen ja nicht mangelt.
Das zeigt zum Beispiel die Hauptspeise von der Wochenkarte: feine Schnitzelchen in einer betörend sahnigen Soße mit Gorgonzola und Weißwein, gekrönt von frischen Artischocken. Wer immer schon wissen wollte, ob dieses Gemüse so abgestanden schmecken muss, wie die fast überall servierte Dosenware nahelegt, erlebt dabei eine Offenbarung: Denn im San Remo haben sie einen angenehmen Biss, eine erdige Würzigkeit, die der Konservenware völlig fremd ist. Allein dafür hat sich der Besuch im Lokal schon gelohnt. Auf separaten Tellern wird buntes Gemüse serviert – fein abgeschmeckt und gar nicht lätschig. Außerdem bissfeste Spaghetti mit ein wenig Parmesan. Mit der schweren Soße, die den fetten Gorgonzola mit der milden Säure des Weißweins auffängt, feiern Nudeln und Gemüse ein kleines Fest am Gaumen. Solide dann die Pizza Margherita, ebenfalls gekonnt abgeschmeckt, wobei die Stärken des legendären Lokals sicher woanders liegen. Das San Remo ist gewiss zu Recht eine Institution in Ulm, was nicht ausschließt, an der ein oder anderen Stelle noch ein wenig besser werden zu können. Und damit ist nicht der Gesang der Kellner gemeint, Maestro!
Ristorante San Remo Herdbruckerstr. 17
89073 Ulm
Tel. 0731-62879 www.sanremo-ulm.de geöffnet Donnerstag bis Montag von 11.30-14.30 Uhr und ab 17 Uhr, Dienstag Ruhetag. Hauptgerichte 6,90-9,40 Euro.
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