Über 130 Tote nach IS-Überfall auf Gefängnis in Syrien
Terrrormiliz will Häftlinge befreien – USA unterstützt die kurdischen Bewacher aus der Luft
- Nach dem heftigen Angriff der Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) auf ein Gefängnis in der syrischen Stadt Al-Hassaka dauern die Gefechte an. Dabei wurden mehr als 130 Menschen getötet, darunter 77 Dschihadisten und mehrere Zivilisten, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Sonntag mitteilte. Die von Kurden angeführten Truppen versuchten dort, das Gefängnis vollständig unter ihre Kontrolle zu bringen. US-Truppen unterstützten den Kampf gegen die Extremisten mit Luftschlägen.
Der Überfall auf das Gefängnis, der am Donnerstagabend begann, war einer der schwersten Angriffe des IS in Syrien seit Jahren. Ziel war die Befreiung inhaftierter Anhänger. Der Angriff war eine Erinnerung daran, dass der Kampf gegen die Terrormiliz noch nicht gewonnen ist.
Im benachbarten Irak griffen ISExtremisten am Freitag zudem einen Militärstützpunkt nordöstlich von Bagdad an und töteten Sicherheitskreisen zufolge elf irakische Soldaten.
Gefolgsleute des sogenannten Islamischen Staat hatten die Haftanstalt zunächst mit Selbstmordattentätern angegriffen. Anschließend besetzten rund 100 IS-Kämpfer die Aussenposten und drangen in den Gefängniskomplex vor. Dort wurde offenbar ein Waffenlager eingenommen und die erbeuteten Kalaschnikow-Gewehre an die Häftlinge verteilt.
In einer in den sozialen Medien verbreiteten Erklärung bekannte sich der IS zum Überfall in Syrien. Mehr als 800 Gefangene hätten dabei fliehen können, hieß es in einer über das Internet verbreiteten Nachricht des IS-Sprachrohrs Amak. IS-Kämpfer hätten bei der „großangelegten und koordinierten Attacke“mit Lastwagen zwei Autobomben am Eingang des Gefängnisses zur Explosion gebracht. Bei den Gefechten sei auch der Gefängnisdirektor getötet worden.
IS-Kämpfer verschanzten sich nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte im Gefängnis, zudem lauerten Scharfschützen in einem benachbarten Rohbau. Der IS veröffentlichte ein Video, das Dutzende Gefängnisaufseher zeigen soll, die beim Überfall mutmaßlich gefangengenommen wurden. Einige der Männer sagen darin ihre Namen und Geburtsdaten in die Kamera.
Al-Hassaka liegt im von syrischen Kurden kontrollierten Nordosten des Bürgerkriegslandes. Im dortigen Gefängnis saßen nach Angaben kurdischer Medien zuletzt rund 5000 ISAnhänger. Ein Sprecher der von Kurdenmilizen angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) sagte am Samstag, zahlreiche geflohene ISAnhänger seien gefasst worden. Die
Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte, Dutzende seien noch auf der Flucht.
Die Inhaftierten stammen aus mehr als 50 Nationen, die überwiegend nicht bereit sind, ihre zwischen 2014 und 2018 zur Unterstützung des IS nach Syrien gereisten Staatsbürger wieder zurückzunehmen.
Anlässlich eines Besuches von westlichen Journalisten vor zwei Jahren hatte der Direktor die Situation in seinem Gefängnis als „tickende Zeitbombe“beschrieben. Man habe weder die Mittel noch das Personal, warnte er, die „Terroristen dauerhaft zu verwahren“. Ihre Lebensbedingungen wurden von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch als „unmenschlich“beschrieben.
Gefängnisausbrüche haben in der unrühmlichen Geschichte des IS eine grosse Bedeutung. Von Juli 2012 bis Juli 2013 hatte es die Terrororganisation mit einer Serie von Angriffen auf irakische Staatsgefängnisse geschafft, mehr als 1000 Gesinnungsgenossen zu befreien.
Die Terrormiliz hatte im Sommer 2014 große Gebiete im Norden und Westen des Iraks eingenommen und dort ein sogenanntes Kalifat ausgerufen. Zum Herrschaftsgebiet der Extremisten gehörten dabei auch große Teile des benachbarten Syriens.
Mit militärischer Unterstützung der USA und anderer Staaten konnten die irakischen Sicherheitskräfte die Terrormiliz zurückdrängen. In Syrien nahmen von Kurden angeführte Truppen im Frühjahr 2019 die letzte IS-Hochburg ein. Beobachter warnen vor einem Wiederaufstieg der Terrormiliz.