Lindauer Zeitung

Zwischen allen Stühlen

- Von Thomas J. Spang politik@schwaebisc­he.de

Das Stehaufmän­nchen der amerikanis­chen Politik liegt einmal mehr in seiner langen Karriere angezählt auf dem Boden. Niedergesc­hlagen von den zweitschle­chtesten Popularitä­tswerten aller US-Präsidente­n ein Jahr nach der Amtseinfüh­rung. Nur Donald Trump war zu diesem Zeitpunkt unpopuläre­r als Joe Biden. Es scheint, als könne es der volkstümli­che „Onkel Joe“niemandem recht machen. Weder der eigenen Partei, den Demokraten, noch den nach rechts abgedrifte­ten Trump-Republikan­ern. Egal in welche Richtung sich Biden bewegt, trifft er auf Unzufriede­ne.

Auch im Ausland ist der Präsident entzaubert. Am Hindukusch erinnerte der US-Alleingang eher an die Amerika-zuerst-Politik seines Vorgängers. Atmosphäri­sch sucht er zwar den Schultersc­hluss mit Europa, wendet den Blick aber nach China. Nun testet Wladimir Putin Bidens Entschloss­enheit an. Die Krise um die Ukraine könnte sich zum Härtetest entwickeln.

Als wäre dies nicht genug, verweigern die Republikan­er jede Zusammenar­beit. Die von Biden versproche­ne Überpartei­lichkeit erweist sich als Illusion. In der gespaltene­n US-Gesellscha­ft stößt er an die Grenzen der Verfassung, die von anderen Annahmen ausging. Dort waren keine politische­n Partisanen vorgesehen, die sich in den Echokammer­n der Netzwerke rüsten. So werden die USA weiter unregierba­r.

Umso weniger verzeihlic­h ist die Selbstsabo­tage der Demokraten, die nur hauchdünne Mehrheiten haben. Dies ist für lange Zeit vielleicht die letzte Chance, die USA zu modernisie­ren. Schon bei den Zwischenwa­hlen zum Kongress im November drohen sie, ihre Mehrheiten zu verlieren.

Abschreibe­n sollte den Comeback-Experten Biden aber niemand. Doch viel Zeit verbleibt ihm diesmal nicht. Er muss in diesem Jahr die Pandemie hinter sich lassen und versproche­ne Reformen umsetzen. Das größte Hindernis dabei bleibt seine eigene Partei, deren Flügelkämp­fer die Konsequenz­en eines Scheiterns Bidens bedenken sollten. Tatsächlic­h stünde dann in Amerika die Demokratie selbst auf dem Spiel.

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