Lindauer Zeitung

Naturschut­z und Brücke als Knackpunkt­e

Die Wiederbele­bung des ehemaligen NTW-Geländes in Wangen – Zum Sachstand eines komplexen Verfahrens

- Von Jan Peter Steppat

- Die Wiederbele­bung des früheren NTW-Geländes ist verfahrens­technisch einen Schritt weiter. Dennoch liegt noch jede Menge Arbeit vor den aus Ravensburg und Friedrichs­hafen stammenden Investoren der HKH-Holding, ehe vermutlich der erste Spaten gestochen werden kann. Das wurde am Montagaben­d im Gemeindera­t deutlich. Ein bundesweit agierender Fachanwalt für Verwaltung­srecht sagte gar: „Ich mache seit 30 Jahren Planung und habe wenige Verfahren erlebt, die so schwierig waren.“Für den Gemeindera­t ist zudem eine neue Brücke als einzige geplante reguläre Zufahrt wesentlich­er Knackpunkt.

Was ist auf dem ehemaligen NTW-Gelände geplant?

Zur Erinnerung: Das Areal nahe der Isnyer Straße soll mit einer Mischung aus Industrie, Gewerbe, Handel, Wohnen und anderen Dingen wiederbele­bt werden. Eigentümer des knapp zehn Hektar großen Geländes ist die HKH-Holding, hinter der die Unternehme­r Jürgen Hauke, Alexander Köhle und Peter Horne stehen. Sie hatten vor Jahren den Zuschlag für das Gelände erhalten, die ebenfalls interessie­rte Stadt hatte das Nachsehen.

Während die HKH-Holding ursprüngli­ch den Schwerpunk­t auf Wohnbebauu­ng legen wollte, pochten Stadt und Gemeindera­t auf möglichst viel Raum für Industrie und Gewerbe. Daraus entstand der Kompromiss mit einem Bereich, der ausschließ­lich Unternehme­n vorbehalte­n sein soll, einem Mischgebie­t und einem Areal für Wohnungen, vornehmlic­h auf der bislang nicht bebauten Brunnenwie­se.

Was macht das Verfahren so schwierig?

Das sind eine ganze Reihe von Punkten, vor allem naturschut­zrechtlich­e: Das Gebiet grenzt direkt an die geschützte Argen und einen Auwald. Ferner müssen Altlasten aus dem früheren Textilbetr­ieb beachtet werden, dazu Lärmschutz­aspekte innerhalb des Areals und nach außen hin. All dies macht das Projekt zu einem der komplizier­testen seiner berufliche­n Laufbahn, so der von den Investoren beauftragt­e Freiburger Rechtsanwa­lt und Experte für Verwaltung­srecht, Prof. Reinhard Sparwasser. Zahlreiche Stadträtin­nen und Stadträte sehen überdies nach wie vor in erster Linie die Anbindung des Gebiets über eine einzige, neu zu bauende Brücke von der Isnyer Straße her über die Argen als problemati­sch an, wie am Montagaben­d erneut deutlich wurde.

Wie ist der Stand des Verfahrens? Bereits im Jahr 2015 hatte es nach Angaben von Baudezerne­nt Peter Ritter erste Gespräche zur Wiederbele­bung des Geländes gegeben. Zwei Jahre später folgten eine Bürgerinfo­rmationsve­ranstaltun­g und die Einleitung der Bauleitpla­nung. Zwei Jahre später gab es die vorgezogen­e Beteiligun­g. Jetzt, erneut zwei Jahre später, wurden sich daraus ergebende Einwände und Stellungna­hmen beraten und verabschie­det. Nun können Öffentlich­keit und Behörden auch förmlich beteiligt werden.

Dabei handelt es sich um zwei Verfahren: Zum einen geht es um Änderungen des Flächennut­zungsplans, also der Planungsgr­undlage, zum anderen um den konkreten Bebauungsp­lan. Wie OB Michael Lang erklärte, kommt ein drittes Verfahren hinzu. Bei diesem geht es ausschließ­lich um den Brückenneu­bau.

Welche Änderungen gibt es an den Ursprungsp­länen?

Obwohl zahlreiche Details aufgrund von Stellungna­hmen und diversen Fachgesprä­chen mit Behörden angepasst wurden, im Grundsatz wenige: Es bleibt bei dem Dreiklang aus Industrie/Gewerbe, Mischnutzu­ng und Wohnbebauu­ng. Allerdings wurden deutlich mehr Flächen für die Natur reserviert, insbesonde­re in Richtung Argen. Planer Thorsten Reber vom Friedrichs­hafener Büro Meixner sprach beispielsw­eise von einem neun bis 20 Meter breiten grünen Band zwischen Fluss und Gewerbegeb­iet. Zudem will man im Wohngebiet teilweise höhere Gebäude zulassen als ursprüngli­ch vorgesehen. Ferner wird beim Handel im Mischgebie­t zentrenrel­evantes Sortiment ausgeschlo­ssen. Dort sollen Folgendes erlaubt sein: Einzelhand­el, Beherbergu­ngsbetrieb­e, Einrichtun­gen für soziale Zwecke, Gaststätte­n, Handwerksb­etriebe und Dienstwohn­ungen.

Wie werden die Gefahren durch Hochwasser eingeschät­zt? Experten zufolge soll das Gebiet so bebaut werden, dass es einem 100jährige­n Hochwasser standhält. Dazu ist geplant, die Brunnenwie­se aufzuschüt­ten. Laut Baudezerne­nt Peter Ritter habe man aber auch mögliche Auswirkung­en durch ein Extrem-Hochwasser im Blick.

Wie sind die Reaktionen aus dem Gemeindera­t?

Grundsätzl­ich positiv, die Planungen passierten im jetzigen Stadium das Stadtparla­ment am Montagaben­d einstimmig. Allenthalb­en gab es Lob für die Mischung aus wirtschaft­licher Nutzung und Wohnbebauu­ng.

Was sind die Bedenken bei einer Brücke?

Als Knackpunkt sehen die Stadträtin­nen und Stadträte vor allem eine einzige Brücke als Zufahrt an. Paul Müller (CDU) forderte daher, den parallelen Erhalt der bestehende­n erneut zu prüfen, insbesonde­re für Notfälle. Ähnlich äußerte sich GOLFraktio­nschefin Doris Zodel. Sie hat dabei vor allem Fußgänger und Radler sowie kurze Wege in Richtung Waldhofpla­tz im Blick. SPD-Fraktionsv­orsitzende­r Alwin Burth fragte nach dem Kostenträg­er für Bau und Unterhalt – Investoren oder Stadt? FW-Fraktionss­precherin Ursula Loss sieht hingegen keinen Sinn im Erhalt der bestehende­n Brücke.

Wie äußern sich Fachleute und Stadt zur Brücke?

Gerd Meixner vom gleichnami­gen Planungsbü­ro betonte mehrfach die besondere Breite des Bauwerks. Wegen der von Behörden geforderte­n Linksabbie­gerspur in der Isnyer Straße sei die Brücke zunächst 6,75 Meter breit, in der Mitte, über dem Fluss 5,50 Meter und in Richtung bisherigem NTW-Gelände immer noch 3,75 Meter. Hinzu kämen beidseitig­e Radwege in einer Breite von jeweils 2,50 Metern. Dies ermögliche im Notfall auf beiden, baulich getrennten Fahrspuren in jedem Fall Gegenverke­hr. „Die Nutzbarkei­t der Brücke ist ausreichen­d gegeben“, so Meixner.

Der Freiburger Verwaltung­srechtler Prof. Reinhard Sparwasser erklärte: Gebaut werde die Brücke von der HKH-Holding, unterhalte­n müsse sie die Stadt, da es sich um einen öffentlich­en Verkehrswe­g handele. OB Michael Lang ergänzte: Die Aufteilung der Kosten müsste in einem noch zu schließend­en städtebaul­ichen Vertrag zwischen Investoren und Stadt festgelegt werden. Zudem kündigte er an, die separate Bauleitpla­nung für die Brücke werde demnächst Thema im Gemeindera­t.

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ARCHIVFOTO: STADT WANGEN/RACK Das ehemalige NTW-Gelände in Wangen aus der Luft. Eine Investoren­gruppe will es wieder beleben. Es gibt aber diverse Hürden.
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FOTO: KONSTRUKTI­ONSGRUPPE BAUEN, KEMPTEN So könnte die neue Brücke als möglicherw­eise einziger Zufahrt zum ehemaligen NTW-Gelände künftig aussehen.

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