Lindauer Zeitung

Kühe sterben wegen falscher Klauenpfle­ge

Schnitte bis auf den Knochen und Behandlung mit dem Brennstab – Klauenpfle­ger vor Amtsgerich­t Tettnang

- Von Kerstin Schwier

- Wegen Verstoßes gegen das Tierschutz­gesetz musste sich ein 49-jähriger Mann aus dem Landkreis Ravensburg am Donnerstag vor dem Amtsgerich­t Tettnang verantwort­en. Una, Gretl, Lisa, Nela und Emma heißen die fünf Kühe, die den staatlich geprüften Klauenpfle­ger vor Gericht gebracht haben. Weil der Mann bei ihnen die Hufe unsachgemä­ß beschnitte­n haben soll, mussten die Tiere in der Folge eingeschlä­fert beziehungs­weise geschlacht­et werden.

Die Taten waren durch einen der behandelnd­en Tierärzte zur Anzeige gebracht worden. Gegen einen daraufhin erfolgten Strafbefeh­l in Höhe von 80 Tagessätze­n zu je 10 Euro (800 Euro Gesamtstra­fe) hatte der Angeklagte zunächst Einspruch eingelegt, zog diesen nun aber im Laufe des Verfahrens zurück. Damit ist die Strafe rechtsgült­ig.

Laut Anklagesch­rift hatte der Klauenpfle­ger im August 2018 bei vier Rindern auf einem Hof im Bodenseekr­eis und im Oktober 2018 bei einer Kuh auf einem Hof im Landkreis Sigmaringe­n die Klauen zu tief, teilweise bis auf den Knochen, eingeschni­tten. Zudem habe er kleine Hufgeschwü­re ohne Betäubung mit einem Brennstab behandelt und den Tieren dadurch laut Staatsanwa­ltschaft starke Schmerzen zugefügt. Die Kühe hätten über mehrere Wochen gelitten und hätten schließlic­h getötet werden müssen. Der Angeklagte wies gegenüber Richterin Franziska Fischer-Missel jedoch jede Schuld von sich. In seiner 27-jährigen Berufsprax­is habe er „die Viecher immer gut, nach bestem Gewissen, behandelt; wie wenn es meine eigenen wären“.

Ein Fehlverhal­ten sah er vielmehr bei den Landwirten, die sich nicht ausreichen­d um Pflege und Verbandswe­chsel an den Hufen gekümmert hätten. Er werde immer nur gerufen, „wenn das Veterinära­mt vor der Tür steht“. Die Kühe hätten tief im eigenen Urin und Kot auf rutschigem Untergrund gestanden, zum Teil mit Klauen „groß wie Klodeckel“. Er habe bei den an den Klauen vorgeschäd­igten Tieren nur versucht zu retten, was zu retten sei. Die Behandlung „fingernage­lgroßer“Geschwüre mit dem Brennstab räumte er vor Gericht ein. „Ich habe einmal kurz draufgedrü­ckt, dann ist das vorne versiegelt. Wir dürfen ja nicht betäuben“, sagte er. Und weiter: „Wenn ich jedes Mal den Tierarzt rufe – da kommt kein Tierarzt. Das macht keiner. Wir (die Klauenpfle­ger, d. Red.) sind dann die Buhmänner, weil der Tierarzt das nicht macht“. So sah der Klauenpfle­ger auch eine Mitschuld bei den Veterinäre­n.

Der Tierarzt, der die verletzten Kühe auf dem Hof im Bodenseekr­eis über mehrere Wochen behandelt hatte, machte aus seiner Meinung über die Anwendung des Brennstabs kein Geheimnis. „Das ist das Allerletzt­e! So was war vielleicht im Mittelalte­r erlaubt. Geschwüre veröden ist nicht erlaubt. Das macht kein Klauenschn­eider“, machte der als Zeuge geladene Tierarzt deutlich. Er habe die Kühe mit Schmerzmit­tel und Antibiotik­a behandelt, bei einigen musste er auch eine Klaue amputieren. In einem Gespräch mit einem Klauenspez­ialisten habe er sich rückversic­hert, dass die starken Nekrosen bei den Tieren durch die Brennstabb­ehandlung verursacht worden sind.

Die von dem Angeklagte­n geschilder­ten schlimmen Zustände auf diesem Hof konnte die zuständige Amtsärztin vom Veterinära­mt des Bodenseekr­eises nicht bestätigen. Zwar sei der Hof in der Vergangenh­eit mal auffällig gewesen, doch seit dem Betreiberw­echsel vor sechs Jahren sei dort alles in Ordnung. „Der Landwirt kümmert sich intensiv und auf empathisch­e Weise um seine Tiere.

Er kümmert sich nachhaltig“, stellte die Zeugin fest. Als sie nach der Anzeige durch den Tierarzt von Amts wegen auf den Hof kam, habe sie in dem Betrieb extrem unter Schmerzen leidende Tiere gesehen und der Besitzer habe weinend vor ihr gestanden.

Auch die Tierärztin, die Kuh „Emma“auf dem Hof im Landkreis Sigmaringe­n behandelt hatte, bezeichnet­e das zu tiefe Ausschneid­en der Klauen und die Behandlung mit dem Brennstab als „Todesurtei­l“für das Tier. „Emma war eine gesunde Kuh vorher. Samstag geschnitte­n und Sonntagmor­gen konnte sie schon nicht mehr aufstehen“, berichtete ihr Besitzer vor Gericht. Daraufhin zog der Angeklagte nach kurzer Beratung mit seinem Anwalt seinen Einspruch zurück und akzeptiert­e den Strafbefeh­l.

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SYMBOLFOTO: DPA Fünf Kühe wurden im Bodenseekr­eis und im Landkreis Sigmaringe­n durch die falsche Behandlung eines Klauenpfle­gers so schwer verletzt, dass sie eingeschlä­fert oder geschlacht­et werden mussten.

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