Schwere Zeiten für die Barkultur
Barbetreiber haben wegen der Corona-Regeln zu kämpfen – Das Coco Loco bleibt zu
- Die Lindauer Insel ist zurzeit schon tagsüber wie ausgestorben. Aber gerade am Abend ähnelt sie einer Geisterstadt. Die Coronapandemie bringt die Menschen dazu, zu Hause zu bleiben. Für Barbesitzer wie Carmona Patricea bedroht diese Entwicklung allerdings die Existenz.
Carmona Patricea ist Gastronomin aus Überzeugung. Mehrere Bars in Lindau haben ihr gehört. Unter anderem auch das Coco Loco in der Ludwigstraße 42. Das hat allerdings schon seit einem Jahr geschlossen. Die Cocktailbar hatte von 21 Uhr bis 2 Uhr nachts geöffnet – undenkbar mit den aktuellen Corona-Beschränkungen.
In Bayern gilt momentan eine Ausschanksperre zwischen 22 und 5 Uhr. Gastronomiebetriebe dürfen also nach 22 Uhr nicht mehr geöffnet haben. Das geht bei einer Cocktailbar wie dem Coco Loco einfach nicht. Bereits nach dem ersten Coronajahr hatte die Inhaberin die Reißleine gezogen und das Coco Loco geschlossen. „Nach dem ersten Lockdown konnte ich die Kosten nicht mehr tragen“, sagt Carmona Patricea.
Die reduzierten Öffnungszeiten passen nicht zur Barkultur. „Wer geht am Tag in eine Cocktailbar?“, fragt Patricea. „So geht es nicht mehr. Die Barbetriebe sind am Absterben.“In Lindau habe es schon immer verhältnismäßig wenige Bars gegeben. „Aber es hatte sich verteilt.“Je nach Geschmack habe es für Jüngere und Ältere Möglichkeiten gegeben. Jetzt werde den Menschen abgewöhnt, rauszugehen. Viele Bars gibt es in Lindau inzwischen nicht mehr.
Mike’s Irish Pub ist noch geöffnet. Der Inhaber Michael Franz hat aber auch zwischen 50 und 60 Prozent Einbußen. Grundsätzlich finde er es gut und wichtig, dass es Regeln gebe und er verstehe auch, dass zu späterer Stunde und bei mehr Alkoholkonsum die Infektionsgefahr steigen könne. „Aber es ist schon schwierig, wenn man die Gäste um 22 Uhr rausschmeißen muss“, sagt er. Er habe schon überlegt, drei Wochen zuzumachen. „Aber irgendwie muss es ja weitergehen.“Bars wie der Scotch Club oder die Mojito Bar mussten schon länger schließen, weil sie keine Speisen anbieten.
Vor drei Jahren hatte Carmona Patricea immerhin vier Gastronomiebetriebe. Das Eiscafé Dolce Vita in Reutin, die Stift Bar und ihre beiden Cocktailbars auf der Insel: Coco Loco und Treibgut. Übrig geblieben von all dem ist die Taverne Treibgut. „Ich konnte einmal sieben Angestellte beschäftigen, jetzt gar niemanden mehr“, erzählt die Wirtin. Ihr fehle auch das Personal.
„Die Gastronomie war immer attraktiv wegen des Trinkgelds“, erklärt Patricea. Denn damit habe man an einem Tag bis zu 300 Euro zusätzlich verdienen können. Während der Pandemie hätten sich nun aber viele einen anderen Job gesucht. Die Schließungen haben das Arbeiten in der Gastronomie komplizierter gemacht. Auch das „Großstadt“hat aktuell einige Tage geschlossen. Der Grund: Personalengpässe. Die Tapasbar Casita Rosita hat seit Mitte Dezember geschlossen und sucht nach einem Lokal in besserer Lage.
Das Coco Loco hätte Carmona Patricea schon gerne weiter betrieben. „Darum schmerzt es mich am meisten“, sagt sie. Denn um auf der Straße
Tische aufstellen zu dürfen und den Hinterhof nutzen zu können, hatte sie einige Zeit und Geld investiert. Doch finanziell sei es nicht mehr zu stemmen gewesen. Das Gebäude in der Ludwigstraße, an dem nur noch der Schriftzug über der Eingangstür an das Coco Loco erinnert, soll verkauft werden. Das sei aber schon länger geplant gewesen und hätte nicht das Aus für die Bar bedeuten müssen, erklärt Patricea.
Für ihre Bar Treibgut hat sie dagegen große Pläne. Momentan ist auch die Taverne geschlossen. Nachdem im November die Regelung kam, dass Gastrobetriebe nur noch bis 22 Uhr geöffnet sein dürfen, habe sie es noch drei Wochen lang mit kürzeren Öffnungszeiten versucht. „Aber nach drei Wochen ohne Umsätze und nur Kosten habe ich auch das Treibgut geschlossen.“Voraussichtlich im März wird die Bar aber mit neuem Konzept wieder öffnen.
Im Moment ist die Bar eine reine Baustelle. Die Dachbalken werden freigelegt, eine alte Wand wird restauriert und ein Pizzaofen wird so eingebaut, dass die Gäste beim Pizzabacken zusehen können. Denn aus dem Treibgut soll eine Pizzabar werden. Tagsüber werde es dann ab 12 Uhr Pizza geben und abends einen typisch italienischen Mix aus Essen und Trinken geben, bis nachts um zwei Uhr. Vorausgesetzt, die Regelungen lassen das dann wieder zu.
Dass sie jetzt so voller Tatendrang ein neues Konzept versucht, sei auch dem geschuldet, dass sie psychisch mit der aktuellen Situation zu kämpfen habe. „Wir in der Gastronomie sind Arbeitstiere“, sagt Carmona Patricea. „Wir können 15 Stunden durcharbeiten. Aber der psychische Druck, nicht arbeiten zu dürfen, da resigniert man irgendwann.“Ihr fehle auch der Kontakt zu den Menschen. „So wird man depressiv“, sagt sie.
Mit dem Umbau bleibe auch ihre Hoffnung, dass es irgendwann wieder besser wird. „Aber es wird dauern, bis die Kneipenkultur wieder Normalität werden kann.“Sie habe extra in Desinfektionsspender und eine Aerosolmaschine investiert. Momentan lebe sie nur von Ersparnissen, doch ewig gehe das nicht. Aufgeben ist für sie vorerst noch keine Option. „Ich kämpfe weiter, solange es geht.“