Palmer bleibt Palmer
Ein Oberbürgermeister tritt nach 16 Jahren im Amt in einer mittelgroßen Stadt nicht mehr zur Wahl an. Ja, und? Der Stress, die Anfeindungen – so ist das eben in der Lokalpolitik. Doch die Sache ist komplizierter. Denn es geht um Boris Palmer – und er will in Tübingen nicht mehr für seine Partei, die Grünen, kandidieren. Alles andere hält er sich offen. Ein weithin bekannter Mann, mit vielen öffentlichkeitswirksamen und einigen innovativen Ideen. Ein politisches Ausnahmetalent, dem die Provokation quasi schon mit in die Wiege gelegt wurde. Würde der Sohn des „Remstal-Rebellen“Helmut Palmer nicht allzu oft sein Herz auf der Zunge tragen und – aus Sicht einiger grüner Parteimitglieder – über das Ziel hinausschießen, wäre er auch für höhere Ämter geeignet. Es ist noch gar nicht lange her, da fiel sein Name bei der Frage nach geeigneten Nachfolgern von Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
Passé. Teile der Südwest-Grünen wollen ihn rauswerfen, das Parteiausschlussverfahren läuft. Ihnen ist er ein Dorn im Auge. Linientreue Parteiprogrammatik ist Palmers Sache nicht. Die ausschlaggebende Aktion war in der Tat geschmacklos – und spielte jenen in die Hände, die ihn schon lange loswerden wollten. Damit tun sie ihrer Partei, die sich doch Vielfalt und Meinungsfreiheit auf die Fahnen geschrieben hat, allerdings keinen Gefallen. Denn streitbar mag er sein, ein Rassist ist Boris Palmer aber gewiss nicht. Außerdem ist die Zahl charismatischer Politiker doch recht überschaubar – gerade bei den Grünen. Ein bisschen Platz für Gedanken, die beim nächsten Parteitag vielleicht nicht mehrheitsfähig sind, sollte da schon sein. Dass Palmer nun nicht mehr für die Partei kandidieren wird, ist nur konsequent.
Auf den ersten Blick gibt es somit nur Verlierer: Tübingen verliert den von vielen geschätzten OB. Palmer verliert den Job. Die Grünen verlieren ein Zugpferd. Doch einer könnte am Ende doch als Sieger dastehen. Denn im Gegensatz zu Vater Helmut wäre Boris Palmer auch als unabhängiger OB-Kandidat nicht chancenlos. Papas altes Motto könnte er ja übernehmen: „Palmer statt Parteien“.