„Ich habe schon noch ein paar Jahre übrig“
Emanuel Buchmann über eine verkorkste Saison, seine Corona-Erkrankung und die Giro-Wahl
- Mit einem neunten Platz bei der Mallorca-Challenge ist Radprofi Emanuel Buchmann am Mittwoch in die neue Saison gestartet. Es soll eine erfolgreiche werden. Nach zuletzt zwei schweren Jahren will der Tour-de-France-Vierte von 2019 wieder bei einer großen Rundfahrt das Podium angreifen. Weshalb die Wahl auf den Giro d’Italia statt auf die Tour gefallen ist, warum er die Vorsaison am liebsten vergessen würde und wie es ihm nach seiner Corona-Erkrankung geht, hat der Ravensburger im Gespräch mit Martin Deck erzählt.
Herr Buchmann, haben Sie an Silvester eine Freudenrakete abgeschossen, weil das Jahr 2021 vorbei ist? Schließlich war es nicht Ihr Jahr. Ich muss schon sagen, dass ich wirklich froh war, dass das Jahr vorbei war. Rein sportlich lief da gar nichts zusammen bei mir.
Der schwerste Rückschlag war sicher Ihr Aus beim Giro d’Italia. Sie lagen auf Rang sechs, als Sie auf der 15. Etappe nach einem Massensturz aufgeben mussten. Das schmerzt, oder?
Absolut, das war extrem bitter. Bis dahin lief es eigentlich sehr gut und es sah so aus, dass ich bis zum Schluss ums Podium mitfahren könnte. Darauf hatte ich mich sehr lange vorbereitet und extrem hart gearbeitet – und dann war von einer auf die andere Sekunde alles vorbei. ob Sie überhaupt fahren dürfen. Wie haben Sie die turbulente Nacht vor dem Rennen erlebt?
Mein Zimmerkollege Simon Geschke wurde einen Tag vor dem Straßenrennen positiv auf Corona getestet, und es wusste erst mal niemand, wie es jetzt mit mir weitergeht. Mitten in der Nacht, so gegen 0.30 Uhr, wurde ich dann aus dem Hotel am Mount Fuji abgeholt und drei Stunden ins Olympische Dorf nach Tokio gefahren. Dort musste ich um 5 Uhr morgens einen PCR-Test machen, und um 7 Uhr ging es zurück an den Start.
Sie kamen als 29. ins Ziel. Enttäuscht? Nicht über das Ergebnis, aber die Umstände. Mit zwei Stunden Schlaf ein 240-Kilometer-Radrennen zu fahren, ist schwierig. Das hat mir schon ein wenig zugesetzt. Eigentlich dachte ich, das Pech muss doch irgendwann mal ein Ende haben. nicht im Kader für die FrankreichRundfahrt stehen?
Ich bin da überhaupt nicht enttäuscht. Das war schließlich eine gemeinsame Entscheidung vom Team und mir. Die erste Woche bei der Tour de France ist in diesem Jahr extrem schwierig mit den windanfälligen Etappen in Dänemark und der KopfsteinplasterEtappe in Nordfrankreich. Da ist die Wahrscheinlichkeit zu stürzen wieder sehr groß. Der Giro liegt mir von der Strecke einfach wieder besser. Es gibt wenige Zeitfahrkilometer und sehr schwere Anstiege.
Bora-hansgrohe setzt in Italien mit Jay Hindly, Wilco Keldermann und Ihnen auf gleich drei KlassementFahrer. Haben Sie den Anspruch, als Kapitän in die Rundfahrt zu gehen? Aktuell ist der Plan, dass wir als gleichwertige Kapitäne an den Start gehen – aber bis Mai kann sich noch einiges ändern. Es gibt einige Rennen zuvor, und jeder muss erst mal gesund bleiben. Wer am Ende der Stärkste ist und auf die Gesamtwertung fährt, wird sich wohl erst während der Rundfahrt herauskristallisieren. Natürlich hätte ich nichts dagegen, wenn ich das bin. Aber das große Ziel ist es, als Team einen Fahrer aufs Podium zu bekommen. Und dafür stehen die Chancen nicht schlecht, denke ich. Mit drei Kapitänen können wir die anderen Teams unter Druck setzen. Außerdem lastet auch ein nicht ganz so hoher Druck auf meinen Schultern – ich glaube, das wird eine sehr gute neue Erfahrung werden.
Sie haben dennoch immer klar gesagt, dass es Ihr Ziel ist, noch einmal bei der Tour de France aufs Podest zu fahren. Läuft Ihnen dafür nicht langsam die Zeit davon? Sie sind nun schon 29, und es kommen viele junge Topfahrer nach, nicht zuletzt die beiden Tour-Sieger Egan Bernal (25) und Tadej Pogacar (23). Normalerweise sagt man, dass man bis 32, 33 im besten Alter ist, um aufs Gesamtklassement zu fahren. Ich habe also schon noch ein paar Jahre übrig. Natürlich hoffe ich, dass mir die Strecke der Tour in den nächsten Jahren wieder mehr entgegenkommt und ich noch mal angreifen kann. Aber jetzt schaue ich nur auf dieses Jahr und den Giro. Da habe ich schließlich ein großes Ziel.
Das gilt auch für Ihr Team. Die Ausrichtung von Bora-hansgrohe hat sich vor der Saison stark verändert. Der mehrfache Weltmeister Peter Sagan, der eher auf Eintagesrennen spezialisiert ist, ist gegangen, neue Bergspezialisten sind gekommen. Zudem gibt es mit dem Ex-TelekomStar Rolf Aldag einen neuen Sportdirektor. Was halten Sie von dieser Entwicklung?
Der Umbruch ist schon sehr groß, wir sind eigentlich ein komplett neues Team. Dadurch dass Peter und seine Truppe gegangen sind, gibt es nun die Möglichkeit, mehr auf Bergspezialisten und die Gesamtklassements zu setzen. Das kommt mir natürlich entgegen. Mit so einem Team wie in diesem Jahr beim Giro zu starten, wäre früher nicht möglich gewesen. Es wird sicher noch ein paar Rennen dauern, bis wir Fahrer uns richtig zusammenfinden, aber dann kann das wirklich gut werden. Ich denke, das ist der richtige Weg für die Zukunft.
Blicken wir elf Monate voraus. Was hoffen Sie, werden Sie Ende des Jahres 2022 feiern?
Ich hoffe natürlich, dass ich auf ein erfolgreiches Jahr zurückblicke, in dem ich mal gesund und ohne Stürze bleibe. Das ist das Wichtigste, denn dann kommt der Rest auch von alleine.