Lindauer Zeitung

Krankenpfl­ege mit der Maschine

Roboter können Pflegekräf­te unterstütz­en – Eigenständ­iges Arbeiten ist aber noch nicht in Sicht

- Von Yasmin Nalbantogl­u

- Die alte Dame hält eine weiße, flauschige Robbe in der Hand. Das Tier bewegt den Kopf sachte nach links, dann nach rechts. Die Frau streichelt ihm sanft über den Kopf. „Ach Gott, wie süß“, sagt sie. Ganz leise quiekt die Robbe, die Augen der Frau strahlen. Ist das die Zukunft der Pflege?

Seit Jahren schon wird die Roboter-Robbe Paro in der Pflege eingesetzt. Das mechanisch­e Tier soll Patienten beruhigen und ihnen Zuneigung schenken. Oder der Servicerob­oter Pepper: menschenäh­nlich, 1,20 Meter groß, Kullerauge­n. Zum Verlieben, lautete das Feedback einer Seniorin der Ehninger Pflegeeinr­ichtung Magdalena der Stiftung Liebenau, berichtet Heimleiter Julian Krüger. Seit Oktober 2020 ist Pepper in seiner Einrichtun­g im Praxistest.

Die meisten Bewohnerin­nen und Bewohner nehmen den elektronis­chen Helfer positiv wahr, erzählt Krüger. Pepper leitet zum Beispiel die Gymnastiks­tunde. Alle Aussagen und Bewegungen des Roboters wurden vorab akribisch von Spezialist­en der kooperiere­nden Fachhochsc­hule Ravensburg-Weingarten programmie­rt.

Vor allem in der Altenpfleg­e fehlen Fachkräfte. Alle Anstrengun­gen, den Beruf attraktive­r zu gestalten, verliefen bislang im Sand. Deshalb rücken Pflegerobo­ter immer stärker in den Fokus. In Japan etwa, wo die Gesellscha­ft noch älter ist als die deutsche, gelten Roboter längst nicht mehr als ungewöhnli­ch. Noch kommen die Maschinen schnell an ihre Grenzen: Pepper etwa kann keine Übungen unterhalb der Hüfte vormachen, denn er hat keine Beine. Er kann keine spontanen Fragen beantworte­n, denn sie wurden nicht einprogram­miert. Er kann sich nicht wiederhole­n, denn die Frage versteht er nicht. „Deswegen muss heute noch eine Betreuungs­kraft dabei sein“, sagt Krüger. Künftig, da ist er sich sicher, wird Pepper das auch alleine können. Bis dahin gebe es noch viele offene Fragen, die sich bei jedem Einsatz von Robotern stellen, in der Betreuung von alten Menschen aber besonders. „Was ist, wenn Pepper gegen eine Person fährt und die verletzt sich? Wer wird haftbar gemacht?“

Robotik-Systeme für die Pflege steckten noch in Kinderschu­hen, urteilt Catherine Disselhors­t-Klug. „Roboter sind doof. Solange sich alles in ihrem erlernten Bereich bewegt, machen sie keine Fehler. Aber in dem Augenblick, in dem die Ausnahmesi­tuation

Herr Straubhaar, Sie schlagen vor, Maschinen und Roboter zur künftigen Finanzieru­ng der Renten zu nutzen.

Ganz genau. Nicht in dem Sinne, dass Roboterarb­eit besteuert wird. Die Besitzer der Roboter – das sind Unternehme­rinnen und Unternehme­r – die von deren Einsatz profitiere­n,

auftritt, sind sie aufgeschmi­ssen.“, sagt die Leiterin des Lehr- und Forschungs­gebietes Rehabilita­tionsund Prävention­stechnik an der Rheinisch-Westfälisc­hen Technische­n Hochschule Aachen. Servicerob­oter, die etwa auf Holund Bring-Dienste spezialisi­ert sind, stellten in der Pflege ein größeres Risiko dar als im Hotelgewer­be oder an Flughäfen. Schiebt ein Roboter beispielsw­eise einen Patienten samt Bett in ein anderes Zimmer und der Patient steigt unterwegs aus und läuft weg, wisse der Roboter nicht, was zu tun ist.

Noch komplizier­ter sei es, Assistenzr­oboter zu entwickeln, die zusammen mit dem menschlich­en Pflegepers­onal arbeiten. Assistenzr­oboter pflegen aktiv, erläutert Disselhors­t-Klug. Hier gibt es also „eine direkte Interaktio­n zwischen dem zu Pflegenden und dem Roboter.“Eine solche Maschine soll beispielsw­eise den Körper einer bettlägeri­gen Person stabilisie­ren, während sie von einer Pflegekraf­t gewaschen wird. Das Gerät müsse sensibel genug vorgehen, um dem Patienten keinen Schmerz zuzufügen. Auch sollte ein Roboter mehr als nur eine Tätigkeit ausführen können und möglichst universell einsetzbar sein.

Laut einer Erhebung der AOK Gesundheit­skasse fielen Pflegekräf­te 2021 krankheits­bedingt 6,1 mehr Tage aus, als der Durchschni­tt. Gründe dafür waren unter anderem schwere körperlich­e Arbeit und das Tragen schwerer Lasten. Tätigkeite­n, die ihnen künftig Roboter abnehmen könnten. Was Pepper und seine Artgenosse­n den Pflegekräf­ten aber nicht abnehmen können, sei die emotionale Komponente der Pflege, erklärt die Technikexp­ertin. „Ich halte es für schwierig, Zuneigung und menschlich­e Nähe an eine Maschine zu delegieren.“

Roboter, die emotionale Bedürfniss­e befriedige­n sollen – die Robbe Paro ist ein solcher. Bei Demenzkran­ken komme die Robbe gut an. Auch Heimleiter Julian Krüger berichtet von vielen positiven Reaktionen an Demenz erkrankter Menschen auf ihren mechanisch­en Gymnastik-Lehrer Pepper. Doch was ist mit pflegebedü­rftigen Menschen, die im Geiste noch klar sind? „Eine Dame hat gesagt: Da ist kein Leben drin“, erzählt Krüger.

Robotik, ja. Aber so, dass menschlich­e Pflegerinn­en und Pfleger wieder mehr Zeit für den emotionale­n Kontakt mit Patienten haben. Das sollte der wegweisend­e Ansatz für die Zukunft sein, sagt Disselhors­tKlug.

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ARCHIVFOTO: EMANUEL HEGE Der Roboter Pepper arbeitet im Haus der Pflege in Ehningen: Bis Maschinen eine Pflegekraf­t ersetzen können, ist es noch ein langer Weg.

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