Eine junge Allgäuerin erobert Louisiana
Fußballerin Lena Rädler studiert in den USA und spielt in der höchsten College-Liga
- Welchen Stellenwert der Collegesport in den USA besitzt, davon konnte sich Lena Rädler schon kurz nach ihrer Ankunft an der Louisiana Tech University selbst überzeugen. Nachdem die alte Sportstätte von einem Hurrikan zerstört worden war, haben die Verantwortlichen dem Collegeteam ein nigelnagelneues Fußballstadion hingestellt – und einen Gebäudekomplex mit Umkleidekabinen, Physio- und Kraftraum sowie einer Art Seminarraum für Videoanalysen. „Da hat man alles, was man braucht. Das sind fast Profibedingungen – schon noch eine Stufe mehr als das, was ich bisher gewohnt war“, sagt sie. Und dabei hat die 21-Jährige aus Scheidegg in Sachen Fußball schon einiges gesehen. Sie war am DFB-Stützpunkt, hat mit dem SV Alberweiler in der Juniorinnen-Bundesliga gespielt und war mit dem 1. FFC Vorderland in Österreich in der höchsten Spielklasse am Ball.
Seit dem Sommer liegt ihre sportliche Heimat in Übersee: Die Sportwissenschaft-Studentin hat durch den Fußball ein begehrtes Stipendium in den USA ergattert. Sie konnte sogar aus zwölf Unis auswählen. Ihre Wahl fiel auf die Louisiana Tech University im gleichnamigen Bundesstaat, genauer gesagt in der 22 000Einwohner-Stadt Ruston.
Ihr Einstand lief prima. Obwohl sie durch ihre Corona-Impfung und den langen Flug nicht ganz topfit war, hat sie gleich nach ihrer Ankunft als eine der wenigen auf Anhieb den Athletiktest bestanden – die Voraussetzung, um überhaupt eine Spielgenehmigung für die Division One, die höchste College-Liga zu erhalten, in der die LA Tech spielt. Zur Einordnung: Von den 37 Spielerinnen im Kader haben bis heute zehn Stück den Fitnesstest nicht bestanden. Und dadurch noch keine einzige Minute gespielt.
Lena Rädler hingegen hat sich einen Stammplatz erobert – links hinten in der Viererkette, obwohl sie eigentlich Rechtsfuß ist. Gleich in ihrem ersten Spiel, zugleich das Eröffnungsspiel des neuen Stadions, schoss sie ein Tor. Die LA Tech gewann sogar 9:0. Es lief also alles nach Plan. Eigentlich.
Denn am dritten Spieltag der Division One, beim Auswärtsspiel in Huston (Texas), erlitt die 21-Jährige eine Gehirnerschütterung und musste raus. „Ich dachte eigentlich, dass ich nach einer Woche wieder spielen kann“, sagt sie. „Aber eine solche Verletzung wird dort richtig ernst genommen.“Sie war gleich bei mehreren Ärzten, bekam Bettruhe verordnet und durfte nicht einmal zu den Vorlesungen.
Die Folge: Die restlichen Saisonspiele hat die Verteidigerin mit der Nummer 37 verpasst – auch das Auswärtsspiel in Florida, zu dem das
Team mit dem Flieger gereist ist und auf das sie sich besonders gefreut hatte. Wobei man wissen muss: Aufgrund der Corona-Pandemie wurde die Division One in zwei Gruppen aufgeteilt. Die LA Tech hatte insgesamt nur sieben Spiele. Dabei kam das Team über den vorletzten Platz nicht hinaus und verpasste das Meisterschaftsturnier.
Dass die Mannschaft hinter den eigenen Ansprüchen zurückgeblieben ist, kommt rückblickend nicht ganz überraschend. 18 neue Spielerinnen mussten integriert werden. Kurz vor dem Saisonstart wurde der Coach entlassen, der bisherige CoTrainer übernahm: Steve Voltz, ein Deutscher. Er will dem Team einen neuen, etwas europäischeren Spielstil verordnen. Und das braucht Zeit. „Der Fußball in den USA ist anders. Viel athletischer. Hier geht es nicht um Passspiel oder Ballbesitz, sondern man spielt und sprintet immer gleich nach vorne, macht viel im Eins gegen Eins“, sagt Rädler, die den Jahreswechsel bei ihrer Familie in Scheidegg verbracht hat und am Sonntag wieder zurückfliegt.
Bis zur neuen Saison ist aber noch genug Zeit, um die Spielidee des Trainers zu verinnerlichen. Die Meisterschaft beginnt erst im Herbst. Die Scheideggerin, die in der Jugend schon gegen Bayern München und Eintracht Frankfurt gespielt hat, soll dann eine wichtige Rolle übernehmen: Der Trainer hat sie als Führungsspielerin auserkoren. Sie soll sein verlängerter Arm auf dem Platz sein. „Ich bin nicht nur so dabei, sondern soll Verantwortung übernehmen und den Mund aufmachen“, sagt sie.
Und weil auch noch die Noten stimmen (Schnitt 1,0), ist es kein Wunder, dass die Verantwortlichen der Uni jetzt schon haben durchklingen lassen, dass ihr zunächst auf ein Jahr befristetes Stipendium verlängert werden soll. „Sie wollen mich auf jeden Fall behalten“, sagt die 21Jährige nicht ohne Stolz. Das Angebot wird sie deshalb wohl auch annehmen – immerhin sind Studiengebühren, Unterkunft, Verpflegung und Ausrüstung enthalten.
Und obwohl Ruston durch seine Weitläufigkeit („Einkaufen geht nur mit dem Auto“) doch eher ländlich als städtisch ist, fühlt sich Lena Rädler in den USA ja auch wohl. „Die Mädels sind alle super nett – die sind für mich wie eine Familie“, sagt sie über ihre Teamkolleginnen, die unter anderem aus Spanien, Schweden, Norwegen und den Niederlanden kommen. Ihr Englisch hat sie dort sowieso verbessert – und ihre Athletik auch. „Ich war vorher noch nie im Kraftraum“, verrät sie. Jetzt gehört er zum Alltag dazu. Die morgendliche Einheit dort beginnt um 5.45 Uhr, noch vor der ersten Vorlesung. Nachmittags geht es dann auf den Trainingsplatz. Und das fast täglich. Also wie bei den Profis.