Vom kleinen Biber zu „The Body“
Wie Lewandowski zum besten Fußballer der Welt wurde und welche Rolle Ehefrau Anna spielt
- Besonders wichtige Tore feiert Robert Lewandowski am liebsten „oben ohne“. Dann wird der Blick frei auf seine Muskelpakete, vor allem auf das Sixpack. Kaum zu glauben in diesem Moment: Als Kind ist der Mittelstürmer des FC Bayern München schmal und schmächtig, mit viel zu dünnen Beinchen ausgestattet. In der Jugend des Schülersportvereins Varsovia Warschau wird der kleine Robert „Bobek“gerufen, „kleiner Biber“. Leichtathletik? Ja, vielleicht. Aber Fußball? Oder andere Sportarten? Etwa, um seinen Eltern nachzueifern? Mutter Iwona spielte in der höchsten polnischen Volleyball-Liga, Vater Krzysztof gewann als Judoka den Junioren-Europameistertitel. „Bobek“mit den Stelzenbeinen trainiert wie besessen, um sein Talent auf dem Platz auch gegen ältere Spieler durchsetzen zu können. Doch bei seinem Traumverein Legia Warschau fällt er durchs Raster – zu klein eben, der Bobek. Doch sein Torriecher ebnet ihm die Karriere. Über Lech Posen und Borussia Dortmund kommt er 2014 zum FC Bayern – und das ablösefrei. Rückblickend betrachtet einer der größten Transfercoups des Rekordmeisters.
Nach siebeneinhalb Jahren in München ist Lewandowski Bayerns zweitbester Torjäger der Vereinsgeschichte hinter dem im vergangenen Jahr verstorbenen Gerd Müller (†75) und zweifacher Weltfußballer – auch weil aus „Bobek“längst „The Body“geworden ist. Ein durchtrainierter Profi, der seinen Sport mit jeder Faser seines Körpers in jeder Sekunde lebt. Lewandowskis Körper ist sein Kapital. Er pflegt ihn rund um die Uhr. Der ehemalige Bayern-Trainer Hansi Flick verglich den Körper des Mittelstürmers mit einem „Formel-1-Auto“, weil er „auf jedes Detail schaut, um Höchstleistung bringen zu können“. Der aktuelle Chefcoach der Bayern, Julian Nagelsmann, findet, dass „Robert der beste Stürmer der Welt ist“und begründet dies so: „Es gibt sehr wenige Momente, in denen er im Spiel rumsteht und nichts macht, oder wenn er kein Tor macht, sagt: ‚Ihr könnt mich mal, macht euer Ding alleine.‘ Neben seiner Gier auf Tore hat er eine unfassbare Haltung zu diesem Sport und haut sich immer rein“, sagte der 34Jährige über seinen Superstar und fügte einen für ihn typischen Spruch hinzu: „Wenn Robert sich tatsächlich mal körperlich zurücklehnt, kommt er wieder hoch und macht einen Sit-up.“
Fünf Säulen bilden das Fundament für Lewandowskis Erfolg: Fitness, Regeneration, Ernährung, Schlaf und mentale Power. Homeoffice-Workout betreibt der Angreifer oft gemeinsam mit seiner Frau Anna, die früher als Karate-Profi erfolgreich war. Sie kümmert sich außerdem um Regeneration und Nahrungszufuhr ihres Mannes außerhalb des Vereins. Kein Wunder, hat sie doch acht Bücher über Sport und die dazu passende Ernährungsweise geschrieben und betreibt eine Fitness-App. Das Wichtigste in Kürze: Kein Gluten, keine Laktose, keine Kuhmilchprodukte, nichts Frittiertes. Stattdessen viel Gemüse, Rohkost, Reis, glutenfreie Nudeln, Fisch, wenig Fleisch. „Um zu wissen, was Robert gerade braucht, checken wir regelmäßig sein Blut“, sagt Anna. Dadurch wird bestimmt, welche Vitamine und Mineralstoffe er zusätzlich braucht. Außergewöhnlich: Das Dessert zuerst! Besser für die Verdauung und damit den Organismus. Sind auch mal Sünden drin wie Alkohol oder Pizza? „Manchmal will man etwas essen, weil es so köstlich aussieht, danach fühlt man sich aber schlecht.“Mit anderen Worten: nein.
Auch die Qualität des Schlafes ist – neben ausreichender Dauer – essenziell für die Entspannung, die Regeneration. Wichtig: kein blaues Licht im Zimmer, die richtige Luft (inklusive Lavendelöl auf den Kissen), eine spezielle Schlafbrille, ergonomische Matratzen und eine auf die Ruhephase des Körpers abgestimmte Ernährung vor dem Schlafengehen. Zufälle? Gibt’s im Hause Lewandowski nicht. Dafür Disziplin, Lernwille, Beharrlichkeit und unbändiger Ehrgeiz in rauen Mengen.
Hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau – sagt ein Klischee. Ist auch meist so, bei Robert Lewandowski im doppelten Sinne. Anna Lewandowska (im Polnischen werden die Endungen nach der Hochzeit dem Geschlecht angepasst) kann richtig zupacken, hat bis zu ihrem Karriereende 2014 insgesamt 38 Medaillen als Athletin bei Welt-, Europa- und polnischen Meisterschaften gewonnen, bezeichnet sich selbst als „Kämpfernatur“. Dem SZ-Magazin sagte die 33-Jährige: „Durch Karate wurde ich selbstbewusster. Der Sport hat mich erzogen und stark gemacht.“
Während ihrer Profilaufbahn studierte Anna (geb. Stachurska) Sport an der Akademie für Leibeserziehung in Warschau, ließ sich danach zur Ernährungsberaterin ausbilden. Mittlerweile ist sie in ihrer polnischen Heimat ein Superstar, beinahe so bekannt wie ihr Robert. Auf Instagram folgen ihr über drei Millionen User. Anna hat sich als Autorin von Büchern über Fitness und Ernährung sowie Bloggerin einen Namen gemacht, berät neben ihrem Mann auch andere Sportler, meist Fußballer. Nur ein Zweig ihres vielschichtigen Business mit rund 120 Beschäftigten in ihren sechs Unternehmen. Diese arbeiten unter anderem für ihre Kosmetiklinie, ihr Elternportal, ihre Café-Kette oder ihre Lebensmittelproduktion.
Das Energiebündel Anna sagt: „Ich brauche Herausforderungen.“Hat sie als zweifache Mutter und Ehefrau (seit Juni 2013 sind die beiden verheiratet) auch privat. Wie sie sich kennerlernten? 2007 auf einer Studentenreise in Polen. „Anna stand in einer Gruppe von Mädchen. Ihre blonden Haare fielen mir sofort auf“, sagt Robert. Sie erzählte es so: „Als ich Robbie kennenlernte, hatte ich ein paar Vorurteile. Ich sagte ihm: ,Du bist Fußballer? Hm...’ Er meinte: ,Anna, bitte gib mir ein bisschen Zeit. Dann zeige ich dir, wer ich wirklich bin.’ Das war schon süß.“Heute ist Anna Roberts wichtigste Bezugsperson. „Ich bin nicht nur seine Frau, sondern auch seine beste Freundin und eine Sportlerin, die weiß, was in ihm vorgeht.“
Ob Lewandowski nach all seinen Titeln und Toren eines Tages satt ist? „Er will mehr“, sagt Anna, „das ist grundsätzlich so. Es geht weiter.“Rekorde sind dazu da, um von ihm gebrochen zu werden.