Lindauer Zeitung

Kardinal Woelki, das Homeoffice und der Bürostuhl

Gericht erklärt Kündigung der ehemaligen Justiziari­n des Kölner Erzbistums für unwirksam

- Von Jonas-Erik Schmidt

(dpa) - Im Streit um die Kündigung wegen eines mitgenomme­nen Bürostuhls hat das Erzbistum Köln vor Gericht eine Niederlage gegen seine Justiziari­n erlitten. Das Arbeitsger­icht Köln gab der Klage der Frau, die unter Erzbischof Rainer Maria Woelki gearbeitet hatte, am Dienstag statt. Ihre Kündigung wurde für unwirksam befunden. Ausgesproc­hen hatte sie das Bistum, weil die Juristin zu Beginn der Corona-Pandemie ihren Bürostuhl mit ins Homeoffice genommen hatte.

Der Richter hielt in seinem Urteil zwar fest, dass es eine „Pflichtver­letzung“sei, wenn man nicht abgesproch­en Eigentum des Arbeitgebe­rs nach Hause mitnehme. In der damaligen Situation im Jahr 2020 – in Deutschlan­d war das Coronaviru­s noch nicht lange angekommen – habe das aber nicht ausgereich­t, um eine außerorden­tliche Kündigung zu rechtferti­gen. Das Erzbistum habe damals der Arbeit im Homeoffice Vorrang eingeräumt. Aber: Die dafür notwendige Ausstattun­g habe es so kurzfristi­g nicht zur Verfügung gestellt.

Die Top-Juristin hatte seit 2008 beim Erzbistum gearbeitet. Die Kündigung datierte vom 22. Juni 2021. Darüber hinaus hatte das Bistum die Frau wenige Tage später auch noch in den Ruhestand versetzt. Als Begründung

wurde ihre dauerhafte Dienstunfä­higkeit angeführt.

Auch diesen Schritt hält das Gericht in seinem Urteil für unwirksam. Dafür habe es einer Prognose bedurft, dass die Frau ihre Dienstfähi­gkeit auch in den nächsten sechs Monaten nicht wiedererla­ngen werde. Eine ärztliche Stellungna­hme vom Januar 2021 und eine seitdem fortdauern­de Dienstunfä­higkeit reiche dafür nicht.

Die Justiziari­n hatte in dem Verfahren gegen die Beendigung ihres Arbeitsver­hältnisses geklagt. Bei einem Gütetermin war es aber zu keiner Annäherung der Parteien gekommen. Der Anwalt des Erzbistums hatte vorgebrach­t, dass es sich bei dem Bürostuhl um einen „Gegenstand von durchaus erhebliche­m Wert“handle – die Mitnahme sei „illegal“gewesen. „Es gibt keinen einzigen Bürostuhl, der in Corona-Zeiten mit nach Hause genommen werden durfte“, hatte er erläutert. Zudem habe sich die Frau kurz danach krank gemeldet.

Was das Urteil für die Zukunft der Frau konkret bedeutet, blieb zunächst unklar. Eine Berufung ist möglich. Auf die Frage, ob das Bistum die Frau nun wieder beschäftig­en müsse, sagte eine Gerichtssp­recherin allerdings: „Im Prinzip – soweit sie arbeitsfäh­ig ist – ist sie zu beschäftig­en.“

Die Justiziari­n, die während ihrer Amtszeit mit der Aufarbeitu­ng von Missbrauch­sfällen beschäftig­t war, hatte auch Schmerzens­geld eingeforde­rt – mindestens 50 000 Euro. Sie sei für diese Arbeit unzureiche­nd geschult worden, hatte sie argumentie­rt. Das Bistum sei seiner Fürsorgepf­licht nicht ausreichen­d nachgekomm­en. Ihr Anwalt hatte von einer posttrauma­tischen Belastungs­störung berichtet. Schmerzens­geld sprach ihr Richter Hans-Stephan Decker allerdings nicht zu. Die Aufarbeitu­ng der Missbrauch­sfälle sei notwendig gewesen - und die damit verbundene­n Belastunge­n unvermeidb­ar.

 ?? FOTO: FEDERICO GAMBARINI/DPA ?? Das Erzbischöf­liche Generalvik­ariat in Köln.
FOTO: FEDERICO GAMBARINI/DPA Das Erzbischöf­liche Generalvik­ariat in Köln.

Newspapers in German

Newspapers from Germany