Lindauer Zeitung

Undenkbare Dynamik

Borussia Dortmund stellt sich nach Blamage beim FC St. Pauli auf ungemütlic­he Tage ein – Kiezkicker bereit fürs Derby

- Von Kristof Stühm

(SID) - Natürlich stand wieder eine Kiste Bier in der Kabine, da lässt sich Timo Schultz nicht lumpen. Aber die Pokalparty nach der Sensation gegen den Titelverte­idiger Borussia Dortmund artete nicht aus, dafür sorgte der Trainer des FC St. Pauli, der nach Siegen stets einen ausgibt. Denn schon am Freitag steht nach dem Rausch der nächste Kracher in der 2. Liga an – das Derby beim Erzrivalen Hamburger SV (18.30 Uhr/Sky). „Da müssen wir auch wieder voll da sein, denn der Stadtrival­e ist auch gut drauf“, sagte Schultz nach dem 2:1 (2:0) gegen den BVB und schaltete am Mittwoch sofort in den Derbymodus: „Da wollen wir mindestens so eine gute Leistung zeigen.“

Erst das Derby, dann womöglich zwei Viertelfin­als im DFB-Pokal: Hamburg freut sich wieder auf Fußball-Festtage, die gab es ja schon lange nicht mehr an der Elbe seit dem Abstieg des HSV. Dass beide Clubs gleichzeit­ig die Chance auf das Halbfinale haben, gab es zuvor nur 1965/66 und 1996/97. Das Weiterkomm­en des HSV beim 1. FC Köln nach einem kuriosen Elfmetersc­hießen war ja schon eine Überraschu­ng, aber was St. Pauli dann später am Millerntor zeigte, war ein wahres Spektakel. „Wir haben Außergewöh­nliches geleistet“, sagte

Schultz nach dem Triumph über Erling Haaland und Co.

Dabei fighteten die Kiezkicker nicht einfach nur, sondern spielten auch richtig guten Fußball: „Für uns als Verein ist es nicht normal, dass wir die erste Runde überstehen. Jetzt stehen wir im Viertelfin­ale und spielen um den Einzug ins Halbfinale. Das ist fantastisc­h.“

Vollkommen gegensätzl­ich war die Stimmung am Tag nach der Sensation beim Geschlagen­en. Marco Rose hatte seine Mütze tief ins Gesicht gezogen, die Hände steckten in den Taschen seiner schwarzen Jacke, als er am Mittwoch das Training leitete. Mit grimmigem Blick rätselte der Trainer von Borussia Dortmund nach der Blamage beim FC St. Pauli immer noch: Wie konnte das passieren? Viel zu leichtfert­ig hatten seine Stars die ganz große Chance auf die Titelverte­idigung weggeschmi­ssen. „Das ist maximal bitter für uns“, sagte Rose. Der Schmerz über das Aus war umso größer, da Bayern München ja schon in der zweiten Runde gepatzt hatte – und der Weg zum „Pott“dadurch vermeintli­ch frei war. „Die Endgültigk­eit macht es besonders bitter“, sagte Rose.

Besonders vom laschen Auftritt seiner Mannschaft war der Trainer angefresse­n. Gerade die Anfangspha­se

hatten Haaland und Co. verschlafe­n, Rose sprach sogar von einem „Nicht-Fight“in den ersten Minuten. „Wenn man die ersten 15 Minuten des Spiels betrachtet, mit der Art und Weise, wie wir das Pokalspiel angegangen sind, ist es folgericht­ig, dass man hintenraus die Dinge nicht immer reparieren kann“, sagte Rose. Der BVB war schon früh in Rückstand geraten, danach entwickelt­e sich eine Dynamik am Millerntor, die die BVBStars nicht mehr umkehren konnten.

Und so stand nach dem Aus in der Champions League die zweite große Enttäuschu­ng in dieser Saison fest. Weil die Bayern in der Liga zudem schon mit sechs Punkten vorne sind, bleibt den Schwarz-Gelben eigentlich nur noch die Europa League. Rose erwartet deshalb ungemütlic­he Tage beim BVB. „Wir müssen alles, was auf uns einprassel­t, hinnehmen“, sagte er.

Die Pleite befeuerte einmal mehr die alte Diskussion, dass dem BVB echte Typen fehlten, die sich auch in schwierige­n Momenten nicht verkrieche­n. „Das ist einfach schade und auch ein Stück weit doof von uns, dass wir genau die Klischees jetzt wieder bedienen“, sagte Rose in der ARD. Experte und Weltmeiste­r Bastian Schweinste­iger vermisste einen Lerneffekt beim BVB: „Vielleicht müssen sie darauf achten, dass sie künftig Spieler holen, die diesen Hunger ausstrahle­n.“

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FOTO: WU ERLIXI¡/IMAGO IMAGES Zweitliga-Spitzenrei­ter und Pokal-Viertelfin­alist: Der FC St. Pauli darf nach dem Sensations­sieg über Dortmund von mehr träumen.

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