Naturschutz und Brücke als Knackpunkte
Die Wiederbelebung des ehemaligen NTW-Geländes in Wangen – Zum Sachstand eines komplexen Verfahrens
- Die Wiederbelebung des früheren NTW-Geländes ist verfahrenstechnisch einen Schritt weiter. Dennoch liegt noch jede Menge Arbeit vor den aus Ravensburg und Friedrichshafen stammenden Investoren der HKH-Holding, ehe vermutlich der erste Spaten gestochen werden kann. Das wurde am Montagabend im Gemeinderat deutlich. Ein bundesweit agierender Fachanwalt für Verwaltungsrecht sagte gar: „Ich mache seit 30 Jahren Planung und habe wenige Verfahren erlebt, die so schwierig waren.“Für den Gemeinderat ist zudem eine neue Brücke als einzige geplante reguläre Zufahrt wesentlicher Knackpunkt.
Was ist auf dem ehemaligen NTW-Gelände geplant?
Zur Erinnerung: Das Areal nahe der Isnyer Straße soll mit einer Mischung aus Industrie, Gewerbe, Handel, Wohnen und anderen Dingen wiederbelebt werden. Eigentümer des knapp zehn Hektar großen Geländes ist die HKH-Holding, hinter der die Unternehmer Jürgen Hauke, Alexander Köhle und Peter Horne stehen. Sie hatten vor Jahren den Zuschlag für das Gelände erhalten, die ebenfalls interessierte Stadt hatte das Nachsehen.
Während die HKH-Holding ursprünglich den Schwerpunkt auf Wohnbebauung legen wollte, pochten Stadt und Gemeinderat auf möglichst viel Raum für Industrie und Gewerbe. Daraus entstand der Kompromiss mit einem Bereich, der ausschließlich Unternehmen vorbehalten sein soll, einem Mischgebiet und einem Areal für Wohnungen, vornehmlich auf der bislang nicht bebauten Brunnenwiese.
Was macht das Verfahren so schwierig?
Das sind eine ganze Reihe von Punkten, vor allem naturschutzrechtliche: Das Gebiet grenzt direkt an die geschützte Argen und einen Auwald. Ferner müssen Altlasten aus dem früheren Textilbetrieb beachtet werden, dazu Lärmschutzaspekte innerhalb des Areals und nach außen hin. All dies macht das Projekt zu einem der kompliziertesten seiner beruflichen Laufbahn, so der von den Investoren beauftragte Freiburger Rechtsanwalt und Experte für Verwaltungsrecht, Prof. Reinhard Sparwasser. Zahlreiche Stadträtinnen und Stadträte sehen überdies nach wie vor in erster Linie die Anbindung des Gebiets über eine einzige, neu zu bauende Brücke von der Isnyer Straße her über die Argen als problematisch an, wie am Montagabend erneut deutlich wurde.
Wie ist der Stand des Verfahrens? Bereits im Jahr 2015 hatte es nach Angaben von Baudezernent Peter Ritter erste Gespräche zur Wiederbelebung des Geländes gegeben. Zwei Jahre später folgten eine Bürgerinformationsveranstaltung und die Einleitung der Bauleitplanung. Zwei Jahre später gab es die vorgezogene Beteiligung. Jetzt, erneut zwei Jahre später, wurden sich daraus ergebende Einwände und Stellungnahmen beraten und verabschiedet. Nun können Öffentlichkeit und Behörden auch förmlich beteiligt werden.
Dabei handelt es sich um zwei Verfahren: Zum einen geht es um Änderungen des Flächennutzungsplans, also der Planungsgrundlage, zum anderen um den konkreten Bebauungsplan. Wie OB Michael Lang erklärte, kommt ein drittes Verfahren hinzu. Bei diesem geht es ausschließlich um den Brückenneubau.
Welche Änderungen gibt es an den Ursprungsplänen?
Obwohl zahlreiche Details aufgrund von Stellungnahmen und diversen Fachgesprächen mit Behörden angepasst wurden, im Grundsatz wenige: Es bleibt bei dem Dreiklang aus Industrie/Gewerbe, Mischnutzung und Wohnbebauung. Allerdings wurden deutlich mehr Flächen für die Natur reserviert, insbesondere in Richtung Argen. Planer Thorsten Reber vom Friedrichshafener Büro Meixner sprach beispielsweise von einem neun bis 20 Meter breiten grünen Band zwischen Fluss und Gewerbegebiet. Zudem will man im Wohngebiet teilweise höhere Gebäude zulassen als ursprünglich vorgesehen. Ferner wird beim Handel im Mischgebiet zentrenrelevantes Sortiment ausgeschlossen. Dort sollen Folgendes erlaubt sein: Einzelhandel, Beherbergungsbetriebe, Einrichtungen für soziale Zwecke, Gaststätten, Handwerksbetriebe und Dienstwohnungen.
Wie werden die Gefahren durch Hochwasser eingeschätzt? Experten zufolge soll das Gebiet so bebaut werden, dass es einem 100jährigen Hochwasser standhält. Dazu ist geplant, die Brunnenwiese aufzuschütten. Laut Baudezernent Peter Ritter habe man aber auch mögliche Auswirkungen durch ein Extrem-Hochwasser im Blick.
Wie sind die Reaktionen aus dem Gemeinderat?
Grundsätzlich positiv, die Planungen passierten im jetzigen Stadium das Stadtparlament am Montagabend einstimmig. Allenthalben gab es Lob für die Mischung aus wirtschaftlicher Nutzung und Wohnbebauung.
Was sind die Bedenken bei einer Brücke?
Als Knackpunkt sehen die Stadträtinnen und Stadträte vor allem eine einzige Brücke als Zufahrt an. Paul Müller (CDU) forderte daher, den parallelen Erhalt der bestehenden erneut zu prüfen, insbesondere für Notfälle. Ähnlich äußerte sich GOLFraktionschefin Doris Zodel. Sie hat dabei vor allem Fußgänger und Radler sowie kurze Wege in Richtung Waldhofplatz im Blick. SPD-Fraktionsvorsitzender Alwin Burth fragte nach dem Kostenträger für Bau und Unterhalt – Investoren oder Stadt? FW-Fraktionssprecherin Ursula Loss sieht hingegen keinen Sinn im Erhalt der bestehenden Brücke.
Wie äußern sich Fachleute und Stadt zur Brücke?
Gerd Meixner vom gleichnamigen Planungsbüro betonte mehrfach die besondere Breite des Bauwerks. Wegen der von Behörden geforderten Linksabbiegerspur in der Isnyer Straße sei die Brücke zunächst 6,75 Meter breit, in der Mitte, über dem Fluss 5,50 Meter und in Richtung bisherigem NTW-Gelände immer noch 3,75 Meter. Hinzu kämen beidseitige Radwege in einer Breite von jeweils 2,50 Metern. Dies ermögliche im Notfall auf beiden, baulich getrennten Fahrspuren in jedem Fall Gegenverkehr. „Die Nutzbarkeit der Brücke ist ausreichend gegeben“, so Meixner.
Der Freiburger Verwaltungsrechtler Prof. Reinhard Sparwasser erklärte: Gebaut werde die Brücke von der HKH-Holding, unterhalten müsse sie die Stadt, da es sich um einen öffentlichen Verkehrsweg handele. OB Michael Lang ergänzte: Die Aufteilung der Kosten müsste in einem noch zu schließenden städtebaulichen Vertrag zwischen Investoren und Stadt festgelegt werden. Zudem kündigte er an, die separate Bauleitplanung für die Brücke werde demnächst Thema im Gemeinderat.