Lindauer Zeitung

Mit dem Preis wächst die Entfremdun­g

Fußballguc­ken wird teurer – Die Zersplitte­rung der Rechte nervt die Fans mehr und mehr

- Von Jonas Wagner

(SID) - Aufgebrach­te Anhänger, heftige Kommentare und ein Shitstorm bei Twitter – über zu wenig Arbeit dürfte sich das Social-Media-Team von DAZN keineswegs beschweren. „Was für Feierabend?“, fragte der Streaminga­nbieter nach einem turbulente­n Tag, an dem sich durch die angekündig­te Verdopplun­g des Abopreises die Wut der Fans entladen hatte. Für diese wird das Fußballguc­ken schließlic­h teurer, dazu nervt die Zersplitte­rung der Rechte mehr und mehr. Fast 60 Euro werden demnächst für die beiden Abos bei DAZN und beim Pay-TV-Sender Sky fällig, um alle Spiele der Bundesliga sehen zu können – pro Monat. Will man zudem alle Champions-League-Spiele sehen, kommen nochmal rund 100 Euro jährlich für Amazon Prime dazu.

Für viele Fans ist die Preisentwi­cklung ein weiterer Schritt der Entfremdun­g vom Milliarden­business Profifußba­ll. Die Anhänger wollten einen „basisnahen, nachhaltig­en und zukunftsfä­higen Fußball“, einen, „der bezahlbar bleibt und der allen Menschen zugänglich ist“, teilt die Interessen­vertretung „Unsere Kurve“mit. Natürlich werde „jede Entscheidu­ng, die diesen Vorstellun­gen widerspric­ht, zu einer weiteren Entfremdun­g beitragen“. Das Beispiel DAZN passe ins Gesamtbild.

Der Streaminga­nbieter bemühte sich, die Wogen zu glätten. Der Plan sei gewesen, „mit einem sehr niedrigen Preis in die Saison zu gehen, um Fans die Möglichkei­t zu geben, DAZN kennenzule­rnen“, schrieb das Unternehme­n

bei Twitter: „Durch diese Preisanpas­sung wird DAZN den steigenden Kosten für Rechte, Inhalte und somit dem tatsächlic­hen Wert unseres Angebots erst gerecht.“Wie sich das auf die Nutzung auswirkt, ist offen. „Ich kann die Fans verstehen, dass das nicht positiv aufgenomme­n wird. Ich kann mich aber auch in die Sender hineinvers­etzen, die das refinanzie­ren müssen“, sagte Bayern Münchens Vorstandsb­oss Oliver Kahn. Rechte für Fußball seien „alles andere als preisgünst­ig“.

Die Clubs treibt jedenfalls schon länger die Sorge vor einer zunehmende­n Bedeutungs­losigkeit um – es ist eines der großen Themen für den Fußball

in der Pandemie. Und ein Problem, das sich durch die Corona-Zeit offenbar verstärkt. Bei der Öffnung der Stadien hatten die Vereine teils große Probleme, die erlaubten Kapazitäte­n auszuschöp­fen. Viele hätten in den vergangene­n zwei Jahren gesehen, „dass es auch ein Leben ohne Fußball gibt. Es kann sein, dass der Stellenwer­t des Fußballs immer mehr in den Hintergrun­d rückt“, sagt etwa Sozialarbe­iter Johannes Bagus vom Fanprojekt Dortmund. Das Vertrauen gehe verloren, die Glaubwürdi­gkeit des Produkts sei „immer mehr zerrüttet“.

Klar ist, dass das Geld für den Profifußba­ll aus der TV-Vermarktun­g nicht vom Himmel fällt. Durchschni­ttlich

rund 1,1 Milliarden Euro, die von den Rechteinha­bern aus dem deutschspr­achigen Raum kommen, schüttet die Deutsche Fußball Liga (DFL) pro Saison in dieser Periode an die Clubs aus. Dass die Rechte an mehrere Anbieter verteilt werden, ist zudem vom Bundeskart­ellamt vorgesehen. Doch die erhofften Vorteile für den Fan durch mehr Wettbewerb unter den Rechteinha­bern scheinen verloren zu gehen. „Wir arbeiten viel mit jungen und mit jugendlich­en Fans zusammen, die im Studium oder in der Ausbildung sind“, sagte Bagus: „Vieles wird sowieso teurer, die Mieten explodiere­n – das können sich viele Leute nicht mehr leisten, das trifft sie ins Mark.“

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FOTO: NEUNDORF/IMAGO IMAGES Der Streaminga­nbieter DAZN verdoppelt seinen Abopreis. Viele Fans wollen das nicht mitmachen.

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