Ex-Präsident der Ukraine steht vor Gericht
Poroschenko soll Geschäfte mit Rebellen gemacht haben – Beobachter halten Anklage für politisch motiviert
- Dem ehemaligen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko (Foto: Kotenko/Imago) werden Kohlegeschäfte mit prorussischen Separatisten zur Last gelegt. Beobachter vermuten politisches Kalkül hinter den Vorwürfen.
Poroschenko kehrte am Montag aus Polen in die Ukraine zurück, um sich einem Kiewer Gericht zu stellen – obwohl ihm eine Verhaftung droht. Gegen den früheren Präsidenten läuft ein „Kohlehochverrats“-Verfahren. Die Staatsanwaltschaft fordert zwei Monate Untersuchungshaft oder 30 Millionen Euro Kaution.
Poroschenko und andere hohe Beamten sollen in der Zeit der heftigsten Kämpfe um das Donbass 2014 und 2015 gemeinsame Sache mit der russischen Staatsführung gemacht haben, um mit staatlichen Geldern Separatistenkohle zu kaufen. Dabei geht es um ein Volumen von rund 48 Millionen Euro. Auf diese Weise hätten sie die terroristischen Aktivitäten der Rebellen finanziert. Ein Hauptkomplize Poroschenkos war angeblich der prorussische Oligarch Viktor Medwedtschuk. Er sitzt seit Mai in Hausarrest.
Die Vorwürfe quittierten Hunderte Anhänger des Führers der liberalen Oppositionspartei „Europäische
Solidarität“vor dem Gericht mit „Schande, Schande“-Sprechchören. Poroschenko selbst warf seinem Nachfolger Wolodymyr Selenskyj eine politische Vendetta vor. „Die Staatsmacht ist verwirrt und schwach, statt gegen Putin zu kämpfen, kämpft sie gegen uns“, verkündete er gestern. Poroschenko galt in seiner Amtszeit als erbitterter Kriegsgegner Russlands.
Tatsächlich ist das Verfahren in Kiew umstritten. „Hinter der Anklage steht wohl vor allem politisches Kalkül sagte der Politologe Ihor Rejterowitsch der „Schwäbischen Zeitung“.
Beobachter verweisen darauf, dass Poroschenko bei Meinungsumfragen im Dezember gegenüber Amtsinhaber Selenskyj viel Boden gutgemacht hat. „Vielleicht will Selenskyj seinen Hauptkonkurrenten hinter Gitter bringen“, sagt Rejterowitsch. „Auf jeden Fall versucht er, Poroschenkos Image zu schädigen. Aber vor Gericht hat das Verfahren kaum Chancen.“
Der Ukraine droht ausgerechnet eine Heiz-Katastrophe, nach Angaben des Energieministeriums blockiert Russland seit Beginn Januar den Transport von in Kasachstan gekaufter Kohle. Noch schlimmer dürfte es kommen, wenn Belarus, der engste Verbündete Moskaus, seine Stromlieferungen einstellt. Auch Präsident Selenskyj könnte unangenehme Fragen nach seinem Konzept zur Sicherstellung der Energieversorgung zu hören bekommen.