Pendler kritisieren Bahnverbindung
Die eine Strecke am See ist elektrifiziert, auf der anderen klaffen Verbindungslücken
- Die Südbahn von Ulm über Friedrichshafen nach Lindau, eine der wichtigsten Bahnstrecken der Region, steht seit gut einem Monat unter Strom. Die Elektrifizierung sei ein Erfolg, heißt es von der Bahn. Das Verkehrsministerium und DB Regio haben auf der anderen Seelinie, der Bodenseegürtelbahn, auf die Kritik an der seit Dezember klaffenden Bedienungslücke in Richtung Singen reagiert – und den Fahrplan verbessert. Doch sehen das Bahnreisende am See genauso? Wir haben uns umgehört.
Die Südbahn spielt laut Bahn eine wichtige Rolle für den Deutschlandtakt: Zwischen Bodensee und Stuttgart ist ein umsteigefreies Reisen möglich. Zudem sei der Verkehr besser mit dem internationalen Personenund Güterverkehr in Lindau und Bregenz verknüpft. Auf der elektrifizierten Strecke sind Doppelstockzüge und Elektrotriebwagen unterwegs – laut Bahn klimaneutral und modernisiert.
Auf der frisch elektrifizierten Südbahn fährt beispielsweise der Railjet künftig täglich direkt von Frankfurt am Main an den Bodensee und weiter nach Vorarlberg und dann weiter bis Wien. Außerdem wurde eine bereits bestehende Verbindung verlängert: Der ICE aus München über Ulm nach Dortmund fährt in Zukunft weiter bis in die Hansestadt Hamburg. Auf dieser und weiteren Strecken sollen vermehrt die moderneren Züge mit mehr Sitzplätzen eingesetzt werden.
Der Fahrgastverband „Pro Bahn Baden-Württemberg“hat am neuen Fahrplan aber einiges zu bemängeln. Eine große Kritik des Verbands lautet: Auf der Südbahn würden vor allem Fernpendler durch den neuen Halbstundentakt im Expressverkehr profitieren, weniger jedoch der Vorort-Verkehr. „Wir hätten uns eine deutlichere Stärkung des Vorort-Verkehrs gewünscht. An vielen potenziellen Fahrgästen fährt der Fortschritt einfach vorbei“, wird Stefan Buhl, Landesvorsitzender von „Pro Bahn Baden-Württemberg“, in einer Mitteilung zitiert. Der seit vielen Jahren „vehement geforderte“durchgängige Regionalbahnverkehr auf der Südbahn fehle weiterhin.
„Züge im Halbstunden- oder Stundentakt finde ich schon gewöhnungsbedürftig“, sagt ein Passant, der frisch aus dem Ruhrgebiet nach Friedrichshafen gezogen ist. Er spüre die Verbesserung der Taktung dagegen deutlich, sagt ein weiterer Spaziergänger in der Nähe des Bahnhofs, der in der Freizeit regelmäßig Zug fahre: „Es geht schneller und die Fahrt ist leiser. Ich fahre gerne Zug.“Die Verbindung vom See weg in Städte sei nicht mehr „so vorsintflutlich“.
Aus Sicht der Bahn ist die Elektrifizierung ein Erfolg. Das neue Fahrplankonzept für die Regionalbahnen Lindau–Friedrichshafen habe die Anschlussmöglichkeiten in Friedrichshafen verbessert, erklärt eine Bahnsprecherin: „Besonders geschätzt wird es, dass die meisten Regionalbahnen auf der Strecke ,durchgebunden’ sind auf den IRE nach Ulm. So haben Fahrgäste von Lindau oder Eriskirch zum Beispiel durchgehende Fahrmöglichkeiten über Friedrichshafen hinaus nach Ravensburg, Biberach und Ulm.“Mit der durchgehenden Elektrifizierung der Strecke zwischen Ulm und LindauAeschach verbessere sich das Angebot für Fahrgäste deutlich, da die Regionalexpresszüge halbstündig fahren und damit „in einem so dichten Takt wie nie zuvor“.
Zwischen Ulm–Friedrichshafen und Friedrichshafen–Lindau kommen laut Bahn hauptsächlich elektrische Triebwagen des Typs 425 zum Einsatz. Im Vergleich zu den Dieselzügen hätten diese etwa 60 Prozent mehr Kapazität. Die Fahrzeuge sollen sukzessive bis Dezember 2022 komfortabler werden. Beispielsweise mit WLAN, Videoüberwachungsanlagen für mehr Sicherheit oder auch mit WCs mit Bodenseemotiven, die das Ambiente verbessern sollen.
In die andere Richtung, von Friedrichshafen in Richtung Radolfzell und Singen, lässt die Elektrifizierung noch auf sich warten. Die Verbindungen auf der Bodenseegürtelbahn sind allerdings nachjustiert worden, um, so das Verkehrsministerium und DB Regio, Pendlerinnen und Pendlern ein rasches und umsteigefreies Reisen vom Bodensee in den Hegau wieder zu ermöglichen.
Uhldingen-Mühlhofen erhält beispielsweise einen neuen RE-Halt kurz vor sieben Uhr morgens. Für Bermatingen müssen morgens bei zwei Zügen in Richtung Friedrichshafen die Halte getauscht werden. Der RE 3 / 3078 (Laufweg Friedrichshafen-Basel) erhält montags bis freitags um 6.57 Uhr einen neuen Halt in Uhldingen-Mühlhofen. Auch der Anschluss nach Konstanz mit dem Seehas werde in Radolfzell erreicht. Wegen der dichten Streckenbelegung seien auch weitere Änderungen am Fahrplan der Gürtelbahn vorgenommen worden.
Die bisherige durchgehende IRE 3 Verbindung Ulm–Basel wird seit dem Fahrplanwechsel am 12. Dezember in Friedrichshafen Stadt in zwei Linien (IRE 3 Ulm Hbf–Friedrichshafen
Stadt und IRE 3 Friedrichshafen Stadt–Basel Bad Bf) geteilt. Dies ermöglicht laut einer Bahnsprecherin Qualitäts- und Kapazitätsverbesserungen auf der Bodenseegürtelbahn und Hochrheinbahn.
„Ich fahre die Strecke eigentlich arbeitstäglich, außer die Züge fahren nicht. Die Nachbesserungen beim Fahrplan haben für mich keinerlei Verbesserungen gebracht“, erzählt Erwin Hillebrand aus Fischbach. Die morgendliche Verbindung von Fischbach (Abfahrt 6.01 Uhr) nach Nußdorf funktioniere manchmal einigermaßen, ab und zu auch schlechter. In der Woche vor Weihnachten sei er mit Hin- und Rückfahrten zusammengerechnet auf eine Verspätung von dreieinhalb Stunden gekommen. „Es erfordert sehr großen Idealismus, täglich die Herausforderung Bodenseegürtelbahn anzunehmen. Es ist nie sicher, ob und wann man sein Ziel erreicht. Ich bin in der komfortablen Situation, dass ich gleitende Arbeitszeiten habe. Für Menschen, die pünktlich bei der Arbeit sein müssen, ist Bahnfahren leider nichts“, sagt Hillebrand. Weniger, dafür aber zuverlässige Verbindungen, die auch alle Haltepunkte bedienen, würden seiner Meinung nach helfen, sagt der Fischbacher.
Nach der Elektrifizierung sei vor der Elektrifizierung, ließen Politiker aus dem Bodenseekreis anlässlich der Aufnahme des elektrischen Betriebs auf der Südbahn vernehmen. Nun stehe die Bodenseegürtelbahn im Fokus. „Wir wünschen uns, dass wir mit dem heutigen Tag nicht stehen bleiben“, sagte Friedrichshafens OB Andreas Brand bei einer Südbahn-Feierstunde im Dezember. Er hoffe, dass man jetzt mit der gleichen Leidenschaft die Elektrifizierung der Bodenseegürtelbahn angehe.