Zwischen allen Stühlen
Das Stehaufmännchen der amerikanischen Politik liegt einmal mehr in seiner langen Karriere angezählt auf dem Boden. Niedergeschlagen von den zweitschlechtesten Popularitätswerten aller US-Präsidenten ein Jahr nach der Amtseinführung. Nur Donald Trump war zu diesem Zeitpunkt unpopulärer als Joe Biden. Es scheint, als könne es der volkstümliche „Onkel Joe“niemandem recht machen. Weder der eigenen Partei, den Demokraten, noch den nach rechts abgedrifteten Trump-Republikanern. Egal in welche Richtung sich Biden bewegt, trifft er auf Unzufriedene.
Auch im Ausland ist der Präsident entzaubert. Am Hindukusch erinnerte der US-Alleingang eher an die Amerika-zuerst-Politik seines Vorgängers. Atmosphärisch sucht er zwar den Schulterschluss mit Europa, wendet den Blick aber nach China. Nun testet Wladimir Putin Bidens Entschlossenheit an. Die Krise um die Ukraine könnte sich zum Härtetest entwickeln.
Als wäre dies nicht genug, verweigern die Republikaner jede Zusammenarbeit. Die von Biden versprochene Überparteilichkeit erweist sich als Illusion. In der gespaltenen US-Gesellschaft stößt er an die Grenzen der Verfassung, die von anderen Annahmen ausging. Dort waren keine politischen Partisanen vorgesehen, die sich in den Echokammern der Netzwerke rüsten. So werden die USA weiter unregierbar.
Umso weniger verzeihlich ist die Selbstsabotage der Demokraten, die nur hauchdünne Mehrheiten haben. Dies ist für lange Zeit vielleicht die letzte Chance, die USA zu modernisieren. Schon bei den Zwischenwahlen zum Kongress im November drohen sie, ihre Mehrheiten zu verlieren.
Abschreiben sollte den Comeback-Experten Biden aber niemand. Doch viel Zeit verbleibt ihm diesmal nicht. Er muss in diesem Jahr die Pandemie hinter sich lassen und versprochene Reformen umsetzen. Das größte Hindernis dabei bleibt seine eigene Partei, deren Flügelkämpfer die Konsequenzen eines Scheiterns Bidens bedenken sollten. Tatsächlich stünde dann in Amerika die Demokratie selbst auf dem Spiel.