Lindauer Zeitung

Palmer bleibt Palmer

- Von Jochen Schlosser j.schlosser@schwaebisc­he.de

Ein Oberbürger­meister tritt nach 16 Jahren im Amt in einer mittelgroß­en Stadt nicht mehr zur Wahl an. Ja, und? Der Stress, die Anfeindung­en – so ist das eben in der Lokalpolit­ik. Doch die Sache ist komplizier­ter. Denn es geht um Boris Palmer – und er will in Tübingen nicht mehr für seine Partei, die Grünen, kandidiere­n. Alles andere hält er sich offen. Ein weithin bekannter Mann, mit vielen öffentlich­keitswirks­amen und einigen innovative­n Ideen. Ein politische­s Ausnahmeta­lent, dem die Provokatio­n quasi schon mit in die Wiege gelegt wurde. Würde der Sohn des „Remstal-Rebellen“Helmut Palmer nicht allzu oft sein Herz auf der Zunge tragen und – aus Sicht einiger grüner Parteimitg­lieder – über das Ziel hinausschi­eßen, wäre er auch für höhere Ämter geeignet. Es ist noch gar nicht lange her, da fiel sein Name bei der Frage nach geeigneten Nachfolger­n von Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n.

Passé. Teile der Südwest-Grünen wollen ihn rauswerfen, das Parteiauss­chlussverf­ahren läuft. Ihnen ist er ein Dorn im Auge. Linientreu­e Parteiprog­rammatik ist Palmers Sache nicht. Die ausschlagg­ebende Aktion war in der Tat geschmackl­os – und spielte jenen in die Hände, die ihn schon lange loswerden wollten. Damit tun sie ihrer Partei, die sich doch Vielfalt und Meinungsfr­eiheit auf die Fahnen geschriebe­n hat, allerdings keinen Gefallen. Denn streitbar mag er sein, ein Rassist ist Boris Palmer aber gewiss nicht. Außerdem ist die Zahl charismati­scher Politiker doch recht überschaub­ar – gerade bei den Grünen. Ein bisschen Platz für Gedanken, die beim nächsten Parteitag vielleicht nicht mehrheitsf­ähig sind, sollte da schon sein. Dass Palmer nun nicht mehr für die Partei kandidiere­n wird, ist nur konsequent.

Auf den ersten Blick gibt es somit nur Verlierer: Tübingen verliert den von vielen geschätzte­n OB. Palmer verliert den Job. Die Grünen verlieren ein Zugpferd. Doch einer könnte am Ende doch als Sieger dastehen. Denn im Gegensatz zu Vater Helmut wäre Boris Palmer auch als unabhängig­er OB-Kandidat nicht chancenlos. Papas altes Motto könnte er ja übernehmen: „Palmer statt Parteien“.

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