Den Außenski wieder spüren
Abfahrer Andreas Sander will sich auf der Streif rechtzeitig zu Olympia aus dem Tief arbeiten
(SID) - Andreas Sander ging am Fuße der Streif sofort in die Analyse. „Das ist immer wichtig“, sagte er über seinen schnellen Blick auf den Computer mit den Minuten und Sekunden, „weil ich meist nicht dasselbe spüre, was die Zeit sagt.“Dass Skirennläufer ihr Gefühl trügt, ist nichts Ungewöhnliches, zu anfällig ist dieses feine System aus Schuh, Ski und Schnee. Bei Andreas Sander aber liegt aktuell etwas Grundsätzliches im Argen.
Nur zweieinhalb Wochen vor den Olympiarennen in Peking steckt der Weltmeisterschaftszweite im Formtief. Die Wende soll ausgerechnet in Kitzbühel gelingen, bei der Generalprobe für die Spiele, auf der brutalsten Skipiste der Welt. „War okay“, sagte Sander nach dem zweiten Training auf wegen Schneefalls verkürzter Strecke und Rang 18 am Donnerstag. „Ich habe den nächsten Schritt gemacht.“
Das scheint dringend erforderlich. Der 32-Jährige fuhr in diesem Winter erst zweimal in die Top Ten im Super-G. In der Königsdisziplin, in der er vor einem Jahr sensationell WM-Silber gewonnen hatte, reichte es bei fünf Starts nur einmal für die Top 15. Auf die zweite Abfahrt zuletzt in Wengen verzichtete Sander nach dem indiskutablen 41. Rang im ersten
Rennen am Lauberhorn sogar – und ging lieber trainieren.
Bei der Suche nach den Gründen für die Formschwäche landet Alpinchef Wolfgang Maier bei Sanders Silbercoup. „Man kann auch manchmal an den Erwartungen scheitern“, sagte er. Andreas Sander sei „ein sehr, sehr sensibler Rennfahrer, der sich
Auf den ersten Blick sieht alles aus wie immer: Zu Füßen der Streif erhebt sich wie zu besten Spektakelzeiten eine mächtige Stahlrohrtribüne. Doch wenn sich die Abfahrtshelden bei den Hahnenkamm-Rennen mit bis zu 140 Stundenkilometern über den Zielsprung stürzen, wird sie wohl spärlicher Applaus empfangen. Auf besagter Tribüne dürfen in Zeiten der Pandemie nur 1000 handverlesene Zuschauer sitzen – geimpft oder genesen, nur mit negativem PCR-Test. Sponsoren, Offizielle, Stammgäste – aber kein Schwarzenegger, kein Schweinsteiger. Die Stars machen diesmal einen großen Bogen um Österreichs SkiHerz. Kein Wunder bei einer SiebenTage-Inzidenz von weit über 3000.
Überall herrscht Maskenpflicht. Die Polizei hat angekündigt, im Rahmen sehr viele Gedanken über viele Dinge macht“. Nach der starken WMSaison mit sieben Top-Ten-Fahrten im Weltcup habe sich der Westfale „mit einem sehr hohen Erwartungsdruck in die Olympiasaison hineinbewegt“. Als die Ergebnisse ausblieben, habe er „das ganze System in Frage gestellt“. einer „Aktion scharf“bei den Rennen dauerpräsent zu sein – Partys unerwünscht. Und das in Kitz! Oder, wie die „Tiroler Tageszeitung“seufzend feststellt: Kitzbühel sei
„schwer verkatert“. Nur ganz anders als früher. In Wahrheit, schrieb das Blatt über das „stille Fest für Ski-Puristen“, sei es ja ohnehin „nicht zu verantworten“, dass überhaupt Zuschauer zugelassen sind: „Das Signal ist ein verheerendes, gerade mit der fehlerbehafteten Vergangenheit am Beginn der Pandemie mit Ischgl.“
Die Macher sehen das naturgemäß anders. „Tradition verpflichtet!“, steht auf Seite eins des Rennmagazins. Noch bis 1. Dezember hatte der Kitzbüheler Ski Club für die beiden Abfahrten und den Slalom mit
25 000 Fans am Tag geplant, dann mit 4000. Jetzt mit 1000 ... (SID)
Andreas Sander diskutiert das Thema „Druck“nicht weg, verweist aber auf „kleine technische Fehler, die sich eingeschlichen haben und nicht zu beheben waren“. Deshalb habe er sich nach seiner schlechtesten Abfahrt seit mehr als zwei Jahren in Wengen gesagt: „Wir gehen raus!“Ab zum Training, „zurück zu den Basics“. Sein Ziel: „Den Außenski wieder unter mir spüren“, das Gefühl finden.
Vom Deutschen Skiverband bekam Andreas Sander dabei alle Unterstützung. „Wir verstehen das, wenn es mal nicht gleich das Podium ist“, sagt Wolfgang Maier, „diese Wellen sind ganz normal.“Hat das zusätzliche Training was gebracht? Ja, glaubt Sander, „ich fühle es, das war der richtige Schritt. Ich bin happy.“Aber die Wahrheit liegt auf der Streif – diesem gnadenlosen Richter über Karrieren –, in den beiden Rennen am Freitag (11.30 Uhr) und Sonntag (13.30 Uhr/jeweils ARD und Eurosport).
„Wir wissen, was zu tun ist“, behauptet Andreas Sander und fügt beinahe beschwörend hinzu: „Ich bin auf dem richtigen Weg, ganz sicher.“Und wenn nicht? Dann, sagt Wolfgang Maier, habe Sander wenigstens „keinen Erwartungsdruck für Peking“mehr. „Es gibt ja nichts Schlechtes“, ergänzt er – und lacht –, „was nicht auch einen Vorteil hat.“