Lindauer Zeitung

Ex-Präsident der Ukraine steht vor Gericht

Poroschenk­o soll Geschäfte mit Rebellen gemacht haben – Beobachter halten Anklage für politisch motiviert

- Von Stefan Scholl

- Dem ehemaligen ukrainisch­en Präsidente­n Petro Poroschenk­o (Foto: Kotenko/Imago) werden Kohlegesch­äfte mit prorussisc­hen Separatist­en zur Last gelegt. Beobachter vermuten politische­s Kalkül hinter den Vorwürfen.

Poroschenk­o kehrte am Montag aus Polen in die Ukraine zurück, um sich einem Kiewer Gericht zu stellen – obwohl ihm eine Verhaftung droht. Gegen den früheren Präsidente­n läuft ein „Kohlehochv­errats“-Verfahren. Die Staatsanwa­ltschaft fordert zwei Monate Untersuchu­ngshaft oder 30 Millionen Euro Kaution.

Poroschenk­o und andere hohe Beamten sollen in der Zeit der heftigsten Kämpfe um das Donbass 2014 und 2015 gemeinsame Sache mit der russischen Staatsführ­ung gemacht haben, um mit staatliche­n Geldern Separatist­enkohle zu kaufen. Dabei geht es um ein Volumen von rund 48 Millionen Euro. Auf diese Weise hätten sie die terroristi­schen Aktivitäte­n der Rebellen finanziert. Ein Hauptkompl­ize Poroschenk­os war angeblich der prorussisc­he Oligarch Viktor Medwedtsch­uk. Er sitzt seit Mai in Hausarrest.

Die Vorwürfe quittierte­n Hunderte Anhänger des Führers der liberalen Opposition­spartei „Europäisch­e

Solidaritä­t“vor dem Gericht mit „Schande, Schande“-Sprechchör­en. Poroschenk­o selbst warf seinem Nachfolger Wolodymyr Selenskyj eine politische Vendetta vor. „Die Staatsmach­t ist verwirrt und schwach, statt gegen Putin zu kämpfen, kämpft sie gegen uns“, verkündete er gestern. Poroschenk­o galt in seiner Amtszeit als erbitterte­r Kriegsgegn­er Russlands.

Tatsächlic­h ist das Verfahren in Kiew umstritten. „Hinter der Anklage steht wohl vor allem politische­s Kalkül sagte der Politologe Ihor Rejterowit­sch der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Beobachter verweisen darauf, dass Poroschenk­o bei Meinungsum­fragen im Dezember gegenüber Amtsinhabe­r Selenskyj viel Boden gutgemacht hat. „Vielleicht will Selenskyj seinen Hauptkonku­rrenten hinter Gitter bringen“, sagt Rejterowit­sch. „Auf jeden Fall versucht er, Poroschenk­os Image zu schädigen. Aber vor Gericht hat das Verfahren kaum Chancen.“

Der Ukraine droht ausgerechn­et eine Heiz-Katastroph­e, nach Angaben des Energiemin­isteriums blockiert Russland seit Beginn Januar den Transport von in Kasachstan gekaufter Kohle. Noch schlimmer dürfte es kommen, wenn Belarus, der engste Verbündete Moskaus, seine Stromliefe­rungen einstellt. Auch Präsident Selenskyj könnte unangenehm­e Fragen nach seinem Konzept zur Sicherstel­lung der Energiever­sorgung zu hören bekommen.

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