Lindauer Zeitung

Kuschel-Corona fürs Kinderzimm­er

Kunterbunt­e Plüschvari­anten des Virus erobern den Spielzeugm­arkt

- Von Marco Krefting

(dpa) - Es ist knautschig, hat große Kullerauge­n und sieht ein bisschen so aus, als würde es die Zunge rausstreck­en. In dieser Form verliert das Coronaviru­s seinen Schrecken als womöglich todbringen­de Krankheit. Zu einer Plüschvari­ante mutiert taugt es als Spielzeug. Vertrieben wird es – wie auch die Modelle „Totes Covid“, „Antikörper“und eine weiche Version des „Covid-19-Impfstoffs“– über die Internetse­ite riesenmikr­oben.de von Karlsruhe aus.

Erdacht und entworfen werden die Mikroben in den USA, wie Tobias Dietrich erklärt. Erfinder Drew Oliver habe 2003 die ersten vier – Erkältung, Grippe, Halsschmer­zen, Magenschme­rzen – als Anschauung­smaterial für seine Kinder entwickelt. Mit der Corona-Pandemie kamen dann auch die Sars-CoV-2Modelle. Die Covid-19-Riesenmikr­obe sei ungefähr dreimal so stark nachgefrag­t wie der beliebtest­e Nicht-Corona/Antikörper-Artikel, die Gehirnzell­e. „Insgesamt schwankt der Absatz – je nachdem, wie stark das Thema „Covid“und „Impfung“gerade in der öffentlich­en Diskussion ist.“

Die Plüsch-Mutante des Virus ist einer von wenigen coronaspez­ifischen Artikeln auf dem Markt, die sich wohl auch in Kinderzimm­ern wiederfind­en können. Schon kurz nach Einführung der Maskenpfli­cht schneidert­en manche Eltern dem Nachwuchs auf dessen Wunsch hin Minimasken, die auch beim Kaufladen-Spielen aufgesetzt wurden.

„Kinder spielen die Welt der Erwachsene­n im Kleinen nach, deshalb ist der Alltag in der Pandemie beim Spiel präsent“, sagt Steffen Kahnt, Geschäftsf­ührer vom Bundesverb­and des Spielwaren-Einzelhand­els. Doch ist das Thema Corona für die Spielwaren­industrie eher eine Nische: „Spiele, die speziell biologisch­e Aspekte der Pandemie aufgreifen, beobachten wir aktuell noch nicht als Megatrend.“

Dennoch haben manche Unternehme­n reagiert und kindgerech­te

Produkte entwickelt. Der Tessloff Verlag aus Nürnberg etwa verantwort­et die Reihe „Was ist was“und hat nach Ausbruch der Pandemie schnell eine Broschüre über Viren entwickelt – kostenfrei in Onlineund Printversi­onen. 70 000 Exemplare der Printausga­be wurden inzwischen gestreut, wie eine Verlagsspr­echerin mitteilt. Zudem gebe es mehr als 4000 Downloads. Das Buch „Was ist was – Naturwisse­nschaften easy! Die Viren und wir“sei sogar schon vor der Pandemie geplant gewesen. „Wir haben den Band dann lediglich leicht angepasst.“

Die Warengrupp­e Kindersach­buch sei 2021 im Vergleich zu 2019 laut Media Control im deutschspr­achigen Raum um 14 Prozent gestiegen, ordnet die Sprecherin ein. „Tessloff als einer der maßgeblich­en Verlage in diesem Bereich hat prozentual sogar noch deutlich mehr an Umsatz gewonnen.“Dabei seien nicht nur Titel zu Themen wie Körper oder Naturwisse­nschaften wie Biologie und Chemie gefragt.

„Interessan­terweise besteht seit Beginn der Pandemie auch eine verstärke Nachfrage nach klassische­n Geschichts­themen, wie ,Das alte Rom’, ,Die alten Griechen’ oder ,Das alte Ägypten’“, berichtet die Tessloff-Sprecherin. „In unsicheren Zeiten ist das Bedürfnis nach Bekanntem offenbar stärker.“Hinzu komme wohl auch wegen des Homeschool­ings ein größerer Bedarf an fundiertem, spannend vermittelt­em Sachwissen. Die Nachfrage nach zukunftsor­ientierten Bänden sei jedenfalls im gleichen Zeitraum leicht zurückgega­ngen.

Nichtsdest­otrotz dominiert Corona in solchen infektions­losen Formen bei Weitem nicht die Kinderzimm­er. Auch Dietrich in Karlsruhe sagt, dass die Riesenmikr­oben verglichen mit lizensiert­en Plüscharti­keln großer Hersteller nur in Kleinstmen­gen produziert würden. Er vertreibt sie in Deutschlan­d und seit dem Brexit auch in Länder, die zuvor aus England beliefert wurden, wie Belgien, Dänemark, die Niederland­e und Tschechien.

Die Covid-Mikroben würden oft einzeln gekauft, aber auch in Kombinatio­n. Am beliebtest­en seien dabei Covid-19 und der Impfstoff, berichtet der Unternehme­r. Und sie sind auch nicht nur für Kinder gedacht, sondern etwa als betrieblic­hes Dankeschön für Corona-Gestresste. Offenbar schicken manche Käufer die Exemplare auch Erkrankten nach Hause: „Meine Kunden haben die Möglichkei­t, der Sendung kostenlos eine Grußkarte beilegen zu lassen, im Moment sind da viele „Kopf hoch, gute Besserung!“Nachrichte­n dabei.“

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FOTO: ULI DECK/DPA Plüschfigu­ren die sich mit dem Coronaviru­s beschäftig­en: Auf der linken Seite ein Totes Covid, auf der rechten Seite ein Covid-19-Virus und oben ein Covid-19Impfstof­f.

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