Rentner fährt voll auf Carrera ab
Tüftler aus Kaufbeuren hat einzigartige Anlage auf seinem Dachboden aufgebaut
- „Ssssssssst.“Da ist es wieder, dieses Geräusch, bei dem Peter Rath warm ums Herz wird. „Für mich ist das wie Musik“, sagt der 68-jährige Rentner. Wenn seine Mini-Autos auf der Rennbahn im Dachboden seines Hauses mit Tempo 100 durch die Modell-Landschaft zischen, fühlt er sich an seine Kindheit erinnert. Als Jugendlicher hätte er sich aber wohl kaum eine Anlage in der Dimension seiner heutigen vorstellen können. Auf 46 Metern führt der kurvenreiche Rundkurs vorbei an Zuschauertribünen, Versorgungsständen und Fans. Auch die Auswahl an maßstabsgetreuen Rennautos, so genannten Slotcars, sucht ihresgleichen: Über 250 Fahrzeuge stehen Rath zur Verfügung. Ein Gutachter seiner Hausratsversicherung hat den Wert der gesamten Anlage kürzlich auf über 100 000 Euro geschätzt. Die Modelle reichen von Porsche über Ferrari und Lamborghini bis hin zu Safety-Car, Lieferwagen oder Feuerwehrauto. Der aktuell teuerste Wagen, ein Porsche 914/6, ist in Sammlerkreisen um die 700 Euro wert.
Wie so viele Autos hat ihn Rath selbst gebastelt und fahrtüchtig gemacht. Nur die Karosserie stand ihm anfangs zur Verfügung. Dafür sitzt er stundenlang an seiner kleinen Werkbank. Am liebsten nachts. „Da sind meine Hände am ruhigsten“, sagt der frühere Lkw-Fahrer, der viele Jahre lang vor allem nachts unterwegs war.Ideen und Material für sein ausgefallenes Hobby sammelt er bei CarreraBörsen oder im Internet. Dort macht er sich zusammen mit einem Freund auch auf die Jagd nach Abzockern. „Immer wieder versuchen Leute, alte Slotcars zu völlig überzogenen Preisen anzubieten. Die schreiben wir persönlich an und machen ihnen Druck. Meistens nehmen sie die Angebote dann wieder raus.“Rath hat schließlich einen Namen in der Szene. Er hat eine eigene Homepage und lädt Videos von seiner Rennbahn auf Youtube hoch. Technik fasziniert ihn. Nur mit einem Phänomen der heutigen Zeit kann er nichts anfangen: Computerspiele. „Ich finde es schrecklich, wenn junge Leute in ihrer Freizeit am liebsten ballern“, sagt der Vater von zwei erwachsenen Kindern.
Die Beschäftigung mit einer Carrera-Bahn sei viel besser. „Man muss kreativ und geschickt sein und improvisieren können“, preist er die Vorzüge. So hat Rath auf seiner Anlage
über 1000 Mini-LED-Leuchten verbaut. Mit ihnen kann er zum Beispiel das Blitzlichtgewitter von Fotografen und Fans auf der Tribüne simulieren. Mit 14 Jahren bekam er seine erste Carrera-Bahn.
Während seiner Lehre zum Kfz–Mechaniker baute er sie aus. Später verkaufte er sie zwar, hielt sich aber weiterhin auf dem Laufenden – bis er 2006 wieder voll einstieg. Diesmal mit einer modernen „Carrera Evolution“, an der er seither werkelt. Allerdings immer nur von November bis April. Im Frühjahr und Sommer hat Peter Rath ein anderes Hobby. Dann schraubt er an seinen beiden „Straßenkreuzern“: VW Golf II GT Spezial (Baujahr 1990) und Ford Sierra Saphire Cosworth (Baujahr 1992).
Für kommenden Winter heckt der Allgäuer Tüftler bereits einen neuen Plan aus: „Dann will ich mich mal um die alte Modelleisenbahn kümmern. Im Keller ist noch reichlich Platz.“