Nach vier Jahren wieder ein Tocotronic-Album
Es gibt wieder keine Sicherheiten. Die Wege durch die Welt der Indie-Rocker Tocotronic stecken voller Windungen, Kehren, überraschenden Abzweigungen. Mit ihrem neuen Album „Nie wieder Krieg“entführt die Band um Sänger Dirk von Lowtzow an die Übergänge von Realität zu Traum, von banalem Alltag zu intensivem Gefühl. Auf ihrem neuen Album „Nie wieder Krieg“zeigen die Musiker zwölf Songs lang, wie wunderbar inspirierend und gleichzeitig tanzbar ihre Stücke immer wieder sein können.
Seit der letzten Studioeinspielung bis zu diesem 13. Album hat es auch pandemiebedingt vier Jahre gedauert. Es ist eine kleine Reise geworden, es lässt sich eine Dramaturgie darin entdecken. Die paroligen Ansätze, von der Band „Sloganeering“genannt, bergen politisch-klare Ansagen etwa bei den bereits veröffentlichten Singles „Nie wieder Krieg“und „Jugend ohne Gott gegen Faschismus“oder in „Komm mit in meine freie Welt“. Intimer auf Zweisamkeit und Gefühle bezogen wird es mit „Ich gehe unter“, dem das Album unmittelbar „Ich tauche auf “folgen lässt. Dort hat die als Soap& Skin arbeitende Sängerin Anja Plaschg einen Part übernommen.
Damit lassen sich von Lowtzow, Bassist Jan Müller, Gitarrist Rick McPhail und Schlagzeuger Arne Zank erstmals auf eine Gastmusikerin ein. „Wir sind als Band sehr autonom, so eine Zelle“, erläutert von Lowtzow. „Das birgt manchmal auch die Gefahr, dass man ein bisschen hermetisch nach außen wirkt. Wir haben auch viel darüber gesprochen, wie man diesen Nukleus öffnen kann.“Das sei auch wichtig.
Weiter in die Niederungen des Alltags. „Wenn die Liebe endet, ist es mitten in der Nacht“, heißt es im Song „Ich hasse es hier“. Da wird die kaum veredelbare Pizza aus dem Tiefkühlfach zum Synonym für Trostlosigkeit.
Es ist ein rockiges, von Gitarren bestimmtes Album geworden. Das wird gerade auch durch dazwischen platzierte, balladigruhige Elemente oder geschmeidige Poptöne betont. Melodien und Texte bleiben im Ohr, setzen sich nachhaltig fest.
Seit fast drei Jahrzehnten ist Tocotronic mit Indie-Rock dabei. Die Band wird neben Blumfeld und Die Sterne trotz weitgehender Übersiedlung in die Hauptstadt noch immer zu den wichtigsten Vertretern der intellektuellen „Hamburger Schule“gezählt. Die letzten acht Platten waren alle in den Top Ten platziert.
Das neue Album ist für von Lowtzow kein Selbstläufer. Es geht für ihn um innere Zerrissenheit, seelische Kipppunkte. „Es ist das persönlichste Album, das wir gemacht haben“, findet von Lowtzow. Zwar wolle er „die Leute nicht mit seinem Gefühlsquark belästigen“, aber „ich bin sehr froh, dass wir das so gemacht haben“.
Er habe als Songwriter in sich hineingehorcht. „Was will ich eigentlich mitteilen? Was sind das für Stimmungen, Heimsuchung und Dämonen, denen man ausgesetzt ist?“Nicht nur mit der für März und April geplanten Tour können Tocotronic-Fans auf Fortsetzung von Gefühlen und Seelenschau hoffen. In „Ich gehe unter“heißt es bei der Band: „Das ist ein Hilfeschrei, es gibt uns immer noch, wir sind noch nicht vorbei.“(dpa)