Verurteilt wegen falscher Masken-Atteste
Mutter aus Memmingen wollte Kinder von der Pflicht befreien, im Unterricht einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen
- Ungeschoren aus dieser Nummer herauszukommen, sei fast nicht möglich. Das machte Richter Markus Veit gleich zu Beginn der Verhandlung klar und schaute die Angeklagte an.
Sie hatte Einspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt, über den sie 4800 Euro hätte zahlen müssen. Ausgestellt hatte ihn das Amtsgericht Memmingen, weil es der Ansicht war, die Frau habe von zwei Ärzten Gefälligkeitsatteste für ihre Kinder ausstellen lassen. Damit sollten die Kinder von der Pflicht befreit werden, in der Schule einen Mund-Nasen-Schutz tragen zu müssen, der gegen eine Infizierung mit Corona-Viren helfen soll.
Wegen ihres Einspruchs saß die 36-Jährige aus Memmingen nun also am Freitag vor Richter Veit im Verhandlungssaal 130 des Amtsgerichts. Ohne ihren Anwalt. Der war wegen fehlender Maske nicht ins Gerichtsgebäude gelassen worden. Er musste also draußen bleiben. Und drinnen verlas die Staatsanwältin, was der Memmingerin vorgeworfen wird:
Insgesamt fünf Mal soll sie im Oktober, November und Dezember 2020 Atteste für ihre Kinder vorgelegt haben, damit die in der Schule keine Maske tragen müssen. Gezeigt hatte die Mutter die Dokumente in den Schulen, die von den Kindern besucht werden, und beim Memminger
Ordnungsamt. Eine Erkrankung aber, wegen der die beiden Kinder eine Maske nicht tragen dürfen, läge nicht vor, sagte die Staatsanwältin. Somit handele es sich um den „Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse“in fünf Fällen.
Den Kindern sei es mit Maske über Mund und Nase nicht gut gegangen, sagte die Angeklagte vor Gericht. Und als Mutter habe sie deshalb versucht, ihren Kindern zu helfen. Leicht sei es nicht, einen Arzt zu finden, der solche Atteste ausstellt, sagte sie. Ihre Hausärztin etwa habe es abgelehnt. Doch dann habe sie zwei Mediziner gefunden, die dazu bereit gewesen seien. Einen aus Kaufering, einen aus Biberach.
Die beiden Ärzte seien dafür bekannt, dass bei ihnen solche MaskenAtteste erhältlich seien, sagte Richter Veit. Den Medizinern wird vorgeworfen, dass es sich dabei um Gefälligkeitsatteste handelt. Gegen einen der beiden liefen deshalb derzeit 4700 Verfahren.
Gefälligkeitsattest bedeutet zum Beispiel, dass ein Arzt ein Gesundheitszeugnis ausstellt, obwohl er den Patienten nicht untersucht hat. So soll es auch bei den Kindern der Angeklagten gewesen sein, denn in den Patientenakten der beiden Ärzte seien sie nicht zu finden gewesen, sagte Veit.
Mit einem Masken-Gefälligkeitsattest macht sich nicht nur ein Mediziner strafbar, der damit zudem seine
Zulassung riskiert, sondern auch der Patient. Zu solchen Ärzten hätte sie also nicht gehen dürfen, sagte Richter Markus Veit. Diese Hintergründe seien ihr nicht bekannt gewesen, sagte die Mutter, die selbst drei Atteste habe, um keine Maske tragen zu müssen. Sie habe nicht gegen Recht verstoßen, sondern nur ihren Kindern helfen wollen.
„Ich will Sie nicht kriminalisieren“, sagte Richter Veit. Und machte der Alleinerziehenden und Frührentnerin mit Blick auf deren Einkommen von 970 Euro im Monat einen Vorschlag: Die Strafe werde von insgesamt 4800 auf 1800 Euro reduziert – aufgeteilt in 90 Tagessätze zu jeweils 20 Euro. Damit sei sie nun auch nicht vorbestraft, was erst ab 91
Tagessätzen der Fall sei. Damit war die Frau einverstanden. Das habe er nur machen können, weil die Frau die Vorwürfe zugegeben habe, sie noch nicht vorbestraft sei und weil dieser Fall bereits aus dem Jahr 2020 stamme. In neueren Fällen dieser Art gebe es keine Chance, unter 120 Tagessätze zu gehen, sagte der Richter.
Im Juristischen wird das Generalprävention genannt: Weil die Staatsanwaltschaften derzeit überschwemmt würden mit solchen Fällen, solle die Höhe der Strafe eine abschreckende Wirkung haben. 120 Tagessätze können nicht nur teuer werden, damit ist ein Verurteilter auch vorbestraft. Das heißt: Die Strafe wird ins polizeiliche Führungszeugnis aufgenommen.