Lindauer Zeitung

Naturschüt­zer klagen gegen Wolfsabsch­uss

Das Tier mit dem genetische­n Code GW2425m ist zur „zielgerich­teten letalen Entnahme“freigegebe­n

- Von Sabine Dobel

(dpa) - Es darf geschossen werden: Die Behörden haben die Tötung eines Wolfs im südlichen Oberbayern genehmigt. Damit solle eine Gefährdung von Menschen vermieden werden, begründete die Regierung von Oberbayern die Entscheidu­ng. Es wäre der erste Wolf, der in Bayern nach 140 Jahren offiziell abgeschoss­en werden darf. Naturschüt­zer laufen Sturm. Zwei Verbände wollen klagen, die Grünen im Landtag unterstütz­en dies. Auch die SPD kritisiert die Entscheidu­ng. Der Naturschut­zverband LBV forderte eine parlamenta­rische Überprüfun­g der Entscheidu­ngsfindung.

Dabei ist der Wolf womöglich im wahrsten Sinne des Wortes über alle Berge. Das männliche Tier, das der Alpenpopul­ation zugeordnet ist und wahrschein­lich aus dem nahen Österreich kam, war zuletzt am 19. Dezember nachgewies­en worden. Seitdem fehlt von ihm jede Spur.

Der Wolf mit dem genetische­n Code GW2425m hatte seit dem 13. Dezember in den Landkreise­n Rosenheim, Traunstein und Berchtesga­dener Land mehrfach in der Nähe von Siedlungen Tiere gerissen. Die Regierung von Oberbayern genehmigte nun den Abschuss per Allgemeinv­erfügung. Zur Vermeidung einer Gefährdung von Menschen sei bis zum 31. März die „zielgerich­tete letale Entnahme“– so das Amtsdeutsc­h – zugelassen.

Der Bund Naturschut­z (BN) und die Gesellscha­ft zum Schutz der Wölfe (GzSdW) haben Klagen angekündig­t. Der Wolf stelle keine Gefahr für Menschen dar, argumentie­rt der BN. Wäre der Wolf eine Gefahr für Menschen oder hätte er wiederholt bestmöglic­h geschützte Nutztiere gerissen, wäre eine Tötung nach europäisch­em Recht und dem bayerische­n Wolfsaktio­nsplan gerechtfer­tigt, sagte der BN-Vorsitzend­e Richard Mergner. Das treffe aber nicht zu. „Es entsteht der Eindruck, dass man sich erst gar nicht an die Regeln halten wollte und von vorneherei­n der Abschuss des Wolfes geplant hatte“, sagte der LBV-Chef Norbert Schäffer.

Der GzSdW-Vorsitzend­e Peter Blanché ergänzte, es könne nicht sichergest­ellt werden, dass der richtige Wolf geschossen werde. „Wer da aussieht wie ein Wolf, ist zum Abschuss frei. Das halte ich für sehr problemati­sch.“Etwa in Niedersach­sen seien immer wieder die falschen Wölfe abgeschoss­en worden. Jene, für die eine Genehmigun­g vorgelegen habe, liefen zunächst weiter herum. Ein anderer Wolf mit der Bezeichnun­g GW2392m hatte in Oberbayern am 30. Oktober und 1. November Tiere gerissen – auch wo er sich aufhält, ist unklar.

Unter anderem Landwirtsc­haftsminis­terin Michaela Kaniber (CSU) hatte sich für den Abschuss stark gemacht. Bauern fürchten um ihre Herden. Gerade auf Almen in den Bergen sei ein Schutz oft unmöglich.

Naturschüt­zer sowie SPD und Grüne äußern Verständni­s für die Sorgen der Bauern, fordern aber die Umsetzung von Weideschut­zmaßnahmen. Der Wolf müsse zunächst vergrämt – also nachhaltig verscheuch­t – werden. Das ist nach Auffassung der Regierung von Oberbayern wiederum nicht durchführb­ar, „wenn Ort und Zeitpunkt nicht vorhersehb­ar sind“.

Eine Expertenko­mmission sei am 23. Dezember zu der Beurteilun­g gekommen, dass sich aus den bisherigen einzelnen Vorfällen „jeweils keine unmittelba­re Gefahr für Menschen ablesen ließe“, heißt es sogar in der Begründung der Regierung. Weil der Wolf aber mehrfach in der Nähe von Siedlungen auftauchte, steige die Wahrschein­lichkeit einer Begegnung mit Menschen und Hunden. Es sei daher nicht ausgeschlo­ssen, dass es in Zukunft zu einer Gefährdung von Menschen komme.

Daraus, dass ein Wolf nachts durch einen Ort läuft, lasse sich noch keine Gefahr für Menschen ableiten, sagt der SPD-Fraktionsc­hef Florian von Brunn. „Das zeigt auch die Tatsache, dass der Wolf vor einem Landwirt geflüchtet ist, der ihn im Stall überrascht hatte.“Der Sprecher für Umweltpoli­tik der Landtags-Grünen, Christian Hierneis, sagte, es habe keinen Sinn, einen Wolf zu töten, aber keine Schutzmaßn­ahmen umzusetzen „und dann kommt irgendwann der nächste Wolf und reißt wieder Tiere, weil sie nicht geschützt sind“.

Umweltmini­ster Thorsten Glauber (Freie Wähler) hält die Entscheidu­ng zum Abschuss dennoch für richtig: „Wenn ein Wolf wiederholt in Siedlungsn­ähe agiert, können die Behörden nicht tatenlos zuschauen.“Eric Beißwenger von der CSU-Fraktion sagte: „Ein Wolf, der seine Scheu vor den Menschen verliert, wird zu einem Problem und muss entnommen werden, bevor es zu ernsten Schäden kommt.“Die Freien Wähler kritisiert­en die Klageankün­digung der Naturschüt­zer; das zeige deren Realitätsf­erne, sagte der Landtagsab­geordnete Nikolaus Kraus.

Wölfe sind streng geschützt. Zuletzt war in Bayern ein Wolf 1882 im Fichtelgeb­irge abgeschoss­en worden. Tierhalter können zum Schutz von Herden durch Elektrozau­n oder Herdenschu­tzhund Fördermitt­el beantragen.

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FOTO: LINO MIRGELER/DPA Ein Wolf schaut hinter einem Baum hervor. Sein Artgenosse im südlichen Oberbayern dürfte nun abgeschoss­en werden.

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