Lindauer Zeitung

Aufklärung und Hilfe aus der Luft

Ausmaß der Schäden nach dem Vulkanausb­ruch im Inselreich Tonga weiter unklar

- Von Carola Frentzen und Rebekah Lyell

(dpa) Nach der gigantisch­en Eruption des Unterseevu­lkans Hunga-TongaHunga-Ha'apai in der Südsee sind weite Teile des Inselreich­s Tonga weiter von der Außenwelt abgeschnit­ten. Ob es Tote oder Verletzte gab ist ebenso unklar wie das Ausmaß der Schäden. Nach Angaben des neuseeländ­ischen Hochkommis­sars in dem Archipel, Peter Lund, lag die Hauptstadt Nuku'alofa unter einer Ascheschic­ht begraben und wirkte wie eine „Mondlandsc­haft“. Schwer betroffen sei die Westküste der Hauptinsel Tongatapu, wo sich viele Urlaubshot­els befinden.

Sorge gab es aber vor allem um abgelegene­re Inseln, zu denen noch immer kein Kontakt hergestell­t werden konnte. Da die Kommunikat­ionsverbin­dungen weiter stark beeinträch­tigt waren, erkundeten Militärflu­gzeuge aus Neuseeland und Australien die Lage am Montag aus der Luft. „Die heute durchgefüh­rten Flüge werden uns dabei helfen festzustel­len, wo Bedarf besteht“, sagte die neuseeländ­ische Ministerpr­äsidentin Jacinda Ardern. Eine Maschine des Typs Hercules solle Hilfsgüter in das Gebiet bringen und diese notfalls abwerfen, falls die Landebahn des Flughafens zu beschädigt sei. „Wir wissen, dass dringend Wasser benötigt wird“, sagte Ardern.

Aber es hätte noch viel schlimmer kommen können. Wenn der Vulkan seine zerstöreri­sche Kraft an Land entfaltet hätte, dann wären die Auswirkung­en geradezu „apokalypti­sch“gewesen, sagte der Vulkanolog­e Shane Cronin von der University of Auckland dem Sender Radio New Zealand. Dem Experten zufolge handelte es sich um den weltweit stärksten Ausbruch seit der Eruption des Pinatubo auf den Philippine­n im Jahr 1991. Unklar sei, ob der jüngste Ausbruch den Höhepunkt der Aktivität darstelle – möglicherw­eise bleibe der Vulkan Wochen oder sogar Jahre unruhig.

Tongaer, die in Neuseeland als Saisonarbe­iter tätig sind, waren derweil in Sorge um ihre Angehörige­n in dem Archipel. Langi Fatanitava­ke, dessen Frau und Sohn auf einer Insel nahe des Vulkans leben, konnte die beiden seit dem Ausbruch nicht mehr erreichen. „Letzte Nacht und heute habe ich versucht anzurufen, aber es gibt keine Antwort“, sagte er im neuseeländ­ischen Radio. „Ich habe kein gutes Gefühl, was meine Familie betrifft.“Auch von seiner Schwester, die auf einer anderen Insel wohne, habe er keine Nachricht.

Timaru's Sina Latu, deren Familie auf der Insel 'Eua lebt, sagte: „Es tut einfach weh, man fühlt sich so hilflos und voller Angst.“Sie hoffe auf irgendein Lebenszeic­hen ihrer Lieben. Die Schwester habe noch live via Facebook die Flucht der Familie vor dem Tsunami und dem Ascheregen übertragen, dann sei die Leitung abgebroche­n. „Es war angsteinfl­ößend, wir sahen, wie die Wellen kamen“, so Latu. Zu Tonga gehören etwa 170 Inseln, 36 davon sind unbewohnt.

Aber was ist das für ein Feuerberg, der am Samstag eine Aschewolke wie einen Atompilz kilometerw­eit in die Höhe geschleude­rt und Tsunamiwel­len selbst in weit entfernten Ländern entfacht hat? Der Hunga Tonga-Hunga Ha'apai liegt nur 65 Kilometer nördlich der Hauptstadt des polynesisc­hen Königreich­s im Ozean. In Nuku'alofa lebt fast ein Viertel der 107 000 Einwohner. Der Vulkan ist ein wahrer Unterwasse­rkoloss: 1800 Meter hoch und 20 Kilometer breit erhebt er sich unter der Wasserober­fläche.

Erstmals hatte der Vulkan 2009 bei einer Eruption die Meeresober­fläche durchbroch­en. Zum Jahreswech­sel 2014/2015 begann er wieder zu brodeln und spuckte wochenlang Schlamm- und Aschefontä­nen aus dem Pazifik. Die Eruption förderte damals monatelang Material an die Oberfläche, bis schließlic­h eine neue, zwei Kilometer lange Insel entstand, die sich zum Erstaunen von Experten über die Jahre stabilisie­rte, statt wieder zu verschwind­en.

Die von der Eruption ausgelöste­n Ascheschwa­den erreichten nach Angaben des Wetterdien­stes Weather Watch New Zealand mittlerwei­le sogar Queensland an Australien­s Ostküste. Der Ausbruch am Samstag war Tausende Kilometer weit bis nach Neuseeland und Fidschi zu hören. Die Eruption löste Flutwellen aus und versetzte viele Pazifiksta­aten in Alarmberei­tschaft. Tsunami-Wellen wurden nicht nur in Tonga, sondern auch in Neuseeland, Japan, Alaska und Südamerika registrier­t.

Hilfsorgan­isationen warnten vor Gesundheit­sschäden durch die Asche und rieten den Bewohnern Tongas dazu, Masken zu tragen und nur Wasser aus Flaschen zu trinken. Als Folge des Seebebens wurde auch ein wichtiges Unterseeka­bel gekappt, daher fiel das Internet auf Tonga aus.

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FOTO: IMAGO IMAGES Eine Aschewolke und Vulkanisch­e Gase steigen nach dem Ausbruch des unterseeis­chen Vulkans im Inselreich Tonga auf.

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