Es fehlen Regeln zur Solardachpflicht
Bald müssen Häuser im Südwesten Photovoltaikmodule tragen – Bauherren warten auf Details
- So forsch wie kein anderes Bundesland prescht BadenWürttemberg bei der Solardachpflicht vor. Für manche Bauvorhaben gilt sie bereits, in wenigen Monaten folgt der nächste Schritt. Sonnenstrom ist laut Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) schließlich ein wesentlicher Faktor, um das Land bis 2040 klimaneutral umzubauen. Dieses Ziel hat die grün-schwarze Koalition festgelegt. Worauf Häuslebauer in wenigen Monaten achten müssen, ist bislang aber noch gänzlich unklar, kritisiert die FDP. „Private Bauherren haben endlich Planungssicherheit verdient“, betont deren energiepolitischer Sprecher Frank Bonath.
Zum Mai tritt im Südwesten die Photovoltaikpflicht für neu gebaute Wohnhäuser in Kraft. Der FDP-Abgeordnete Bonath hat bei Umweltministerin Walker nachgefragt, welche Vorgaben dann gelten. Die entsprechende Verordnung sei derzeit noch in Arbeit, erklärt Walker. Auf Rückfrage erklärt ihre Sprecherin der „Schwäbischen Zeitung“, dass ein Entwurf hierfür gerade von den anderen Ministerien geprüft werde und betroffene Verbände demnächst angehört würden. Voraussichtlich im März, spätestens im April könne die Verordnung vom Kabinett dann beschlossen werden.
Viel zu spät, findet die FDP. „Wer im Mai ein Haus baut, der ist heute mit der Planung fertig“, betont Bonath. Der Städtetag sieht das nicht als hinderlich. Wer mit der Planung eines Hauses fertig sei, könne diese vor Mai einreichen – ganz ohne PVPflicht. „Nur wenn ein Bauantrag erst im Mai 2022 oder später eingereicht wird, müssen Maßnahmen zur Erfüllung der Photovoltaikpflicht mitgeplant und nach Veröffentlichung der konkreten Vorgaben konkretisiert werden“, erklärt die Verbandssprecherin. Fragen zum Flächenanteil oder zu einer möglichen Befreiung von der PV-Pflicht schlügen allerdings schon jetzt bei den Baurechtsbehörden auf. Beantworten könnten sie diese bislang nicht.
Manch Frage bleibt zunächst also offen. Etwa die, wieviel Sonnenstrom die Landesregierung mit der PVPflicht für Wohnhäuser zusätzlich generieren will. Bonath kritisiert das. „Bevor man mit einer dirigistischen PV-Pflicht in die Eigentumsrechte und den Geldbeutel der Häuslebauer eingreift, sollte man doch zumindest wissen, welches Potenzial für den Klimaschutz man sich dadurch erhofft“, erklärt er. Das Kostenargument lässt die Bauwirtschaft BadenWürttemberg nicht gelten. „Die zusätzlichen Investitionen sind angesichts der Gesamtsumme eines Gebäudes überschaubar und amortisieren sich in einigen Jahren“, erklärt eine Verbandssprecherin. Unklar bleibt zunächst auch, ob der massiv steigende Bedarf an PV-Modulen und den Handwerkern, die diese montieren sollen, gedeckt werden kann. Bei der Frage nach Wartezeiten verweist das Ministerium auf Schätzungen des Solar Clusters Baden-Württemberg – ein Interessenverband, dem Unternehmen, Stadtwerke und Forschungsinstitute angehören. Ab Auftragseingang könne es zehn Wochen dauern, bis eine Solaranlage auf dem Dach installiert ist, heißt es dort. Der Städtetag spricht von einem Fachkräftemangel beim Handwerk als limitierendem Faktor – so die Rückmeldung aus den Baurechtsbehörden vor Ort. Das sei aber zumindest gesetzlich kein Problem, erläutert Walker: Ein Bauherr müsse erst ein Jahr nach Fertigstellung seines Hauses nachweisen, dass er die PV-Pflicht eingehalten hat. „Diese Frist sollte ausreichend Raum für etwaige Wartezeiten bieten“, so Walker. Von einem Auftragsboom spricht auch Thomas Bürkle, Präsident des Fachverbands Elektro- und Informationstechnik im Land. Ein wirkliches Problem bereite dieser aber nicht. „Die Betriebe erhalten zeitnah ihr benötigtes Material vom Elektrogroßhandel, der sich schon frühzeitig auf die PV-Pflicht einstellen konnte. Eine Installation einer PV-Anlage dauert auch nicht mehr Wochen, sondern ist mittlerweile schnell ausgeführt.“Auf die Solardachpflicht
für Wohnhäuser sei das Elektrohandwerk auch in Zusammenarbeit mit anderen Handwerkern, etwa den Dachdeckern, gut vorbereitet. Das betonen auch die Architekten im Land. „Wir sehen dabei keine Schwierigkeit“, so eine Sprecherin der Architektenkammer. Die Planungssicherheit sei gegeben, die bevorstehende PV-Pflicht längst bekannt. „Entsprechendes wurde bereits mit der Novelle des Klimaschutzgesetzes im Oktober 2021 gut und rechtzeitig kommuniziert, wenn auch zum jetzigen Zeitpunkt die Verordnung noch nicht vorliegt.“Und eine Sprecherin der Bauwirtschaft prognostiziert: „Grundsätzlich denken wir, dass sich mögliche Probleme rund um die Solardachpflicht über kurz oder lang auswachsen werden.“Erste Erfahrungen mit einer Solardachpflicht sammelt das Land bereits. Wer seit Jahresbeginn ein Gewerbegebäude baut, muss auf dem Dach PV-Module installieren. Auch über neuen Parkplätzen mit mehr als 35 Buchten müssen Solaranlagen errichtet werden. So sieht es das Klimaschutzgesetzes des Landes vor. Wie groß diese Anlagen sein müssen – 60 oder 75 Prozent der Dachfläche etwa – regelt eine Verordnung. Und diese scheint in der Praxis zu funktionieren, berichten Bauwirtschaft und Architektenkammer. Die Umsetzung dieser Pflicht stelle auch die Baurechtsbehörden der Kommunen vor keine größeren Probleme, erklären sowohl Gemeindetag, der die kleineren Kommunen im Land vertritt, wie auch der Städtetag.
„Vereinzelt hören wir aus unseren Städten, dass die Kombinierbarkeit von Photovoltaikanlagen einerseits und Begrünung andererseits sowohl auf Dachflächen als auch auf Parkplätzen Probleme bereitet“, erklärt eine Sprecherin des Städtetags. Gerade bei Parkplätzen sei ja gewünscht, dass Bäume Schatten spenden sollen.
Ähnliche, wenn auch nicht so weitreichende Regelungen wie in Baden-Württemberg, gibt es seit dem Jahreswechsel in SchleswigHolstein und Nordrhein-Westfalen. Etliche andere Bundesländer haben vergleichbare Regelungen beschlossen oder in Planung, die 2023 greifen.
Auch in Bayern war eine PVPflicht bereits vielfach angekündigt worden – und ging im koalitionsinternen Streit zwischen CSU und Freien Wählern bislang unter. Im November hat sich das Kabinett von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auf eine Reform des Klimaschutzgesetzes geeinigt.
Neuer Termin für eine mehrfach verschobene Einführung einer Solardachpflicht ist nun der 1. Juli. Die Gesetzesnovelle muss aber noch den Landtag passieren, zudem soll die PV-Pflicht nur für Gewerbeneubauten gelten. Das hat auch die AmpelKoalition im Bund geplant. Im Koalitionsvertrag hatten sich SPD, Grüne und FDP zwar darauf geeinigt, dass „alle geeigneten Dachflächen (...) künftig für Solarenergie genutzt werden“sollen. Eine Pflicht ist aber nur für gewerbliche Neubauten vorgesehen.