Triumph im dritten Anlauf
Friedrich Merz zeigt sich als neuer CDU-Vorsitzender bewegt und kämpferisch
- Diesen ●Gesichtsausdruck kennt die Öffentlichkeit so nicht. Friedrich Merz ringt sekundenlang um Fassung, als sein Wahlergebnis beim 34. CDU-Parteitag am Samstag in Berlin verkündet wird: 94,62 Prozent der Delegierten haben für ihn gestimmt. Das ist ein sehr viel besseres Ergebnis, als er erhofft hatte. Er sei „tief bewegt und beeindruckt“, sagt Merz, bevor er sich wieder gefangen hat.
Auf rauschenden Beifall muss der neue Chef an der Spitze der CDU allerdings verzichten. Auch bei diesem Parteitag sitzen die Delegierten zu Hause an ihren Rechnern, während sie über eine neue Führung abstimmen. Fast auf den Tag genau vor einem Jahr war in einem ähnlichen Verfahren Armin Laschet zum Vorsitzenden gewählt worden – allerdings ohne vorherige Mitgliederbefragung. Der glücklose Unionskanzlerkandidat ist der Erste, der seinem Nachfolger und früheren Konkurrenten gratuliert.
94,62 Prozent. Das ist nicht nur ein Top-Ergebnis für den neuen Parteivorsitzenden. Es ist auch ein Zeichen, wie groß die Erwartungen an ihn sind. Merz soll die Bundes-CDU in der Opposition wieder so auf Vordermann bringen, dass sie nach der nächsten Bundestagswahl wieder am Regierungstisch sitzen kann. Davon ist die Union derzeit weit entfernt, das weiß der 66-jährige Sauerländer, das wissen auch alle anderen. Doch zumindest an diesem Tag sollen die Delegierten glauben, dass der Aufbruch in eine neue Zeit der Geschlossenheit begonnen hat.
Merz gibt sich in seiner Antrittsrede entsprechend kämpferisch. Er attackiert Bundeskanzler Olaf Scholz, weil er zwar Führung versprochen habe, aber in den aktuellen Konflikten nicht liefere. „Die ganze Welt sorgt sich um Frieden in Europa. Doch Sie waren weder in Moskau noch in Washington“, spricht er den SPD-Kanzler direkt an. Seiner eigenen Partei macht Merz klar, dass die Rückkehr zur Macht kein Spaziergang wird. Die Zeit in der Opposition könne lang werden, wenn die CDU sich weiter im Streit aufreibe, wenn es ihr nicht gelänge, Themen zu besetzen und sich von den anderen Parteien abzugrenzen, warnt er.
Bis in zwei Jahren soll das neue Grundsatzprogramm der CDU fertig sein. Damit soll festgezurrt werden, wofür die CDU steht. Auffällig ist, wie sehr neuerdings das Soziale und die soziale Gerechtigkeit betont werden, auch von Wirtschaftsexperten wie Merz und dem bisherigen Vorsitzenden
der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Carsten Linnemann, der zum Bundesvize gewählt wird.
Fast die ganze Führungsspitze der CDU wird ausgetauscht. Neben Linnemann rücken der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer, Andreas Jung, klima- und energiepolitischer Sprecher der Unionsfraktion, und Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien neu in den Kreis der stellvertretenden Vorsitzenden auf. Nur die niedersächsische Bundestagsabgeordneten Silvia Breher war bereits Vize und wird wiedergewählt. Neu im Amt ist auch Generalsekretär Mario Czaja, der in Berlin Marzahn-Hellersdorf das Direktmandat geholt hat.
Dass hinter der Partei ein verheerendes Jahr 2021 liegt, sollen unzählige Dankesäußerungen vergessen machen. Es gibt sogar Geschenke für Laschet und den bisherigen Generalsekretär Paul Ziemiak. Dabei hatte Merz wenige Tage zuvor seine eigene Partei hart kritisiert. Die Vorbereitung der CDU auf die Bundestagswahl im September sei „hart am Rande des Selbstmords“gewesen, wurde er in der „Süddeutschen Zeitung“zitiert.
Die andauernde Fehde mit der Schwesterpartei im Süden war ein Teil des Desasters. CSU-Chef Markus Söder, der via Video eine Grußbotschaft sendet, gibt sich reuig und gelobt Besserung. 2021 habe es Verletzungen gegeben. „Die müssen heilen, um in Zukunft wieder erfolgreich zu sein“, sagt der bayerische Ministerpräsident. „Das tut uns leid, und das tut mir leid.“Wenn gewünscht, biete er der CDU die Zusammenarbeit an. Das klingt so, als habe das Treffen mit Merz Anfang des Jahres in Oberbayern Spuren hinterlassen. Vielleicht sind es aber auch die Landtagswahlen in Bayern im kommenden Jahr, die Söder kleinlaut wirken lassen.
Auch ein anderer potenzieller Konfliktfall meldet sich via Grußbotschaft: Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus, der diesen Posten über den April hinaus behalten will. Aber es ist klar, dass auch der neue Parteichef Ambitionen auf dieses Amt hat. Brinkhaus zieht eine Grenzlinie, indem er das Verbindende betont: Die Fraktion sei neu aufgestellt, jetzt stelle sich die CDU neu auf, gemeinsames Ziel sei es zu zeigen, „dass wir die besseren Ideen haben“.
Es war erwartet worden, dass es für die Vorsitzende der Frauen-Union, Annette WidmannMauz, eng werden könnte. Doch das Ergebnis der Wahlen zum Parteipräsidium war dann doch sehr deutlich. Auf die CDUPolitikerin aus Tübingen entfielen nur 434 von 955 abgegebenen Stimmen (45,45 Prozent). Erforderlich wären 478 Stimmen gewesen. Damit scheiterte die 55-Jährige mit ihrer Bewerbung für das CDU-Führungsgremium.
Anders hingegen Ronja Kemmer (Foto: Imago Images). Die 32Jährige kam auf 669 Stimmen (70,05 Prozent) und gehört somit künftig dem Parteipräsidium an. „Das ist ein riesengroßer Vertrauensbeweis, nun in der Herzkammer unserer Partei entscheidend mitwirken zu dürfen“, sagte die Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Ulm der „Schwäbischen Zeitung“. Sie verstehe ihre Wahl als Auftrag, im Präsidium „für zeitgemäße Inhalte und für moderne Kommunikationsweise“in der CDU einzustehen. Dass Widmann-Mauz den Wiedereinzug ins Präsidium verpasst hat, bedauert Kemmer. Es sei sehr schade, dass es nicht für alle Baden-Württemberger gereicht hat, so die CDU-Politikerin.
Vor der Wahl hatte WidmannMauz in einem Interview mit dem Sender Phoenix die Hoffnung auf kluge Entscheidungen der Delegierten geäußert, auch im Hinblick auf die regionale Ausgewogenheit. Die badenwürttembergische Politikerin setzt sich für eine Frauenquote in der CDU ein.
Auf das zweitschlechteste Ergebnis bei der Präsidiumswahl kam der frühere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, er erhielt 557 Stimmen (60,21 Prozent). Für die sieben Plätze hatten sich acht Kandidaten beworben. Das beste Ergebnis erzielte der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann mit 799 von 955 abgegebenen Stimmen (83,6 Prozent). (clak)