Mann zieht blank und landet vor Gericht
Amtsgericht Ravensburg verurteilt 39-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe
- Der Blick des 39-Jährigen liegt auf seinen Händen auf dem Tisch, die Beine hat er nach hinten über Kreuz geschlagen. Er scheint nervös zu sein, als Staatsanwältin Silke Bruder im Sitzungssaal 106 im Amtsgericht Ravensburg die Anklage verliest.
Dabei war es nicht das erste Mal, dass er wegen Exhibitionismus vor Gericht landet. Der Fall, der sich im Juni auf einem Schulhof in einer Gemeinde im östlichen Landkreis Ravensburg zugetragen hat, setzte ein ganzes Dorf in Aufruhr, wie eine Zeugin schildert. Am Ende der Verhandlung verlässt der Angeklagte den Gerichtssaal mit einer Freiheitsstrafe.
Es ist der 9. Juni 2021 gegen 20 Uhr, als Martin S. (Name von der Redaktion geändert) sich dem Hof der örtlichen Schule nähert. Er habe zwei Wodka Bull und zwei Bier getrunken, er sei „gut drauf“und mit dem Fahrrad unterwegs gewesen, berichtet er. Zur gleichen Zeit befindet sich eine Gruppe von 15 Frauen auf dem Hof und tanzt Zumba.
Martin S. fühlt sich von der Musik angezogen und entdeckt die Frauen. „Dann ist die Libido mit mir durch“, sagt er vor Gericht. Er habe sich versteckt und die Hose runtergelassen.
Die Hauptzeugin in dem Prozess tanzt mit den anderen Frauen. „Als ich mich umdrehte, sah ich einen Mann, der sich entblößt hatte und mit seinem Penis hin und her gewedelt hat. Dann hat er eine Zigarette geraucht“, schildert sie den Vorfall. Sie habe sich mit der Frauengruppe beratschlagt, wie man reagieren solle. Schließlich ist sich die Gruppe einig, dass man abwarten will.
Doch Martin S. hat den Hof nicht verlassen. Die Frauen sehen ihn wieder. „Dann hat er eindeutig onaniert“, berichtet die Zeugin. Sofort habe man die Polizei gerufen. Vor Gericht gesteht Martin S. die Tat vollumfänglich, akzeptiert das Urteil und will auch keine Rechtsmittel einlegen. Genau so habe es sich zugetragen. Er entschuldigt sich: „Es tut mir auf jeden Fall mega leid.“Und fügt hinzu: „Ich war total verblendet und dachte, das könnte man toll finden.“
Darüber lacht die 43-jährige Hauptzeugin abfällig und macht deutlich, dass das niemand toll findet. Im Gegenteil. Sie sei schockiert gewesen, habe Ekel empfunden, sich bedroht gefühlt, und noch schlimmer seien die Konsequenzen, die sie für sich gezogen hat.
Sie verlasse das Haus jetzt nur noch mit Pfefferspray und fährt ihr Kind seither nur noch mit dem Auto zur Schule. „Wenn sich jemand traut, das vor 15 Frauen zu machen, was macht der, wenn man nachts allein unterwegs ist?“, sagt sie. Der Vorfall habe im Ort schnell die Runde gemacht. Viele hätten Angst, dass ihre Kinder auch so etwas sehen könnten.
Der Angeklagte aber versichert, dass er es zu keinem Zeitpunkt auf Kinder abgesehen habe. „Bei einem Kind würde das bei mir gar nicht funktionieren“, sagt Martin S. Allerdings berichtete er, dass er einen „lockeren Umgang mit Sexualität in der Öffentlichkeit“und an ungewöhnlichen Orten pflege – zuerst mit seiner früheren Partnerin und jetzt eben allein.
Die Lust dazu sei immer dann gekommen, wenn er Alkohol getrunken oder Marihuana geraucht habe. „Ich habe einfach nicht begriffen, was das für eine Tat ist“, sagt er.
Exhibitionistische Handlungen eines Mannes sind laut Paragraf 183 des Strafgesetzbuchs mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr zu bestrafen. Das müsste Martin S. eigentlich gut wissen, denn er wurde schon zweimal genau deswegen verurteilt – zudem gibt es ein Urteil wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz.
Das Amtsgericht Frankfurt und das Amtsgericht Ravensburg verurteilten den Mann wegen exhibitionistischer Handlungen im Januar und im Februar 2021 jeweils zu Geldstrafen. Laut Urteil vom Amtsgericht Ravensburg hat er sich im Februar 2021 vor einem Geschäft auf dem Löwenplatz in Weingarten zwei Verkäuferinnen gezeigt. Im Urteil vom Amtsgericht Frankfurt ist die Rede, dass auch sexuelle Handlungen vor einem zehnjährigen
Oftmals wollen Exhibitionisten durch ihre Taten auffallen und provozieren, schreibt das Polizeipräsidium Ravensburg auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Die Scham und das Irritieren anderer Menschen oder gar die Schaffung von Intimität setze dabei einen besonderen Reiz.
Deswegen gilt Exhibitionismus in der Psychologie als Paraphilie und wird dem Kapitel der psychischen und Verhaltensstörungen zugeordnet. Norbert Ormanns von der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie in Kaufbeuren sagte der „Allgäuer Zeitung“über Exhibitionisten: „Häufig geht von ihnen keine weitere Gefahr aus.“Und: „In der Kind stattgefunden haben, das zwei Meter von ihm entfernt gewesen ist. Martin S.: „Ich hab das Kind gar nicht wahrgenommen. Es ging mir um die Mutter.“
Wegen des dritten Falls innerhalb eines Jahres wird der 39-Jährige am Mittwoch letztlich zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt – auf Bewährung. „Eine Geldstrafe kommt nicht mehr in Betracht“, so Richterin Verena Herzog.
Zudem muss er 20 Arbeitsstunden leisten und 300 Euro an den Verein „Brennessel“in Ravensburg zahlen, der unter anderem Hilfe bei Missbrauch bietet. Die Strafe fällt milder aus, weil er gestanden hat, Besserung gelobt und in einer psychiatrischen Einrichtung eine Therapie beginnen wird. Über den Fortschritt der Therapie muss er das Gericht regelmäßig unterrichten.
Exhibitionistische Handlungen gibt es regelmäßig. Zwischen 2016 und 2019 hat es im Landkreis Ravensburg jährlich zwischen 31 und 35 Fälle gegeben.
Im Pandemiejahr 2020 waren es 22 Fälle. 2019 haben sich allein in der Stadt Ravensburg 16 Exhibitionisten gezeigt. Die neuesten Zahlen des Polizeipräsidiums Ravensburg von 2020 zeigen, dass allerdings nur jeder zweite Fall aufgeklärt wird. Die Aufklärungsquote lag bei 51,7 Prozent. Der Fall von Martin S. ist aufgeklärt und er verurteilt. Als die Hauptzeugin den Gerichtssaal verlässt, sagt er noch leise: „Ciao, sorry!“Zur Urteilsverkündung ist sie schon gar nicht mehr im Raum. Richterin Verena Herzog gibt Martin S. zum Schluss noch einen Rat mit: „Arbeiten Sie an sich!“ graduellen Abstufung ist Exhibitionismus noch eine der harmloseren Taten – ohne, dass ich das herunterspielen möchte.“
Allerdings könne man einen einen Übergriff nie komplett ausschließen. Die Polizei rät betroffenen Personen: „Wir raten in jedem Fall, die Polizei zu verständigen. Meist sind die Personen keine Einzeltäter und die Tat sicherlich keine Bagatelle. Sollte ein umgehendes Rufen der Polizei nicht möglich sein, da man beispielsweise selbst belästigt wird, hilft es sehr oft, die Person direkt anzusprechen und darauf aufmerksam zu machen, dass er sich hier strafbar macht und sein Verhalten nicht toleriert wird.“(ric)