Ohne den Alleinherrscher wieder bissig
Kultstürmer Mölders sorgte bis zu seinem Abschied für Trubel bei 1860 München – Löwen im Pokal Außenseiter
- Beim ersten Weiterkommen im DFB-Pokal, Anfang August gegen Darmstadt 98 nach Elfmeterschießen, saß Sascha Mölders auf der Bank, feierte nicht mit den Spielern und starrte griesgrämig auf die Geschehnisse. Vermutlich war der Angreifer des TSV 1860 München sauer, dass er schon vor der Verlängerung ausgewechselt worden war. Nach dem zweiten Weiterkommen, einem viel beachteten 1:0 gegen Schalke 04, fiel Mölders vor allem und mal wieder im anschließenden TV-Interview auf. Da zeigte er in die Kamera, dass er das Wort „Schalke“auf dem Spieltagstrikot abgeklebt hatte – „ich als Essener Junge gewinne gegen Schalke natürlich besonders gern“, sagte er. Kurz: Der bekannteste Sechziger dieser Tage hatte schon seit Längerem öfter auch mal sein eigenes Ding gemacht.
Doch er war eben auch Fußballgott, nach der Saison 20/21 mit 22 Treffern in der dritten Liga mit 36 Jahren der älteste Torschützenkönig im deutschen Profifußball, obendrein die selbsternannte Kultfigur „Wampe von Giesing“. Mit diesem Slogan kokettierte er, etwa, wenn er sich selbst nach einem Spiel beim Belegen von Wurstsemmeln postete, und er verdiente damit sogar etwas nebenher im eigenen Onlineshop, an dem der Verein nicht mitverdiente. Zum Jahresende dann sorgte Mölders aber für den Stoff zu einem weiteren, dicken Kapitel im Buch der 1860-Possen und -Skandälchen.
Ganz aktuell scheint die offiziell einvernehmliche, inoffiziell keineswegs reibungslose Trennung einen klaren Gewinner zu haben: den Verein. Während Mölders im Januar als spielender Co-Trainer beim Regionalligisten SG Sonnenhof Großaspach anheuerte und nun eine Liga tiefer den Abstieg verhindern soll, wächst bei den stolzen Löwen nach einer weitgehend verkorksten Hinrunde das Selbstvertrauen plötzlich wieder ins Unermessliche.
Im DFB-Pokal-Achtelfinale gegen den nächsten Zweitligisten Karlsruher SC (18.30 Uhr/Sky) sind die Sechziger der letzte Drittligavertreter im Wettbewerb, und noch wichtiger: der letzte bayerische Vertreter. „Der klare Favorit ist schon der Karlsruher SC“, betonte Trainer Michael Köllner vor dem Spiel noch einmal, die Außenseiterrolle ist nicht nur im DFB-Pokal, sondern auch allgemein nach dem knappen Verpassen des Aufstiegs in der vergangenen Saison erst einmal die Lieblingsrolle.
Doch auch in der Liga läuft es jetzt wieder rund: Kaum war Mölders weg, schon gewannen die Sechziger wieder. Mit zwei Zu-Null-Siegen gegen Borussia Dortmund II und die Würzburger Kickers ging es in die Winterpause, am vergangenen Samstag folgte ein furioses 3:2 nach einem unglücklichen 0:2-Rückstand gegen Wehen Wiesbaden. Grund dafür ist, dass sich die neue Mannschaftshierarchie schnell fand, nachdem das Alphatier weg war. Die Mannschaft lieferte sofort ab, es wirkte, als sei das Team von einem enormen Ballast befreit. Aber wie kann das sein, wenn plötzlich der Fußballgott weg ist?
Nach der Suspendierung drohte eine Schlammschlacht, die dann glücklicherweise ausblieb. Was in den Tagen vor der Vertragsauflösung aber nach außen drang, das zeichnete das Bild von einem grantigen Alleinherrscher, der keine Fußballgötter neben sich duldete. Eine Jokerrolle etwa lehnte er strikt ab. Jüngere Mitpieler – und das war öffentlich auch immer wieder zu hören – mussten sich von Mölders erhebliche Beschimpfungen gefallen lassen.
Konkurrenten im Sturm hatten es besonders schwer. Als Marcel Bär zu 1860 kam, soll Mölders ihm einen Platz im Mittelfeld nahegelegt haben – im Angriff komme er sowieso nicht zum Zug. Der Geschäftsführer Günther Gorenzel soll sogar ein taktisches Konzept mit einer falschen Neun ersonnen haben, nur damit Mölders nominell der einzige Stürmer bleiben kann. Und dann ist da auch noch Mölders’ Ehefrau Ivonne. Sie genoss Privilegien, so saß sie auch während der Pandemie regelmäßig auf der Haupttribüne, die Kinder durften nach dem Spiel in den Innenraum. Immer schien es, als störe das niemanden bei 1860. Hat es aber anscheinend doch, zumal Mölders bei Entzug der Privilegien mit Konsequenzen gedroht haben soll.
Alles brach auf, als die Leistung auf dem Platz nicht mehr zu den Machtansprüchen passte. Trotzdem war sich Köllner bewusst, dass es sich angesichts des Kultstatus seines bekanntesten Spielers um eine riskante Entscheidung handelte. ihn zu suspendieren. Im Trainingslager im türkischen Belek sagte er vor Kurzem einen beachtlichen Satz: „Wenn die zwei Spiele gegen Dortmund und Würzburg nicht gut gegangen wären und wir mit Sascha nichts gemacht hätten, dann hätte es vielleicht am Ende mich erwischt.“Aktuell ist 1860 München wieder ein halbwegs normaler Verein. Das Pokalspiel und die Frage, wie erfolgreich die Aufholjagd sein wird, geben Auskunft darüber, wie viel Potenzial in diesem Verein steckt – ohne den vermeintlich wichtigsten Spieler.
Der Karlsruher SC reist voller Vorfreude zum Pokal-Achtelfinale bei 1860 München. „Das ist ein großartiger Wettbewerb. Was gibt es Schöneres als diese Spiele?“, fragte Trainer Christian Eichner. „Gerade für einen Club wie uns, der auch wirtschaftlich davon profitieren kann, wenn er mal die eine oder andere Runde weiterkommt, ist es etwas Besonderes, dass wir überwintern durften“, so der Coach. „Und jetzt haben wir einen Gegner, und das wird der genauso sehen, bei dem man eine Chance hat, weiterzukommen.“(dpa)