Nur positive Kinder müssen in Quarantäne
Wegen Überlastung ist keine Kontaktnachverfolgung mehr möglich – Eltern in Sorge
- Mehr als 200 gemeldete Neuinfektionen an einem Tag: Die Corona-Zahlen im Landkreis Lindau explodieren förmlich. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitsamt kommen nicht mehr hinterher. Aus diesem Grund werden an den Lindauer Schulen nur noch nachgewiesen infizierte Kinder in Quarantäne geschickt. Alle anderen, also auch enge Kontaktpersonen, kommen weiter zum Unterricht. Das macht Eltern Sorgen.
Wie angespannt die Situation ist, zeigt das Beispiel einer Schule aus dem Landkreis: „Ein Kind nach dem anderen wird positiv“, schreibt eine Mutter. In einer Klasse seien gerade einmal noch drei Kinder gesund, der Rest habe sich bereits mit dem Coronavirus infiziert. Trotzdem würden auch Kinder, die Kontakt zu infizierten Klassenkameraden hatten, weiter in die Schule kommen. Denn das Landratsamt verhänge für diese Kinder keine Quarantäne mehr. „Hier rennen Kinder rum, die wahrscheinlich positiv sind, weil die Schnelltests nicht anschlagen“, so die Frau.
Auf Nachfrage der Lindauer Zeitung bestätigt Landratsamtssprecherin Sibylle Ehreiser: „Ja, vorerst können nur noch tatsächlich infizierte Kinder und deren Familien kontaktiert und gegebenenfalls in Quarantäne geschickt werden.“
Als Grund nennt sie Kapazitätsmangel. „Bei einem Infektionsfall in einer Klasse wurde bisher bei jedem Fall der Impfstatus, die Dauer und die Nähe des Kontakts, die Lüftungssituation etc. geprüft“, schreibt Ehreiser. „Dies ist rechtlich Voraussetzung für eine angeordnete Quarantäne und momentan aufgrund der hohen Fallzahlen vorerst leider nicht mehr leistbar.“
So brauche ein „erfahrener Kontaktermittler“für einen Fall in einer Schulklasse mehrere Stunden, bis alle Informationen sicher verarbeitet sind, „selbst bei optimaler Zusammenarbeit mit der jeweiligen Schule/KiTa“, schreibt Ehreiser.
Allein am Donnerstag habe das Landratsamt bereits wieder mehr als 130 neue Corona-Fälle registriert, mehr als jeder dritte Infizierte sei jünger als 18 Jahre. Das Verfolgen der Kontakte all dieser Fälle sei schlicht unmöglich. Bei diesem Infektionsgeschehen hätte die Quarantäne von Kontaktpersonen außerdem zur Folge, dass „an den Schulen kaum mehr Unterricht möglich wäre, da ständig Teile der Klassen in Quarantäne wären“.
Die betroffenen Kinder, Familien und Lehrer erhielten jetzt über die Schulleitung TANs für einen PCRTest im Testzentrum. Dasselbe Vorgehen gelte auch für die Kindertageseinrichtungen. „Dies ist aktuell auch das generelle Vorgehen bei der Kontaktnachverfolgung außerhalb von Schulen und Einrichtungen“, schreibt Ehreiser. „Auch hier können aktuell nur die betroffene Person und die Familienangehörigen kontaktiert werden.“
Noch Anfang der Woche hatte das Landratsamt vermeldet, es gebe keine Cluster an Schulen und Kindertageseinrichtungen. Wie viele Klassen oder Kindergartengruppen derzeit betroffen sind, beantwortet das Landratsamt auf Nachfrage am Mittwoch und Donnerstag nicht. „Aktuell ist die Lage so dynamisch wie noch nie zuvor, laufend kommen neue positive Fälle hinzu“, schreibt Sibylle Ehreiser und verweist auf den Corona-Wochenrückblick, den das Landratsamt am Freitag veröffentlicht.
Grundsätzlich laufen die Testungen an den Lindauer Schulen wie folgt ab: An den weiterführenden Schulen machen die Schüler Schnelltests, in der Regel dreimal pro Woche. Wenn es in der Klasse einen positiven Fall oder nachgewiesen infizierte Kinder gibt, kann auch täglich getestet werden. An den Grundschulen werden so genannte PCR-Pooltests durchgeführt. Sprich: Aus den Speichelproben aller Kinder wird ein PCR-Test gemacht. „Ist ein PoolTest positiv, prüft das Labor die mitübersandten Einzelproben der
Schüler“, erklärt Ehreiser. Das Landratsamt selbst erhalte erst dann offiziell Meldung über die Labore, wenn positive Einzeltestungen vorliegen.
Aus diesem Grund könne das Landratsamt auf Nachfrage auch nicht sagen, wie viele Einzelergebnisse aus positiven Pooltestungen derzeit ausstehen. „Die Testungen an den Schulen laufen separat über eine eigene Software, die die Schulen einsetzen“, schreibt Ehreiser. „Wir selbst haben darauf keinen Zugriff.“
In den Kindertageseinrichtungen werden wie an den weiterführenden
Schulen mindestens dreimal pro Woche Schnelltests gemacht, die die Eltern mit ihren Kindern auch zu Hause machen können. Die Stadt Lindau hat in ihren Einrichtungen allerdings schon vor einiger Zeit eine strengere Testnachweispflicht eingeführt: Eltern müssen die Tests vor Ort im Kindergarten unter Aufsicht des Personals machen.
In einer Pressemitteilung ruft das Landratsamt am Donnerstag noch einmal zur Impfung auf. Derzeit sei in den Impfzentren in Lindau und Lindenberg genügend Impfstoff von Moderna
und Biontech/Pfizer vorhanden. „Auch wenn sich momentan viele Menschen trotz Impfung mit der Omikron-Variante infizieren, so gilt die Impfung als der wichtigste Schutz vor einem schweren Infektionsverlauf“, wird Landrat Elmar Stegmann zitiert. „Sie leistet laut Experten darüber hinaus einen wichtigen Beitrag, um irgendwann von einer pandemischen in eine endemische Lage zu kommen.“Bisher wurden im Landkreis laut Landratsamt etwa 56 000 Zweit- und etwa 35 000 Booster-Impfungen durchgeführt.
Für eine Impfung von Kindern zwischen fünf und elf Jahren können Eltern ausschließlich über die Impf-Hotline 0800 /
911 82 19 einen Termin vereinbaren, freie Termine sind ausreichend vorhanden. Für Kinder ab zwölf Jahren und für Erwachsene gibt es momentan wieder viele Sonderimpfaktionen ohne Anmeldung, wie beispielsweise am Samstag von 13 bis 18 Uhr sowohl im Impfzentrum in Lindau als auch in Lindenberg.
Alle Informationen gibt es auf der Internetseite des Landratsamtes unter www.landkreis-lindau.de/ Coronavirus/Impfungen