Der verschwundene Vulkan
Hauptinsel Tongatapu zentimeterdick mit Asche bedeckt – Polizei spricht von drei Toten
(AFP/dpa) - Nach dem Vulkanausbruch vor der Küste Tongas zeichnet sich nach und nach ein Bild von den Folgen der Naturkatastrophe ab. Mindestens drei Menschen kamen durch die Eruption und die dadurch ausgelöste Flutwelle ums Leben, wie Neuseelands Behörden unter Berufung auf die tongaische Polizei am Dienstag berichteten. Der Vulkan Hunga Tonga-Hunga Ha’apai ist durch die Eruption offenbar in sich zusammengefallen, auf neuesten Satellitenbildern ist er kaum noch zu sehen.
Wegen eines bei dem Vulkanausbruch beschädigten Untersee-Kabels ist Tonga weiterhin von der Kommunikation mit der Außenwelt abgeschnitten. Der Verbindungsoffizier der Weltgesundheitsorganisation in Tonga, Yutaro Setoya, hält über sein Satellitentelefon die Kommunikation zwischen den UN-Organisationen und der Regierung des Landes aufrecht, wie die WHO am Dienstag berichtete: Setoya stehe seit Tagen „buchstäblich von Sonnenaufgang bis weit in die Nacht im Freien, um sicherzustellen, dass das Telefon das Satellitensignal erreicht“, schilderte WHO-Pazifikkoordinator Sean Casey.
Laut WHO wurden durch den Vulkanausbruch rund 100 Häuser in Tonga beschädigt, die Hälfte davon auf der Hauptinsel Tongatapu. Die Insel sei zentimeterdick mit Asche und Staub bedeckt. Dies wecke Sorgen wegen Luftverschmutzung sowie der Verschmutzung von Trinkwasser und Nahrung. Die Regierung rief die Bevölkerung laut WHO auf, möglichst zu Hause zu bleiben und im Freien Schutzmaske zu tragen.
Von den neuseeländischen Behörden veröffentlichte Luftaufnahmen von Aufklärungsflügen zeigen eine aschegraue Landschaft mit zerstörten Häusern nahe der Küste. Laut UNO wurde ein von der niedrig gelegenen Insel Mango kommendes Notsignal aufgefangen. Aufklärungsflüge deuteten auf „erhebliche Schäden“auf Mango und der Insel Fonoi hin, erklärte die UN-Hilfsorganisation Ocha.
Hilfsflüge können vorerst nicht in Tonga landen, weil die Landebahn des Flughafens mit einer Ascheschicht bedeckt ist. Australien und Neuseeland halten Marineschiffe in Bereitschaft, um bei Bedarf Hilfslieferungen in das drei bis fünf Tage per Schiff entfernte Inselreich zu bringen. Neuseeland wollte noch am Dienstag zwei Schiffe mit Hilfsgütern nach Tonga schicken. Eines der Schiffe soll dringend benötigtes
Trinkwasser transportieren, denn auf Tonga ist das Wasser durch Asche verschmutzt. „Wasser hat in dieser Phase für Tonga höchste Priorität und die HMNZS Aotearoa kann 250 000 Liter transportieren und 70 000 Liter pro Tag durch eine Entsalzungsanlage produzieren“, sagte Verteidigungsminister Peeni Henare. Das Rote Kreuz kündigte die Bereitstellung von mehr als 2500 Kanistern mit Trinkwasser an. Frankreich, das Überseegebiete im Südpazifik hat, sagte ebenfalls Hilfe zu.
Auch im australischen Brisbane sollte am Mittwoch ein Schiff ablegen. Laut der Nachrichtenagentur AAP wird die HMAS Adelaide sowohl humanitäre Hilfen als auch medizinisches Fachpersonal und Helikopter an Bord haben.
Unter den drei bislang bestätigten Todesopfern des Unglücks ist eine 50-jährige Britin, die in Tonga eine Hilfsorganisation für Straßenhunde betrieb. Sie sei von der Flutwelle mitgerissen worden, während ihr Mann sich an einen Baum klammern konnte, sagte ihr Bruder dem britischen „Guardian“.
Das Unternehmen Maxar Technologies veröffentlichte unterdessen Satellitenaufnahmen des Vulkans. Der Teil des Hunga Tonga-Hunga Ha’apai, der bis zur Eruption am Sonntag über dem Meeresspiegel lag, ist fast vollständig verschwunden, nur zwei kleine Vulkaninselchen sind noch zu sehen.
Der Vulkanausbruch am Samstag war einer der schwersten seit Jahrzehnten und noch im weit entfernten Alaska messbar. In weitem Umkreis im Pazifik gingen Asche und saurer Regen nieder. Die Eruption führte zu Tsunamiwellen, die noch an weit entfernten Küsten von Japan bis in die USA messbar waren. Im mehr als 10 000 Kilometer entfernten Peru ertranken zwei Frauen durch ungewöhnlich hohe Wellen.
Ob der seit Dezember wieder aktive Hunga Tonga-Hunga Ha’apai nun Ruhe gibt, ist laut Experten schwer einzuschätzen. Jedoch müssten sich die Tongaer wahrscheinlich auf weitere Eruptionen einstellen, zitierte der australische Sender ABC am Dienstag den Geochemiker Oliver Nebel von der renommierten Monash University in Melbourne. „Ich glaube, dass er in den kommenden Tagen, Wochen oder Monaten erneut ausbrechen wird.“Ob dies mit der gleichen Intensität geschehe, sei aber nicht vorherzusagen – denn niemand wisse, wie viel Magma sich noch in der Magmakammer in der Erdkruste befindet.