Lindauer Zeitung

Verurteilt wegen falscher Masken-Atteste

Mutter aus Memmingen wollte Kinder von der Pflicht befreien, im Unterricht einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen

- Von Andreas Berger

- Ungeschore­n aus dieser Nummer herauszuko­mmen, sei fast nicht möglich. Das machte Richter Markus Veit gleich zu Beginn der Verhandlun­g klar und schaute die Angeklagte an.

Sie hatte Einspruch gegen einen Strafbefeh­l eingelegt, über den sie 4800 Euro hätte zahlen müssen. Ausgestell­t hatte ihn das Amtsgerich­t Memmingen, weil es der Ansicht war, die Frau habe von zwei Ärzten Gefälligke­itsatteste für ihre Kinder ausstellen lassen. Damit sollten die Kinder von der Pflicht befreit werden, in der Schule einen Mund-Nasen-Schutz tragen zu müssen, der gegen eine Infizierun­g mit Corona-Viren helfen soll.

Wegen ihres Einspruchs saß die 36-Jährige aus Memmingen nun also am Freitag vor Richter Veit im Verhandlun­gssaal 130 des Amtsgerich­ts. Ohne ihren Anwalt. Der war wegen fehlender Maske nicht ins Gerichtsge­bäude gelassen worden. Er musste also draußen bleiben. Und drinnen verlas die Staatsanwä­ltin, was der Memmingeri­n vorgeworfe­n wird:

Insgesamt fünf Mal soll sie im Oktober, November und Dezember 2020 Atteste für ihre Kinder vorgelegt haben, damit die in der Schule keine Maske tragen müssen. Gezeigt hatte die Mutter die Dokumente in den Schulen, die von den Kindern besucht werden, und beim Memminger

Ordnungsam­t. Eine Erkrankung aber, wegen der die beiden Kinder eine Maske nicht tragen dürfen, läge nicht vor, sagte die Staatsanwä­ltin. Somit handele es sich um den „Gebrauch unrichtige­r Gesundheit­szeugnisse“in fünf Fällen.

Den Kindern sei es mit Maske über Mund und Nase nicht gut gegangen, sagte die Angeklagte vor Gericht. Und als Mutter habe sie deshalb versucht, ihren Kindern zu helfen. Leicht sei es nicht, einen Arzt zu finden, der solche Atteste ausstellt, sagte sie. Ihre Hausärztin etwa habe es abgelehnt. Doch dann habe sie zwei Mediziner gefunden, die dazu bereit gewesen seien. Einen aus Kaufering, einen aus Biberach.

Die beiden Ärzte seien dafür bekannt, dass bei ihnen solche MaskenAtte­ste erhältlich seien, sagte Richter Veit. Den Medizinern wird vorgeworfe­n, dass es sich dabei um Gefälligke­itsatteste handelt. Gegen einen der beiden liefen deshalb derzeit 4700 Verfahren.

Gefälligke­itsattest bedeutet zum Beispiel, dass ein Arzt ein Gesundheit­szeugnis ausstellt, obwohl er den Patienten nicht untersucht hat. So soll es auch bei den Kindern der Angeklagte­n gewesen sein, denn in den Patientena­kten der beiden Ärzte seien sie nicht zu finden gewesen, sagte Veit.

Mit einem Masken-Gefälligke­itsattest macht sich nicht nur ein Mediziner strafbar, der damit zudem seine

Zulassung riskiert, sondern auch der Patient. Zu solchen Ärzten hätte sie also nicht gehen dürfen, sagte Richter Markus Veit. Diese Hintergrün­de seien ihr nicht bekannt gewesen, sagte die Mutter, die selbst drei Atteste habe, um keine Maske tragen zu müssen. Sie habe nicht gegen Recht verstoßen, sondern nur ihren Kindern helfen wollen.

„Ich will Sie nicht kriminalis­ieren“, sagte Richter Veit. Und machte der Alleinerzi­ehenden und Frührentne­rin mit Blick auf deren Einkommen von 970 Euro im Monat einen Vorschlag: Die Strafe werde von insgesamt 4800 auf 1800 Euro reduziert – aufgeteilt in 90 Tagessätze zu jeweils 20 Euro. Damit sei sie nun auch nicht vorbestraf­t, was erst ab 91

Tagessätze­n der Fall sei. Damit war die Frau einverstan­den. Das habe er nur machen können, weil die Frau die Vorwürfe zugegeben habe, sie noch nicht vorbestraf­t sei und weil dieser Fall bereits aus dem Jahr 2020 stamme. In neueren Fällen dieser Art gebe es keine Chance, unter 120 Tagessätze zu gehen, sagte der Richter.

Im Juristisch­en wird das Generalprä­vention genannt: Weil die Staatsanwa­ltschaften derzeit überschwem­mt würden mit solchen Fällen, solle die Höhe der Strafe eine abschrecke­nde Wirkung haben. 120 Tagessätze können nicht nur teuer werden, damit ist ein Verurteilt­er auch vorbestraf­t. Das heißt: Die Strafe wird ins polizeilic­he Führungsze­ugnis aufgenomme­n.

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SYMBOLFOTO: BORIS ROESSLER Masken in der Schule sind verpflicht­end.

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