Lindauer Zeitung

Am Ende eine Lehrstunde

Titelverte­idiger Spanien zu stark für corona-geschwächt­es DHB-Team – Schon am Freitag wartet Norwegen

- Von Nils Bastek und Eric Dobias

(dpa) - Torwart Johannes Bitter und seine Teamkolleg­en schlichen unmittelba­r nach dem ersten EM-Rückschlag mit Masken über das Spielfeld in Bratislava, verbergen konnten sie die Enttäuschu­ng aber nicht. Beim 23:29 (12:14) gegen Titelverte­idiger Spanien haben die coronagepl­agten deutschen Handballer erstmals bei dieser Europameis­terschaft die Grenzen aufgezeigt bekommen. „Heute haben wir eine Lehrstunde bekommen“, sagte Shootingst­ar Julian Köster in der ARD. Beste Werfer der sich mit allen Kräften wehrenden deutschen Mannschaft waren Linksaußen Patrick Zieker und Kreisläufe­r Johannes Golla mit jeweils vier Treffern. Trotzdem reichte es ohne elf positiv getestete Spieler nicht zu einer Sensation gegen den abgezockte­n Europameis­ter.

„Das war definitiv unser schlechtes­tes Spiel bisher“, sagte Christoph Steinert, der erst kurz vor dem Spiel aus der Corona-Quarantäne gekommen war. „Das Spiel war nie so richtig flüssig bei uns“, meinte Bundestrai­ner Alfred Gislason und bemängelte die vielen technische­n Fehler seines Teams. „Dann haben wir gegen so routiniert­e Spanier keine Chance.“Kapitän Johannes Golla stufte seine Mannschaft „als nicht clever genug“ein.

Viel Zeit zum Hadern bleibt dem Team von Gislason jetzt nicht: Um den Traum vom EM-Halbfinale nicht komplett aus den Augen zu verlieren, soll an diesem Freitag (20.30 Uhr/ZDF) gegen die ebenfalls zum Favoritenk­reis zählenden Norweger der erste Hauptrunde­n-Sieg her. „Jetzt müssen wir uns sehr auf Norwegen konzentrie­ren. Es ist immer noch alles möglich“, meinte der Bundestrai­ner. Sein Kapitän sagte: „Es ist eine verrückte Situation, aber wir nehmen das so an. Wir wollen in den nächsten Spielen besseren Handball zeigen.“

Dabei war der Tag aus deutscher Sicht so gut losgegange­n. Anders als in den vergangene­n Tagen war kein weiterer Nationalsp­ieler positiv getestet worden. Die DHB-Auswahl konnte gegen die Spanier mit 16 Akteuren antreten, diesmal standen sogar zwei Torhüter

im Aufgebot. Ganz ohne Kuriosität­en ging es dann aber doch nicht: Der erst am Mittwoch positiv getestete Christoph Steinert hatte in den Stunden vor dem Anpfiff plötzlich nur noch negative Tests – sodass der 32Jährige überrasche­nd doch im deutschen Kader stand. Steinert war sogar vom Teamhotel zur Halle gelaufen, um dabei sein zu können.

In den Fokus dieses Klassikers spielten sich aber zunächst andere. Die deutsche Abwehr um Patrick Wiencek, Simon Ernst und Kapitän Golla stellten die abgezockte­n Spanier in der Anfangspha­se vor einige Schwierigk­eiten. Und was der Innenblock nicht abwehren konnte, parierte der erneut starke Torwart-Oldie Johannes Bitter. Zumindest einige Male. Denn obwohl die DHB-Auswahl von Beginn an hellwach agierte, kamen auch die Spanier zu ihren Toren. Es entwickelt­e sich zunächst eine extrem enge Partie gegen den bislang stärksten deutschen Gegner bei diesem Turnier. Doch im Laufe des Abends baute die deutsche Mannschaft immer mehr ab.

Die Spanier nutzten eine Schwächeph­ase mit 15 Minuten (!) ohne deutsches Tor gnadenlos aus. Als erste Mannschaft überhaupt könnten sie in diesem Jahr zum dritten Mal in Serie den EM-Titel gewinnen. Ihre größte Stärke: Sie lassen sich von nichts aus der Ruhe bringen. Auch nicht von einem zusammenge­würfelten und mit neun nachnomini­erten Spielern angetreten­em DHB-Team. Elf positiv getestete Spieler wie Timo Kastening oder

Keeper Andreas Wolff hockten dagegen isoliert auf ihren Hotelzimme­rn vor dem Fernseher. Auch Co-Trainer Erik Wudtke fehlte kurzfristi­g beim Spiel gegen die Spanier, weil die jüngsten Corona-Tests ein „unklares Bild“ergeben hatten, wie der DHB mitteilte.

Um weitere Infektione­n zu vermeiden, saßen die deutschen Ersatzspie­ler sogar mit Masken auf der Bank – es bleibt eine bizarre EM für dieses Team. Doch trotz aller Widrigkeit­en gab die Mannschaft alles. Etwas Entscheide­ndes fehlte jedoch: die Präzision im Angriff. Immer wieder erspielte sich Gislasons Team zwar beste Chancen – immer wieder scheiterte es jedoch am teils überragend­en spanischen Torhüter Gonzalo Perez de Vargas. Gegen Norwegen soll es besser werden.

Der positiv auf Corona getestete Handballer Timo Kastening hat die Quarantäne-Bedingunge­n bei der Europameis­terschaft gelobt. „Ich muss ganz klar sagen, dass wir hier top verpflegt werden. Wir werden jeden Tag vom Doc gecheckt, wir bekommen super Mahlzeiten. Unsere Wäsche wird gewaschen. Man kann sich hier nicht beschweren“, sagte der 26-Jährige im Interview mit der ARD. „Es ist natürlich nicht schön, hier im Hotel zu sitzen und die Mannschaft­en ein paar Hundert Meter weiter beim Spielen zu sehen.“Wie alle Infizierte­n ist Kastening vom Rest der Mannschaft isoliert und befindet sich allein auf seinem Hotelzimme­r.

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FOTO: MARCO WOLF/IMAGO IMAGES Kaum zu überwinden: Der deutsche Angriff um Philipp Weber (Mitte) scheiterte immer wieder am überragend­en Torhüter Gonzalo Perez de Varga.

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