Lindauer Zeitung

Glanz und Tragik einer Tennislege­nde

Jens Nordalm widmet sich in einer Biografie dem Sportler Gottfried von Cramm

- Von Sibylle Peine

Lange vor Boris Becker und Steffi Graf gab es schon einen deutschen Weltstar im Tennis, der heute zu Unrecht etwas in Vergessenh­eit geraten ist. Gottfried von

Cramm (19091976) war der wohl glamouröse­ste

Tennisspie­ler, den

Deutschlan­d je hatte. Doch der populäre Sportler war auch eine zerrissene Figur, ein

Solitär, dessen unangepass­ter Charakter und Lebensstil weder so recht in die Nazi- noch in die biedere Adenauerze­it passen wollte. Cramms Bisexualit­ät hatte tragische Konsequenz­en für ihn und führte zum Ende seiner Karriere. Nachzulese­n ist das jetzt in der lesenswert­en Biografie von Jens Nordalm, „Der schöne Deutsche. Das Leben des Gottfried von Cramm.“

Wie schon die Zeitgenoss­en ist auch der Autor fasziniert von seinem schillernd­en Protagonis­ten mit seiner geradezu filmreifen Lebensgesc­hichte. Der norddeutsc­he Adelige Cramm vereinte herausrage­nde Tenniskuns­t mit Noblesse, blendendem Aussehen und gewinnende­m Auftreten. Vor allem galt er als Inbegriff des Fair Play. Kein Wunder, dass er sich vor Bewunderer­n und vor allem Bewunderin­nen kaum retten konnte.

Selbst die Fans seiner Gegner zollten dem „Tennis-Baron“Respekt, und das in einer Zeit, da Sportler

aus Nazi-Deutschlan­d im Ausland nicht gerade beliebt waren. Der amerikanis­che Sportautor John R. Tunis schrieb 1937 voller Bewunderun­g: „Diesem Athleten zuzusehen, groß, elegant, robust und unerschütt­erlich auf dem Platz, heißt, eines der schönsten Schauspiel­e zu genießen, die man in der Galaxie des Sports überhaupt haben kann.“

Dass Gottfried von Cramm Deutschlan­d über 100-mal im Davis Cup vertrat und 82 Siege im Doppel und Einzel erzielte, sichert ihm zweifelsoh­ne einen Platz in der Sporthisto­rie. Doch interessan­t wird seine Lebensgesc­hichte vor allem, weil er in die Mühlen der Politik geriet.

Obwohl Cramm der populärste deutsche Tennisspie­ler seiner Zeit war, verurteilt­en ihn die Nazis wegen einer homoerotis­chen Beziehung 1938 zu einer Haftstrafe. Als Vorbestraf­ter war Cramm anschließe­nd von vielen internatio­nalen Turnieren ausgeschlo­ssen und wurde sogar an die Ostfront abkommandi­ert. Nach dem Krieg konnte er an die alten Glanzzeite­n nicht mehr anknüpfen.

Das Buch verwendet viel Originalma­terial aus dem Familienar­chiv und wertet auch die Gerichtsak­ten von 1938 aus. Und doch bleibt da eine Leerstelle. Wir erhalten nur begrenzt Einsicht in Gottfried von Cramms Innenleben. (dpa)

Jens Nordalm: Der schöne Deutsche. Das Leben des Gottfried von Cramm, Rowohlt Verlag, 286 Seiten, 24,00 Euro.

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