Vorstoß für eine neue Sterbehilfe-Regelung
Abgeordnete verschiedener Parteien stellen Entwurf zum assistierten Suizid vor
- Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Februar 2020 hatte für Aufsehen gesorgt. Karlsruhe war zu dem Urteil gekommen, dass das Verbot der professionellen Beihilfe zum Suizid gegen das Grundgesetz verstößt. Es brauchte also eine neue gesetzliche Regelung für den assistierten Suizid, doch der Gesetzgeber blieb erst einmal untätig. Nun hat eine Gruppe von Abgeordneten von SPD, FDP, Grünen, CDU und der Linken einen Entwurf vorgestellt, wie die Hilfe zur Selbsttötung geregelt werden könnte. „Leitlinie für uns ist der freie Wille und der Wert des Lebens jedes einzelnen Menschen“, sagte Benjamin Strasser, FDP-Abgeordneter für den Wahlkreis Ravensburg am Donnerstag in Berlin.
Mit ihrem Gesetzentwurf wollen die Abgeordneten einerseits die Beihilfe zur Selbsttötung ermöglichen, andererseits insbesondere Menschen mit psychischen und körperlichen Erkrankungen davor bewahren, ihrem Leben ein Ende zu setzen. „Wir wollen den assistierten Suizid ermöglichen, aber nicht fördern“, sagte der baden-württembergische SPD-Abgeordnete Lars Castellucci. Der Zugang zum assistierten Suizid dürfe nicht leichter sein als der Zugang zu einer Pflege- oder Palliativeinrichtung. Die Gruppe fordert deshalb in einem ergänzenden Antrag eine bessere Suizidprävention. Strasser nannte als Beispiele eine bessere Schuldner- und Suchtberatung.
Die „geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“würde nach dem Gesetzentwurf weiterhin strafbar bleiben – allerdings mit Ausnahmen. Erwachsene, die ihrem Leben selbstbestimmt ein Ende setzen wollen, müssten sich zweimal von einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie untersuchen und sich zudem beraten lassen. Bei Menschen mit einer rasch fortschreitenden, unheilbaren Krankheit könnte die geplante Drei-Monats-Frist zwischen den Untersuchungen verkürzt werden, so die Grünen-Abgeordnete Kirsten Kappert-Gonther. Sie forderte zudem ein besseres Schutzkonzept für Menschen mit Suizidgedanken. In der Regel seien solche Gedanken Ausdruck davon, eine Pause oder eine Zäsur zu benötigen in einer „als unerträglich empfundenen Lebenssituation“.
Die Abgeordnetengruppe, zu der auch Ansgar Heveling (CDU/CSU) und Kathrin Vogler (Linke) gehören, sammelt nun Unterschriften für ihren Entwurf, um ihn in den Bundestag einbringen zu können. Dafür braucht es die Unterstützung von fünf Prozent der Abgeordneten. In der vergangenen Legislaturperiode lagen bereits Vorschläge zur Neuregelung des assistierten Suizids vor. Die Abgeordneten Katrin Helling-Plahr (FDP), Petra
Sitte (SPD) und Karl Lauterbach (SPD) wollten „das Recht auf einen selbstbestimmten Tod legislativ absichern und klarstellen, dass die Hilfe zur Selbsttötung straffrei möglich ist“. Renate Künast und Katja Keul (beide Grüne) erarbeiteten einen Entwurf, der den Betroffenen einen Zugang zu Hilfsmitteln eröffnet, um ihren Suizidwunsch zu verwirklichen.
Die Hilfe zur Selbsttötung ist seit Langem umstritten. Der Gesetzgeber hatte im Jahr 2015 mit Paragraf 217 des Strafgesetzbuchs die „geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“verboten. Darunter fielen aber nicht nur Organisationen, die am Suizid von Menschen Geld verdienen, sondern alle, die wiederholt hätten Suizidbeihilfe leisten können – also auch Ärzte und Sterbehilfe-Vereine. Das Bundesverfassungsgericht urteilte 2020, dass das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben die Freiheit einschließe, sich das Leben zu nehmen. Dazu gehöre auch die Freiheit, „hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen“.