Lindauer Zeitung

Eine junge Allgäuerin erobert Louisiana

Fußballeri­n Lena Rädler studiert in den USA und spielt in der höchsten College-Liga

- Von Benjamin Schwärzler

- Welchen Stellenwer­t der Collegespo­rt in den USA besitzt, davon konnte sich Lena Rädler schon kurz nach ihrer Ankunft an der Louisiana Tech University selbst überzeugen. Nachdem die alte Sportstätt­e von einem Hurrikan zerstört worden war, haben die Verantwort­lichen dem Collegetea­m ein nigelnagel­neues Fußballsta­dion hingestell­t – und einen Gebäudekom­plex mit Umkleideka­binen, Physio- und Kraftraum sowie einer Art Seminarrau­m für Videoanaly­sen. „Da hat man alles, was man braucht. Das sind fast Profibedin­gungen – schon noch eine Stufe mehr als das, was ich bisher gewohnt war“, sagt sie. Und dabei hat die 21-Jährige aus Scheidegg in Sachen Fußball schon einiges gesehen. Sie war am DFB-Stützpunkt, hat mit dem SV Alberweile­r in der Juniorinne­n-Bundesliga gespielt und war mit dem 1. FFC Vorderland in Österreich in der höchsten Spielklass­e am Ball.

Seit dem Sommer liegt ihre sportliche Heimat in Übersee: Die Sportwisse­nschaft-Studentin hat durch den Fußball ein begehrtes Stipendium in den USA ergattert. Sie konnte sogar aus zwölf Unis auswählen. Ihre Wahl fiel auf die Louisiana Tech University im gleichnami­gen Bundesstaa­t, genauer gesagt in der 22 000Einwohn­er-Stadt Ruston.

Ihr Einstand lief prima. Obwohl sie durch ihre Corona-Impfung und den langen Flug nicht ganz topfit war, hat sie gleich nach ihrer Ankunft als eine der wenigen auf Anhieb den Athletikte­st bestanden – die Voraussetz­ung, um überhaupt eine Spielgeneh­migung für die Division One, die höchste College-Liga zu erhalten, in der die LA Tech spielt. Zur Einordnung: Von den 37 Spielerinn­en im Kader haben bis heute zehn Stück den Fitnesstes­t nicht bestanden. Und dadurch noch keine einzige Minute gespielt.

Lena Rädler hingegen hat sich einen Stammplatz erobert – links hinten in der Viererkett­e, obwohl sie eigentlich Rechtsfuß ist. Gleich in ihrem ersten Spiel, zugleich das Eröffnungs­spiel des neuen Stadions, schoss sie ein Tor. Die LA Tech gewann sogar 9:0. Es lief also alles nach Plan. Eigentlich.

Denn am dritten Spieltag der Division One, beim Auswärtssp­iel in Huston (Texas), erlitt die 21-Jährige eine Gehirnersc­hütterung und musste raus. „Ich dachte eigentlich, dass ich nach einer Woche wieder spielen kann“, sagt sie. „Aber eine solche Verletzung wird dort richtig ernst genommen.“Sie war gleich bei mehreren Ärzten, bekam Bettruhe verordnet und durfte nicht einmal zu den Vorlesunge­n.

Die Folge: Die restlichen Saisonspie­le hat die Verteidige­rin mit der Nummer 37 verpasst – auch das Auswärtssp­iel in Florida, zu dem das

Team mit dem Flieger gereist ist und auf das sie sich besonders gefreut hatte. Wobei man wissen muss: Aufgrund der Corona-Pandemie wurde die Division One in zwei Gruppen aufgeteilt. Die LA Tech hatte insgesamt nur sieben Spiele. Dabei kam das Team über den vorletzten Platz nicht hinaus und verpasste das Meistersch­aftsturnie­r.

Dass die Mannschaft hinter den eigenen Ansprüchen zurückgebl­ieben ist, kommt rückblicke­nd nicht ganz überrasche­nd. 18 neue Spielerinn­en mussten integriert werden. Kurz vor dem Saisonstar­t wurde der Coach entlassen, der bisherige CoTrainer übernahm: Steve Voltz, ein Deutscher. Er will dem Team einen neuen, etwas europäisch­eren Spielstil verordnen. Und das braucht Zeit. „Der Fußball in den USA ist anders. Viel athletisch­er. Hier geht es nicht um Passspiel oder Ballbesitz, sondern man spielt und sprintet immer gleich nach vorne, macht viel im Eins gegen Eins“, sagt Rädler, die den Jahreswech­sel bei ihrer Familie in Scheidegg verbracht hat und am Sonntag wieder zurückflie­gt.

Bis zur neuen Saison ist aber noch genug Zeit, um die Spielidee des Trainers zu verinnerli­chen. Die Meistersch­aft beginnt erst im Herbst. Die Scheidegge­rin, die in der Jugend schon gegen Bayern München und Eintracht Frankfurt gespielt hat, soll dann eine wichtige Rolle übernehmen: Der Trainer hat sie als Führungssp­ielerin auserkoren. Sie soll sein verlängert­er Arm auf dem Platz sein. „Ich bin nicht nur so dabei, sondern soll Verantwort­ung übernehmen und den Mund aufmachen“, sagt sie.

Und weil auch noch die Noten stimmen (Schnitt 1,0), ist es kein Wunder, dass die Verantwort­lichen der Uni jetzt schon haben durchkling­en lassen, dass ihr zunächst auf ein Jahr befristete­s Stipendium verlängert werden soll. „Sie wollen mich auf jeden Fall behalten“, sagt die 21Jährige nicht ohne Stolz. Das Angebot wird sie deshalb wohl auch annehmen – immerhin sind Studiengeb­ühren, Unterkunft, Verpflegun­g und Ausrüstung enthalten.

Und obwohl Ruston durch seine Weitläufig­keit („Einkaufen geht nur mit dem Auto“) doch eher ländlich als städtisch ist, fühlt sich Lena Rädler in den USA ja auch wohl. „Die Mädels sind alle super nett – die sind für mich wie eine Familie“, sagt sie über ihre Teamkolleg­innen, die unter anderem aus Spanien, Schweden, Norwegen und den Niederland­en kommen. Ihr Englisch hat sie dort sowieso verbessert – und ihre Athletik auch. „Ich war vorher noch nie im Kraftraum“, verrät sie. Jetzt gehört er zum Alltag dazu. Die morgendlic­he Einheit dort beginnt um 5.45 Uhr, noch vor der ersten Vorlesung. Nachmittag­s geht es dann auf den Trainingsp­latz. Und das fast täglich. Also wie bei den Profis.

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EMERALD MCINTYRE/LOUISIANA TECH UNIVERSITY FOTO: Lena Rädler im Trikot des Fußballtea­ms der Louisiana Tech University.

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