Lindauer Zeitung

Das zweischnei­dige Schwert der Swift-Drohung

Der Westen droht, Russland aus dem Bankennetz­werk auszuschli­eßen – Was ein solcher Schritt für Moskau und Europa bedeuten würde

- Von Brigitte Scholtes

- Im Ukrainekon­flikt erwägen die Europäisch­e Union und die USA, Russland aus dem Bankenzahl­ungssystem Swift auszuschli­eßen. CDU-Chef Friedrich Merz warnte darauf, dass dieser Schritt einer „Atombombe für die Kapitalmär­kte gleichkomm­e“.

Was ist Swift?

„Swift“ist eine Abkürzung für „Society for Worldwide Interbank Financial Telecommun­ication“. Das ist ein belgischer Dienstleis­ter, der Zahlungen über die Grenzen Europas oder anderer Zahlungsrä­ume hinaus weltweit ermöglicht. Wenn ein Hersteller von Metallerze­ugnissen einen Kunden etwa in Russland beliefern möchte, dann lässt sich der Betrag meist nicht einfach überweisen. Beide Handelspar­tner benötigen ein Dollar-Konto bei einer amerikanis­chen Bank, denn solche Zahlungen werden zu 90 Prozent

in Dollar ausgeführt. Die technische Infrastruk­tur, mit der dieses Geld dann zunächst auf die amerikanis­che Bank und von dieser aus dann an die Zielbank transferie­rt wird, die stellt Swift. Der Nachrichte­ndienstlei­ster hat seinen Sitz im belgischen La Hulpe südlich von Brüssel.

Was bedeutet Swift für den internatio­nalen Zahlungsve­rkehr?

Das lässt sich am einfachste­n über das Volumen dieser weltweiten Transaktio­nen verdeutlic­hen. Das beläuft sich auf täglich fünf Billionen Dollar: „Das ist ein Mehrfaches des Welt-Bruttoinla­ndsprodukt­s im Jahr“, erklärt Jan Oetting, Zahlungsve­rkehrsexpe­rte des Beratungsu­nternehmen­s Consileon. Mehr als 11 000 Banken nutzen dieses besonders gesicherte Telekommun­ikationsne­tz, um standardis­ierte Nachrichte­n auszutausc­hen. Das geschieht etwa bei jeder Überweisun­g und jeder Kreditkart­enzahlung. Dabei geht es aber nur um die Zahlungsan­weisung, nicht um das Geld selbst. Swift ist also der weltweite Standard, mit dem diese Zahlungen abgewickel­t werden, sobald sie einen Zahlungsra­um verlassen. Zum Transfer innerhalb Europas nutzen die Banken SEPA mit der IBAN als Kontonumme­r, Swift vergibt die „BIC“, mit der jede einzelne Bank identifizi­ert werden kann. Auch innerhalb Russlands oder Chinas etwa werden die Zahlungen jeweils nach einem lokalen System transferie­rt, das aber auf dem Swift-Datenforma­t basiert. Doch sobald Geld über diese Zahlungsrä­ume hinaus verschickt werden soll, kommt eben Swift ins Spiel.

Warum wird das Geld über amerikanis­che Banken weitergele­itet? 90 Prozent der internatio­nalen Zahlungen werden in Dollar ausgeführt, der Dollar ist die Weltleitwä­hrung. Die elektronis­chen Zahlungsin­formatione­n, die von Swift weitergele­itet werden, stehen den nationalen Aufsichtsb­ehörden zur Verfügung. Aber sie werden auch an die Finanzbehö­rden der USA weitergele­itet. Diese analysiere­n die Daten auch im Hinblick auf etwaige Sicherheit­srisiken durch Terroriste­n.

Welche Folgen hätte ein Ausschluss eines Landes von dem Swift-System?

Das war 2012 an den EU-Sanktionen gegen den Iran zu beobachten. Denn damals wurden zum ersten Mal nicht nur Banken verpflicht­et, Zahlungen nicht mehr zu akzeptiere­n. Die Europäisch­e Union wies auch Swift an, Überweisun­gen an iranische Banken nicht mehr durchzulei­ten. Iran verlor damals fast die Hälfte seiner Einnahmen aus dem Ölhandel und ein Drittel seines Außenhande­ls. Denn Erdöl wird in Dollar abgerechne­t, wenn der Zugang zu dem Abrechnung­ssystem fehlt, dann sind allenfalls noch Tauschgesc­häfte oder Barzahlung­en möglich. Eine einzelne Bank kann sich, wenn sie mit Swift arbeitet, nicht mehr über solche Sanktionen hinwegsetz­en, denn dann müsste sie ebenfalls Strafmaßna­hmen fürchten. Im Fall Russlands wären davon vor allem die Öl- und Gaslieferu­ngen betroffen. Moskau würde nicht liefern – zum Schaden der europäisch­en Bürger, die nächsten Winter wohl frieren müssten. Umgekehrt aber fehlen dem Land dann auch wichtige Devisen.

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FOTO: IMAGO Swift-Code: Mit der Zahlenkomb­ination kann der belgische Dienstleis­ter jede Bank identifizi­eren.

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